Aktenzeichen M 10 S 16.31426
Leitsatz
Nach der Auskunftslage ist davon auszugehen, dass der albanische Staat willens und in der Lage ist, von Dritten verfolgte Staatsangehörige zu schützen. Jedenfalls steht ihnen bei einer Rückkehr ausreichender interner Schutz zur Verfügung. (redaktioneller Leitsatz)
Zur Substantiierung des Vorbringens einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung ist regelmäßig die Vorlage eines fachärztlichen Attestes erforderlich, aus dem sich ergibt, auf welcher Grundlage die Diagnose beruht und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt; hierzu gehören auch Angaben darüber, seit wann und wie häufig die ärztliche Behandlung stattfand und ob die Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden sowie Angaben über Schwere, Behandlungsbedürftigkeit und bisherigen Behandlungsverlauf. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird für dieses Verfahren abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den Bescheid des Bundesamtes für … (im Folgenden: Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
Hinsichtlich des Sachverhalts nimmt das Gericht zunächst Bezug auf die Feststellungen des angefochtenen Bescheids des Bundesamts vom 7. Juni 2016, denen es folgt, § 77 Abs. 2 AsylG. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 16. Juni 2016 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 17. Juni 2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben (Az. M 10 K 16.31424) mit den Anträgen, den Bescheid des Bundesamtes vom 7. Juni 2016 in den Ziffern 1 und 3 bis 7 aufzuheben sowie die Antragsgegnerin zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen bzw. zu verpflichten, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und die Antragsgegnerin zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen.
Gleichzeitig hat er beantragt,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung nimmt der Antragsteller Bezug auf seine Angaben gegenüber dem Bundesamt. Im Übrigen verweise er darauf, dass er in der kommenden Woche einen Termin für eine psychiatrische Untersuchung habe.
Die Antragsgegnerin übersandte am 20. Juni 2016 die Behördenakte.
Am 29. Juni 2016 legte der Antragsteller verschiedene Dokumente in albanischer Sprache, eine Sterbeurkunde in deutscher Sprache und ein fachärztliches Attest des Neurozentrums … vom 23. Juni 2016 vor, die seine Ausreise und den hier gestellten Asylantrag begründen würden.
Am 15. Juli 2016 hat der Antragsteller eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe mit mehreren Belegen vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte (auch im Verfahren M 10 K 16.31424) und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung gegen die im streitgegenständlichen Bescheid vom 7. Juni 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen, hat keinen Erfolg. Der Antrag ist unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG).
Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. = juris Rn. 86 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann. Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – juris Rn. 15).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidung bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand erscheint es als offensichtlich, dass dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte nicht zusteht.
Das Gericht folgt den Feststellungen sowie der Begründung im angefochtenen Bescheid und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Albanien ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – Rn. 65). Gegen die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken (vgl. VG Berlin, B.v. 22.12.2015 – 33 L 357.15 A – juris Rn. 13 ff.; VG München, B.v. 1.3.2016 – M 17 S 16.30322). Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet.
Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigte oder als Flüchtlinge rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag des Antragstellers nicht erkennbar.
Vielmehr handelt es sich, den Vortrag des Antragstellers als wahr unterstellt, nicht um eine Verfolgung wegen asylerheblicher Merkmale, sondern um eine Bedrohung durch Dritte. Es ist nach der Auskunftslage davon auszugehen, dass der albanische Staat willens und in der Lage ist, von Dritten verfolgte Staatsangehörige zu schützen. Jedenfalls steht ihnen bei einer Rückkehr in Anwendung von § 3d, § 3e AsylG ausreichender interner Schutz zur Verfügung (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand Mai 2015 vom 10. Juni 2015). Darüber hinaus hat der Antragsteller zugestanden, dass er selbst nicht bedroht worden sei und dass der Mörder seines Vaters auch vom Gericht verurteilt worden und im Gefängnis gewesen sei.
Eine Ablehnung des Schutzantrages als offensichtlich unbegründet ist damit nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG gerechtfertigt.
Die Ablehnung der Zuerkennung subsidiären Schutzes ist ebenfalls nicht zu beanstanden; denn wie ausgeführt kann der Antragsteller ausreichenden internen Schutz in Albanien vorfinden (§ 4 Abs. 3 i. V. m. § 3d, § 3e AsylG).
Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) sind solche hier für den Antragsteller nicht ersichtlich.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betreffende Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen, z. B. auch aus finanziellen Gründen, tatsächlich nicht erlangen kann (vgl. BVerwG, B.v. 17.8.2011 – 10 B 13/11 – juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris Rn. 34). Eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustandes ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (vgl. OVG NRW, B.v. 30.12.2004 – 13 A 1250/04.A – juris Rn. 56 m. w. N.). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss die Krankheit ferner substantiiert vorgetragen sein, wozu regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes gehört, aus dem sich nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8/07 – juris Rn. 15).
Besondere Voraussetzungen gelten auch für die Darlegung psychischer Erkrankungen. Auch dann gehört zur Substantiierung des Vorbringens einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes und seiner vielfältigen Symptome regelmäßig die Vorlage eines den Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (vgl. BVerwG, B.v. 26.7.2012 – 10 B 21.12 – juris Rn. 7; U.v. 11.9.2007 – 10 C 8/07 – juris Rn. 15).
In Anwendung dieser Maßstäbe kann im vorliegenden Fall von einem zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis nicht ausgegangen werden. Das vom Antragsteller vorgelegte ärztliche Attest genügt den vorgegebenen Mindestanforderungen bei Weitem nicht. Dieses enthält lediglich die Diagnose, dass beim Antragsteller eine Posttraumatische Belastungsstörung vorliegt, benennt das verschriebene Medikament und empfiehlt die Aufnahme einer Psychotherapie.
Dass dem Antragsteller unmittelbar nach seiner Rückkehr eine wesentliche Verschlechterung seiner Erkrankung oder gar ein lebensbedrohlicher Zustand droht, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Aus dem bislang vorgelegten ärztlichen Attest geht nicht hervor, dass im Falle der Rückkehr die Gefahr besteht, dass sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d. h. dass trotz der dort vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten, wenn auch möglicherweise nicht unmittelbar im Herkunftsort des Antragstellers, eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankungen alsbald nach der Rückkehr droht.
Auch wenn der Antragsteller – wie in dem Attest ausgeführt – an einer PTBS leiden sollte, begründet dies keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Insbesondere zur Behandlung von PTBS verwendete Medikamente sind regelmäßig in Albanien erhältlich und die Kosten hierfür werden von der staatlichen Krankenversicherung getragen. Auch wäre dem Antragsteller zumindest in Teilen Albaniens i. S.v. § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG eine Psychotherapie möglich. Insbesondere in Tirana sind Psychologen und Psychotherapeuten niedergelassen, Nichtregierungsorganisationen ansässig, die Dienstleistungen für psychisch kranke Personen anbieten, und gut ausgestattete Privatkliniken vorhanden (vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland; Auskunft vom 29. März 2013, Frage 15; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 6 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13).
Damit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 35 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Der Antrag war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Vor diesem Hintergrund war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).