Aktenzeichen M 5 E 16.421
Leitsatz
Im Streit um eine Stellenbesetzung fehlt ein Anordnungsgrund iSd § 123 VwGO, wenn sich die Position eines Bewerbers durch die Schaffung endgültiger Verhältnisse nicht mehr negativ verändern kann. Dies ist der Fall, wenn unwiderruflich ein Beschäftigungsverhältnis mit einem Mitbewerber begründet worden ist (ebenso BayVGH BeckRS 2009, 41460). (redaktioneller Leitsatz)
Ein Beförderungsdienstposten darf nur unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Leistungsgrundsatzes vergeben werden. Dies gilt nicht für eine reine Dienstpostenkonkurrenz. (redaktioneller Leitsatz)
Im Falle einer reinen Dienstpostenkonkurrenz trifft der Dienstherr seine Auswahlentscheidung nach weitem, allerdings pflichtgemäßem Ermessen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Zum Verfahren wird Frau …, beigeladen.
II.
Der Antrag wird abgelehnt.
III.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV.
Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die 1957 geborene Antragstellerin steht als Regierungsdirektorin (Besoldungsgruppe A 15) an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Diensten des Antragsgegners.
Mit Stellenausschreibung Nr. … vom 25. September 2015 schrieb die LfL eine Stelle als „…“ am Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) aus, das an die LfL angegliedert ist. Ausweislich der Stellenausschreibung werde unter anderem ein abgeschlossenes Hochschulstudium (Master, Diplom) der Ökotrophologie, Ernährungswissenschaften oder eine vergleichbare Qualifikation erwartet. Die tarifrechtliche Eingruppierung erfolge je nach Qualifikation und persönlichen Voraussetzungen. Es handele sich um einen Dienstposten mit Beförderungsmöglichkeiten bis zur Besoldungsgruppe A 15.
Auf die Stellenausschreibung bewarben sich vierzehn Bewerber, darunter neben der Antragstellerin noch zwei weitere interne Bewerber. Mit sieben Bewerbern, darunter die Antragstellerin, führte der Antragsgegner daraufhin am 2. Dezember 2015 ein strukturiertes Auswahlgespräch vor einer Bewerberkommission durch. Die Bewerberkommission wurde aus dem Leiter des KErn und zwei leitenden Beamten des Bereichs Personal beim Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie bei der LfL gebildet. Jedes Kommissionsmitglied gab dabei für sechs Themenmodule eine eigene Bewertung der jeweiligen Bewerber ab. Hierbei erzielte die Bewerberin Dr. E. bei allen Kommissionsmitgliedern die höchste Gesamtwertung (2 x 13,5 Punkte, 1 x 13 Punkte); die Antragstellerin wurde ebenfalls von allen Kommissionsmitgliedern auf Rangstelle 6 eingewertet (9,5 Punkte, 9 Punkte, 8,5 Punkte).
Ausweislich eines Entscheidungsvermerks des Leiters des KErn vom 11. Januar 2016 sei die Bewerberkommission aufgrund des Auswahlgesprächs unter Einbeziehung der vorgelegten Unterlagen und Zeugnisse zu einer Rangfolge von vier geeigneten Bewerbern gekommen, wobei sich die Bewerberin Dr. E. auf Rang 1 befinde. Weniger geeignet seien aufgrund der erreichten Punktzahl von unter 12 Punkten drei Bewerber – darunter die Antragstellerin.
Ausweislich eines Vermerks vom 1. Februar 2016 sei die Antragstellerin am 11. Januar 2016 vom Leiter des KErn in einem Gespräch informiert worden, dass sie nach der Entscheidung der Bewerberkommission nicht zum Zuge kommen werde. Nachdem der Personalrat am 25. Januar 2016 der beabsichtigten Entscheidung der Beurteilungskommission zugestimmt hatte, habe der Leiter des KErn am 26. Januar 2016 der Bewerberin Dr. E. den Zuschlag erteilt, woraufhin bereits am 27. Januar 2016 ein Arbeitsvertrag mit ihr abgeschlossen wurde.
Mit Schreiben des KErn vom 29. Januar 2016 wurde die Antragstellerin informiert, dass die fragliche Stelle anderweitig besetzt worden sei.
