Bankrecht

Wirksame Abtretung der Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag an gewerblichen Aufkäufer

Aktenzeichen  23 O 5454/16

Datum:
31.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 134, § 139, § 409 Abs. 1, § 808 Abs. 1 S. 1
KWG KWG § 32 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2
RDG RDG § 2 Abs. 2, § 3
VVG VVG § 6 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Der Kauf einer Lebensversicherung durch einen gewerblichen Aufkäufer und die erfolgte Abtretung der Rechte aus dem Vertrag durch den Versicherungsnehmer sind nicht wegen Verstoßes gegen § 32 KWG oder §§ 3, 2 Abs. 2 RDG gemäß § 134 BGB nichtig (so auch LG München I BeckRS 2016, 124252 Rn. 33 f.; Abgrenzung zu BGH BeckRS 2014, 00180; offen gelassen durch OLG München BeckRS 2017, 106231; BeckRS 2017, 117597). Jedenfalls könnte sich aber der Versicherer, der den Rückkaufswert an den Zessionar auszahlt, auf die Bestimmung des § 409 Abs. 1 BGB berufen (so auch OLG München BeckRS 2017, 117597). (Rn. 23 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auf Grund der Legitimationswirkung des Versicherungsscheins darf der Versicherer einer Lebensversicherung den Inhaber der Originalpolice als zur Kündigung des Versicherungsvertrages berechtigt ansehen und den Rückkaufswert mit schuldbefreiender Wirkung an ihn leisten (vgl. auch BGH BeckRS 2010, 08770). (Rn. 32 – 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 34.875,20 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht ein rechtliches Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung, dass die gegenständliche Lebensversicherung fortbesteht, § 256 ZPO. Der Kläger macht insofern geltend, dass die streitgegenständliche Kapitallebensversicherung fortbesteht, die Beklagte stellt dies in Abrede. Es besteht damit Streit über ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis der Parteien. Ob die begehrte Feststellung begründet ist, ist dafür nicht erheblich, weil sie jedenfalls nicht offensichtlich haltlos ist.
II.
Die Klage ist indes unbegründet, weil die S. die streitgegenständliche Versicherung wirksam gekündigt hat.
1. Die Unwirksamkeit des Kaufvertrages führt bereits nicht zur Unwirksamkeit der Abtretung. Die SM hat daher vollwirksam die abgetretenen Rechte ausgeübt, insbesondere die Versicherung gekündigt und den Rückkaufswert eingezogen.
Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Allerdings führt das Erfordernis der Erlaubnis für das Betreiben von Kreditgeschäften nicht zur Nichtigkeit der ohne Erlaubnis abgeschlossenen Verträge. Dies folgt bereits daraus, dass sich das Verbot nach dem KWG (ebenso wie das Verbot nach dem RDG) – anders als nach § 134 BGB grundsätzlich erforderlich – nicht gegen beide Vertragsparteien, sondern nur gegen eine Partei richtet. Gleiches gilt für die entsprechende Strafbarkeit nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG. Zudem handelt es sich bei der Erlaubnispflicht um eine gewerbepolizeiliche Vorschrift, bei der sich das in der Erlaubnispflicht liegende Verbot von Bankgeschäften ohne Erlaubnis nicht gegen die rechtliche Wirkung dieser Geschäfte richtet, sondern die ö öffentliche Ordnung stützen soll. Damit bleibt auch eine an das Grundgeschäft anschließende Abtretung als Erfüllungsgeschäft wirksam (BGH Urteil vom 19.04.2011, Az. XIZR 256/10, Rdnr. 19 f. = NJW2011, 3024 f.).
So ist es auch hier. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger dagegen auf das Urteil des BGH vom 11.12.2013, Az. IV ZR 131/13. Der Sachverhalt war dort anders, weil der Kaufpreis gerade noch nicht verbindlich festgelegt war, und der Versicherungsnehmer / Verkäufer deshalb weiterhin das wirtschaftliche Risiko trug. Vorliegend war der Kaufpreis aber unabhängig vom Rückkaufswert festgesetzt und lediglich in zeitlicher Hinsicht gestreckt. Damit lag das wirtschaftliche Risiko sowohl für den Zeitpunkt der Kündigung als auch die Höhe des Rückkaufswerts ausschließlich bei der S.
