Handels- und Gesellschaftsrecht

Berufung, Beweisantrag, Berufungsverfahren, Beurteilung, Darlegungslast, Klage, Schriftsatz, Reduzierung, Hinweis, Kostenentscheidung, Streitwert, Bedeutung, AG, Rechtsfrage, abweichende Beurteilung, Interesse der Allgemeinheit, unerlaubten Handlung

Aktenzeichen  8 U 2990/19

Datum:
22.11.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 54925
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

4 O 1168/18 2019-05-17 LGPASSAU LG Passau

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Passau vom 17.05.2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 30.000.- Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussweg als unbegründet zurückzuweisen, da der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Der Senat hält das Urteil des Landgerichts zumindest im Ergebnis für offensichtlich zutreffend. Er nimmt auf das angefochtene Urteil Bezug. Bezug genommen wird ferner auf die Hinweise des Senats vom 22.10.2019, wonach er die Berufung i.S.v. § 522 Abs. 2 ZPO für unbegründet hält. Der weitere Schriftsatz vom 20.11.2019 bot keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung:
a) Soweit die Klägerin nunmehr im Berufungsverfahren neu vorträgt, ist vorauszuschicken, dass die der Klägerin eingeräumte Frist zur Stellungnahme gem. § 522 II 2 ZPO nicht etwa eine Art „zweite Berufungsbegründung“ ermöglicht. Soweit in dem weiteren Schriftsatz im Berufungsverfahren neue Angriffs- und Verteidigungsmittel enthalten sind, sind diese deshalb gem. §§ 530, 296 I ZPO zwingend zurückzuweisen (vgl. z.B. Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 530 Rnr. 4; Rimmelspacher in: Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Auflage 2007, § 522 Rnr. 26). Darauf hatte der Senat als nobile officium auch bereits in seinen Allgemeinen Verfahrenshinweisen ausdrücklich aufmerksam gemacht. Auch das verspätete Vorbringen hätte aber keine andere Entscheidung gerechtfertigt:
b) Die Klägerin scheint nach wie vor nicht zwischen der Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs, der Beklagten, und der Herstellerin des streitgegenständlichen Motors, der VW AG, zu unterscheiden. Denn anders ist nicht zu erklären, dass sie Dr. W. für den „ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten“ hält. Wie bereits im Hinweis ausgeführt, wären dessen etwaige Kenntnisse der Beklagten jedenfalls im Rahmen einer unerlaubten Handlung ebensowenig zuzurechnen wie jene des nunmehrigen Vorstandsvorsitzenden von VW (Herr D.). Außerdem fehlt es auch insoweit noch an hinreichend konkreten Anhaltspunkten dafür, dass die behaupteten Kenntnisse bei VW bereits zur Zeit des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs am 31.10.2014 bestanden haben, sowie an geeigneten Beweismitteln. Denn selbst wenn man der Beklagten eine sekundäre Darlegungslast auferlegen würde, wofür hier aber keine hinreichenden Anhaltspunkte beistehen, würde dies nicht zu einer „sekundären Beweislast“ der Beklagten führen.
c) Soweit sich die Klägerin noch auf § 291 ZPO beruft, sei angemerkt, dass nach dieser Vorschrift über die betroffene Behauptung nur kein Beweis zu erheben ist. § 291 ZPO hebt aber den Beibringungsgrundsatz nicht auf. Auch offenkundige Tatsachen darf das Gericht daher grundsätzlich nicht von Amts wegen einführen (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 291 ZPO, Rn. 2a). Im Übrigen ist nach Kenntnis des Senats zumindest bisher auch keineswegs allgemeinkundig, dass Bedienstete der hiesigen Beklagten vor dem 31.10.2014 Kenntnis von der Manipulation des von VW hergestellten Motors Typ EA 189 hatten.
d) Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des hier maßgebenden § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO kommt der Sache nicht zu. Das ist nur dann der Fall, wenn sie eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann, und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BVerfG, Beschluss vom 04.11.2008, Gz. 1 BvR 2587/06, Rnr. 19). Das ist hier nicht der Fall. In der Rspr. der obersten Bundesgerichte ist bereits geklärt, dass ein Beweisantrag dann zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis wird, wenn die beweispflichtige Partei – wie hier die Klägerin – Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt, ohne wenigstens greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts aufzuzeigen (BAG, 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BeckRS 2013, 74786 Rn. 82; ähnlich BGH, Beschluss vom 26. März 2019 – VI ZR 163/17; OLG Koblenz, Urteil v. 18.06.2019, Az.: 3 U 416/19, Rz. 32; vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 29.08.2019 – 8 U 1449/19, WM 2019, 1937).
Eine relevante Divergenz ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die von der Klägerin angeführten Entscheidungen betreffen wohl durchgehend VW als Beklagte und im Übrigen überwiegend kaufrechtliche Ansprüche. Das angesprochene Verfahren OLG München 24 U 797/19 betraf zwar z.B. auch einen Audi Q3 2.0 TDI, aber mit der VW AG als Beklagter, die dort auch verurteilt wurde. Insofern dürfte die Klägerin dann wohl schlicht den Falschen verklagt haben. Außerdem würden selbst – zumindest bisher allerdings noch nicht ersichtliche – unterschiedliche tatrichterliche Auslegungen nicht zwangsläufig zu einer Divergenz im Sinne des Revisionsrechts führen. Gelangt ein Berufungsgericht im Einzelfall trotz identischen Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis als ein anderes gleich- oder höherrangiges Gericht, so begründet dies für sich allein nicht die Notwendigkeit der Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine Divergenz in Rechtsfragen oder ein Rechtsfehler mit symptomatischer Bedeutung vorliegt (BGH MDR 2004, 168). Beides ist hier nach Einschätzung des Senats nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Zum Streitwert vgl. Hinweis.
1. Beschluss an PV
2. Schlussbehandlung

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen

Europarecht

Schadensersatz, Ermessensentscheidung, Aussetzungsantrag, Kommission, Aussetzung, Fahrzeug, Vorabentscheidungsverfahren, Zeitpunkt, Beschwerde, Verfahren, Schriftsatz, Rechtssache, EuGH, Anspruch, Aussetzung des Rechtsstreits, erneute Entscheidung
Mehr lesen