Mit Schreiben der LfL vom 1. Februar 2016 wurde ergänzend mitgeteilt, dass der erfolgreichen Bewerberin Dr. E. bereits am 26. Januar 2016 der Zuschlag erteilt worden sei.
Am 1. Februar 2016 hat die Antragstellerin im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt,
dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, den ausgeschriebenen Dienstposten „… am KErn in Kulmbach mit einem anderen Bewerber zu besetzen, zu beschäftigen und eine auf den streitbefangenen Dienstposten bezogene Ernennungsurkunde auszuhändigen, bevor nicht über die Bewerbung der Antragstellerin bestandskräftig entschieden worden ist.
Zur Sache wurde in mehreren Schriftsätzen, zuletzt vom 10. August 2016, Folgendes vorgetragen. Der streitgegenständliche Dienstposten stelle für die zum Zuge gekommene Mitbewerberin einen Beförderungsdienstposten dar. Die Stelle habe nicht an die Mitbewerberin Dr. E. vergeben werden dürfen, da die Antragstellerin erst am 26. Januar 2016 hierüber informiert worden sei. Der Dienstherr könne sich daher nicht auf den Grundsatz der Ämterstabilität berufen.
Im Übrigen könne der Dienstherr aus dienstlichen Gründen der Bewerberin Dr. E. eine andere Tätigkeit im Rahmen ihrer Entgeltgruppe zuweisen. Ungeachtet dessen könne die Bewerberin Dr. E. während der Dauer eines Hauptsacheverfahrens einen Bewährungsvorsprung erlangen, der im Rahmen einer erneuten Auswahlentscheidung zu berücksichtigen wäre. Hieraus ergebe sich ein Anordnungsgrund. Ein Anordnungsanspruch ergebe sich daraus, dass nach der vorliegenden Dokumentation nicht davon ausgegangen werden könne, dass die getroffene Auswahlentscheidung in rechtlich gebotener Weise durch Einbeziehung von dienstlichen Beurteilungen unter Beachtung des Leistungsgrundsatzes getroffen worden sei.
Demgegenüber hat die LfL für den Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Bei dem streitbefangenen Dienstposten handele es sich nicht um einen Beförderungsdienstposten. Die Auswahlentscheidung sei auf der Grundlage eines korrekt dokumentierten, strukturierten Interviews getroffen worden. Ein Anordnungsanspruch sei nicht ersichtlich. Es bestehe auch kein Anordnungsgrund. Die Stelle sei irrever-sibel anderweitig besetzt worden. Die Antragstellerin sei mündlich am 11. Januar 2016 darüber informiert worden, dass sie definitiv nicht zum Zug komme. Wenn sie erst am 1. Februar 2016 um Eilrechtsschutz nachsuche gehe das zu ihren Lasten.
Am 31. Mai 2016 erhob die Antragstellerin Klage (M 5 K 16.2455) gegen die Entscheidung des Kern vom 29. Januar 2016, über die noch nicht entschieden ist.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechts-verhältnis zulässig, wenn diese Regelung – vor allem bei dauernden Rechts-verhältnissen – notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, das heißt ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, das heißt die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Der Antragsteller hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
2. Die Antragstellerin hat – ungeachtet der hier nicht entscheidungserheblichen Frage, ob der Antragsgegner am 27. Januar 2016 den streitgegenständlichen Dienstposten endgültig besetzen durfte – weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
a) Ein Anordnungsgrund ist vorliegend zu verneinen, da die streitbefangene Stelle unwiderruflich mit Arbeitsvertrag vom 27. Januar 2016 mit der Beigeladenen besetzt worden ist. Die Rechtsposition der Antragstellerin erfordert es demgegenüber nicht mehr, einen etwaigen Rechtsverlust durch die Schaffung endgültiger Verhältnisse zu ihren Lasten zu verhindern (VG München, B.v. 6.7.2016 – M 5 E 16.2127 – juris, Rn. 20; BayVGH, B.v. 20.5.2008 – 3 CE 08.702 – juris, Rn. 40 sowie OVG Schleswig, B.v. 11.12.2014 – 2 MB 28/14 – juris, Rn. 8).