Schließlich steht der Nichtigkeit der Abtretung das Abstraktionsprinzip entgegen. Insofern ist gerade nicht über § 139 BGB automatisch von einer Nichtigkeit auch des Verfügungsgeschäfts auszugehen (Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Auflage 2015, § 139 Rdnr. 7). Vorliegend war Ziel auch des Klägers ersichtlich, die Versicherung zeitnah zu kündigen und den Rückkaufswert einzuziehen, um ihn dem Kläger wirtschaftlich zuzuführen. Zwar war die Abtretung auch im Kaufvertrag enthalten. Der Kläger hat aber zusätzlich die sehr ausführliche Abtretungsanzeige unterzeichnet, die im Einzelnen die Rechte auflistete, die die SM ausüben dürfen sollte.
2. Jedenfalls hat die Beklagte gemäß § 409 BGB mit befreiender Wirkung an die SM geleistet.
§ 409 BGB gilt selbst dann, wenn der Schuldner positiv weiß, dass die Abtretung nicht oder nicht wirksam erfolgt ist. Nur ausnahmsweise kann der Schutz des § 409 BGB entfallen, wenn die fehlende Legitimation offen zu tage tritt oder die Abtretung gegen ein Verbotsgesetz verstößt (Palandt/Grüneberg, aaO., § 409 Rdnr. 5).
Die Abtretung selbst verstößt hier, wie bereits ausgeführt, nicht gegen ein Verbotsgesetz, sondern nur das Grundgeschäft. Entgegen der Auffassung des Klägers gab es für die Nichtigkeit des Grundgeschäfts auch keinerlei Anhaltspunkte für die Beklagte.
Das Klägervorbringen zu positiver Kenntnis der Beklagten von der Nichtigkeit des Kaufvertrages ist nicht nachzuvollziehen. Die Beklagte hat unstreitig nur die Abtretungsanzeige mit der Abtretungserklärung bekommen, den Kaufvertrag nicht. Sie konnte daher ohne weitere Prüfungen überhaupt nicht erkennen, was genau der Abtretung zu Grunde liegt.
Auch grob fahrlässige Unkenntnis liegt nicht vor, so dass offen bleiben kann, ob eine solche hier § 409 BGB überhaupt entgegenstehen würde. Insofern kann als wahr unterstellt werden, dass es bereits 2009 und 2010 Warnungen vor unseriösen Aufkäufern von Lebensversicherungen gab. Solche Warnungen führen aber nicht dazu, dass ein Versicherer von sich aus prüfen müsste, was für ein Geschäft einer Kündigung durch einen vom Versicherungsnehmer beauftragen Dritten zu Grunde liegt. Schließlich macht die Klagepartei selbst zur Begründung der Höhe der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend, dass der Fall rechtlich und tatsächlich besonders komplex sei. Warum dann für die Beklagte bereits 2010 ohne Kenntnis der Vertragsunterlagen des Klägers mit der SM allein auf Grundlage des Kündigungsschreibens und der Abtretungsanzeige alles offensichtlich hätte sein sollen, erschließt sich nicht.
Zudem verfügte die Beklagte dafür auch nicht über eine erzwingbare Möglichkeit. Sowohl die Abtretungsanzeige als auch die Abtretungserklärung, die der Kläger sogar selbst unterschrieben hatte, enthalten die ausdrückliche Aufforderung an die Versicherung, sich nur noch an die SM zu wenden und jegliche Korrespondenz mit ihr zu führen. Ein Anspruch der Beklagten gegen dieses Unternehmen auf Herausgabe des Kaufvertrags bestand aber nicht. Ob eine Kontaktaufnahme mit dem Kläger als (früherem) Versicherungsnehmer überhaupt zulässig ist, wenn dieser eine solche ausdrücklich ablehnt bzw. er Vollmacht zur Abwicklung erteilt und der Abwickler wie hier eine solche ablehnt, ist fraglich. Jedenfalls muss sich der Kläger die von ihm selbst in der Abtretungsanzeige unterzeichente Weisung zurechnen und entgegenhalten lassen. Auch muss er sich die entsprechende Weisung der SM nach den Grundsätzen der §§ 166, 278 BGB entgegenhalten lassen.
3. Im Übrigen kann sich die Beklagte jedenfalls auf die befreiende Wirkung des § 808 BGB berufen.
Die Beklagte hat nachgewiesen, dass die SM mit der Kündigung den Versicherungsschein im Original vorgelegt hat. Zwar hat sie das Original nicht mehr, die elektronische Speicherung des Originals reicht insofern aber aus. Im Übrigen hat der Kläger nicht in Abrede gestellt, dass er der SM das Original des Versicherungsscheins überlassen hat.
Bei dem streitgegenständlichen Versicherungsschein handelt es sich auch nach § 1 Nr. 1 AVB um ein qualifiziertes Legitimationspapier. Die Beklagte durfte daher -ungeachtet der Frage, ob eine etwaige Nichtigkeit des Kaufvertrags überhaupt auf das Erfüllungsgeschäft „durchschlägt“ – an die SM leisten. Bei der Beklagten lag, wie bereits dargelegt, auch weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis von der Nichtigkeit des Grundgeschäfts vor.
4. Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung der Beklagten stützen. Wie bereits ausgeführt fehlt es bereits an Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Beklagten von der Nichtigkeit des Grundgeschäfts.
4. Auch eine Beratungspflichtverletzung der Beklagten ist nicht ersichtlich. Der Kläger wollte seinen Vertrag offenbar aus wirtschaftlichen Gründen vor Ablauf der Vertragslaufzeit zum 01.06.2024 beenden, und damit einen möglichst hohen Wert realisieren. Dass eine solche vorzeitige Beendigung eines Lebensversicherungsvertrags mit Nachteilen verbunden ist, ist einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer bekannt. Offenbar wusste dies auch der Kläger, da er sich bewusst gegen eine Eigenkündigung entschloss, mit der er den Rückkaufswert hätte erhalten können, sondern sich für das Modell der SM entschied. Dass er dabei – nicht zuletzt auch wegen der Insolvenz der SM – tatsächlich deutlich weniger als den Rückkaufswert erlöste, war sein wirtschaftliches Risiko. Gleichzeitig musste ihm bewusst sein, dass die SM die Versicherung nicht ohne eigenen Gewinn erwerben würde, was zu dem Kaufpreis von insgesamt 8.107,50 € im Verhältnis zu dem ausgekehrten Rückkaufswert in Höhe von 9.157,16 € passt.
Bei der im Kaufvertrag gewählten Auszahlung von zwei Drittel des Kaufpreises nach acht Jahren hätte der Kläger das Geld immer noch deutlich vor Ablauf des Vertrages erhalten. Gleichzeitig ist für jeden durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer klar, dass er für die Dauer von acht Jahren das Insolvenzrisiko seines neuen Vertragspartners trägt, den er sich selbst anstelle des Versicherers – hier der Beklagten – ausgesucht hat. Die von dem Kläger eigenverantwortlich gewählte Kündigung der Lebensversicherung stellt sich damit als klassische Spekulation auf einen höheren Ertrag als den Rückkaufswert dar, was nur gelingen kann, wenn der neue Vertragspartner das Geld aus dem Rückkauf gewinnbringender anlegt als der Versicherer. Dass der Wechsel von einem eingesessenen Versicherungsunternehmen, das einer engmaschigen Versicherungsaufsicht unterliegt, zu einer GmbH, die jedenfalls anfänglich nur über ein Grundkapital von 25.000 € verfügte, risikobehaftet ist, ist offensichtlich.
Gegenstand der Beratungspflichten des Versicherers ist es jedenfalls nicht, den Versicherungsnehmer vor Geschäften mit Dritten zu schützen, die sich der Versicherungsnehmer selbst aussucht. Letztlich wünscht der Kläger eine Haftung der Beklagten dafür, dass er selbst eine eigenständige und eigenverantwortliche Entscheidung getroffen hat, die sich im Nachhinein als ein schlechtes Geschäft herausgestellt hat.
Darauf, dass ein etwaiger Schadensersatzanspruch angesichts des Beendigungswillens des Klägers wohl nicht auf Fortsetzung des Vertragsverhältnisses sondern allenfalls auf Auskehrung des Rückkaufswertes im Zeitpunkt der Kündigung gerichtet sein könnte, und sich der Kläger jedenfalls die von der SM sofort ausgekehrten 2.702,50 € anrechnen lassen müsste, kommt es daher bereits nicht mehr an.
5. Im Übrigen wären Ansprüche des Klägers jedenfalls verjährt, §§ 194 Abs. 1, 195, 199 Abs. 1 BGB. Dem Kläger waren alle anspruchsbegründenden Tatsachen bereits bei Abschluss des Vertrages mit der S& K am 10.09.2010 bekannt. Insbesondere war der Kaufvertrag auf eine zeitnahe Kündigung des Versicherungsvertrages durch die S. gerichtet. Damit ist mit Ablauf des 31.12.2013 Verjährung eingetreten.
6. Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Im Übrigen erfolgte die erste Kontaktaufnahme in der Sache durch den Prozessbevollmächtigten, so dass dieser bereits vor einem etwaigen Verzug mandatiert war. Auf die Frage, ob eine 1,5 Gebühr angemessen war, kam es daher bereits nicht mehr an.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
IV.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3, 4 ZPO, 39, 48 GKG. Anzusetzen war insofern die vom Kläger vorgetragene Versicherungssumme mit einem Feststellungsabschlag von 20%.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen

Europarecht

Schadensersatz, Ermessensentscheidung, Aussetzungsantrag, Kommission, Aussetzung, Fahrzeug, Vorabentscheidungsverfahren, Zeitpunkt, Beschwerde, Verfahren, Schriftsatz, Rechtssache, EuGH, Anspruch, Aussetzung des Rechtsstreits, erneute Entscheidung
Mehr lesen