Auch aus dem Gesichtspunkt eines etwaigen Bewährungsvorsprungs auf dem streitbefangenen Dienstposten ergibt sich vorliegend kein Anordnungsgrund, da dieser Gesichtspunkt primär im Anwendungsbereich des Leistungsgrundsatzes bzw. der Bestenauslese Bedeutung erlangen kann.
Vorliegend geht es jedoch nicht um die Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens (Beförderungsdienstposten), der nur unter Beachtung des Leistungsgrundsatzes vergeben werden darf (Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland – GG, Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der Bayerischen Beamten und Beamtinnen/Leistungslaufbahngesetz – LlbG), sondern um eine reine Dienstpostenkonkurrenz. Die umstrittene Stelle bietet weder für die Antragstellerin – die bereits ein Amt der Besoldungsgruppe A 15 innehat – noch für die Beigeladene eine Beförderungsmöglichkeit. Für die Beigeladene als externe Bewerberin erfolgte die Einstellung als Angestellte im öffentlichen Dienst nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) entsprechend der Stellenausschreibung nach ihrer Qualifikation und ihren persönlichen Voraussetzungen.
Mit der Übertragung des Dienstpostens ist somit weder ein beruflicher Aufstieg, noch eine Statusänderung verbunden (VG München, B.v. 24.10.2014 – M 5 E 14.3405 – juris, Rn. 18 ff.; BayVGH, B.v. 10.8.2012 – 3 CE 12.1392 – juris, Rn. 27).
b) Darüber hinaus fehlt es an einem Anordnungsanspruch.
Bei einer reinen Dienstpostenkonkurrenz, bei der Einstellungsbewerber (wie die Beigeladene) und Versetzungsbewerber (wie die Antragstellerin) konkurrieren, muss die Auswahlentscheidung nur den Anforderungen an die Ausübung eines sehr weiten, allerdings pflichtgemäßen Ermessens genügen und darf sich nicht als willkürlich darstellen (BayVGH, B.v. 10.8.2012 – a. a. O.).
Vorliegend wurde die Auswahlentscheidung unter Einbeziehung der vorgelegten Bewerbungsunterlagen (wie die Kommissionsmitglieder in entsprechenden Vermerken angegeben haben) entscheidend auf ein in Form eines strukturierten Interviews durchgeführtes Auswahlgespräch gestützt. Dieses gliederte sich für alle Bewerber nach einer Übersicht in sechs verschiedene, themenbezogene Module, für die jeweils ein konkreter Zeitbedarf vorgegeben wurde. Im Rahmen einer individuellen Bewertungsmatrix hat dann jedes der drei Mitglieder der Bewerberkommission jeden Themenkomplex jedes Bewerbers mit Einzelpunkten bewertet (Vorgabe hierfür: „3 Punkte = gut geeignet, 2 Punkte = geeignet, 1 Punkt = bedingt geeignet, 0 Punkte = nicht geeignet, auch 0,5 Punkte können vergeben werden“).
Dieses System der Bewertung der Auswahlgesprächsbeiträge ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch wenn die Gesprächsbeiträge der einzelnen Bewerber nicht schriftlich dokumentiert sind, ist durch die Aufgliederung in Einzelmodule und deren jeweils gesonderte Punktebewertung durch jedes einzelne Kommissionsmitglied die vorgenommene Bewertung der einzelnen Bewerber noch hinreichend transparent und nachvollziehbar. Jedenfalls genügt diese Vorgehensweise den (nicht an Art. 16 Abs. 1 Satz 4 LlbG zu messenden) Anforderungen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung.
Die beigeladene Bewerberin Dr. E. hat hierbei mit 13 bzw. 13,5 Punkten von allen Mitgliedern der Bewerberkommission jeweils die höchste Gesamtpunktzahl erhalten, während die Antragstellerin mit 8,5, 9,0 und 9,5 Punkten auf Rangstelle 6 eingewertet wurde. Die so ermittelte Rangstelle 1 für die beigeladene Bewerberin Dr. E., die für die Auswahlentscheidung maßgeblich gewesen ist, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO abzulehnen.
Die nach § 65 Abs. 2 VwGO beigeladene ausgewählte Bewerberin hat ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).