Europarecht

Erfolglose Klage gegen rechtmäßige bauaufsichtliche Anordnungen bezüglich Beseitigung von Mängeln in einem Wohngebäude

Aktenzeichen  W 5 K 17.18

Datum:
18.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 35881
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 1, Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1, § 114 S. 1, § 167
FeuV § 7, § 8, § 40
BayBO Art. 2 Abs. 1 S. 1, Art. 3 Abs. 1 S. 1, Art. 40, Art. 54 Abs. 4
BayVwVfG Art. 39 Abs. 1 S. 2, Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Art. 46
LStVG Art. 8
VwZVG Art. 29, Art. 30, Art. 31, Art. 36
ZPO § 708 Nr. 11, § 711

 

Leitsatz

Voraussetzung für die Anwendung des Art. 54 Abs. 4 BayBO ist, dass die Anforderung zur Abwehr von erheblichen Gefahren, die Leben und Gesundheit betreffen, notwendig ist, wobei das Vorliegen einer abstrakten Gefahr genügt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist. Die Anordnungen des Landratsamts Bad Kissingen vom 1. Dezember 2016 sind – jedenfalls soweit sie noch angegriffen sind – nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Klägerseite kann mit ihren Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 1. Dezember 2016 nicht durchdringen.
Zwar ist dem Bevollmächtigten der Klägerin zuzubilligen, dass es im Sinne eines bürgerfreundlichen Verhaltens sowohl von Seiten des bevollmächtigten Bezirkskaminkehrers als auch der Bauaufsichtsbehörde zu begrüßen gewesen wäre, wenn von diesen im Rahmen einer sich über fast zwei Jahre hinziehenden Korrespondenz nicht lediglich pauschal auf frühere Mängelberichte verwiesen worden wäre und stattdessen auf konkrete Fragen auch konkrete Antworten gegeben worden wären. Möglicherweise hätte sich dadurch auch dieser Rechtsstreit vermeiden lassen. Letztlich kann dieses Verhalten im Vorfeld des Erlasses eines Verwaltungsaktes aber keinen Formfehler des streitgegenständlichen Bescheids auslösen, der zu dessen Aufhebung führen würde. Wenn die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids auch sehr knapp ausfällt, dürften wohl noch die Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG gewahrt sein, wonach in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Darüber hinaus spricht einiges dafür, dass selbst für den Fall, dass ein etwaiger Begründungsmangel nicht im Rahmen dieses gerichtlichen Verfahrens geheilt werden sollte (vgl. Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG), er unbeachtlich wäre, weil offensichtlich ist, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (vgl. Art. 46 BayVwVfG).
2. Die noch streitgegenständlichen Anordnungen in Ziffer 1 Buchst. c), d), e) und g) erweisen sich auch in materieller Hinsicht als rechtmäßig.
Die streitgegenständlichen Anordnungen finden ihre Rechtsgrundlage in Art. 54 Abs. 4 BayBO. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Befugnisnorm liegen vor. Das Landratsamt … hat zudem das ihm zustehende Ermessen erkannt und in pflichtgemäßer Weise davon Gebrauch gemacht, § 114 Satz 1 VwGO. Im Einzelnen:
Gemäß Art. 54 Abs. 4 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde bei bestandsgeschützten baulichen Anlagen Anforderungen stellen, wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig ist. Feuerungsanlagen sind selbst bauliche Anlagen nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO (vgl. Simon/Busse, BayBO, Stand 129. Erg.Lief. März 2018, Art. 40 Rn. 2). Unter den Begriff „Feuerungsanlagen“ fallen Feuerstätten und Abgasanlagen (vgl. Art. 40 Abs. 1 BayBO; vgl. auch Simon/Busse, BayBO, Art. 40 Rn. 5). Der Begriff „Anforderungen“ ist weit auszulegen. Dass der mögliche Inhalt der Anforderungen im Gesetz nicht näher festgelegt ist, ist verfassungsrechtlich nicht bedenklich, da die Vorschrift kraft Verfassungsrechts zum Inhalt hat, dass die Anforderungen nur rechtmäßig sind, wenn sie notwendig, zweckmäßig und verhältnismäßig sind und dem Gebot des geringstmöglichen Eingriffs genügen (Simon/Busse, BayBO, Art. 54 Rn. 166). Voraussetzung für die Anwendung des Art. 54 Abs. 4 BayBO ist es, dass die Anforderung zur Abwehr von erheblichen Gefahren, die Leben und Gesundheit betreffen, notwendig ist. Das Vorliegen einer abstrakten Gefahr genügt, d.h. ein Zustand, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine nicht nur entfernte Möglichkeit entstehender Schäden enthält (Simon/Busse, BayBO, Art. 54 Rn. 169). Eine derartige Gefahr ist hier bei den gegebenen Mängeln an der Feuerungsanlage der Klägerin zu bejahen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass der streitgegenständlichen Anordnungen vor. Im Einzelnen:
Die materiell-rechtlichen Anforderungen an Feuerungsanlagen, dies sind Feuerstätten und Abgasanlagen (vgl. Art. 40 Abs. 1 BayBO), ergeben sich im Wesentlichen aus Art. 40 BayBO sowie aus der auf Art. 80 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 sowie Abs. 6 BayBO beruhenden Feuerungsverordnung vom 11. November 2007 (GVBl. S. 800 – FeuV).
Gemäß Art. 40 Abs. 1 BayBO müssen Feuerstätten und Abgasanlagen betriebssicher und brandsicher sein. Feuerstätten dürfen in Räumen nur aufgestellt werden, wenn nach der Art der Feuerstätte und nach Lage, Größe, baulicher Beschaffenheit und Nutzung der Räume Gefahren nicht entstehen (Art. 40 Abs. 2 BayBO). Abgase von Feuerstätten sind durch Abgasleitungen, Kamine und Verbindungsstücke so abzuführen, dass keine Gefahren oder unzumutbaren Belästigungen entstehen. Abgasanlagen sind in solcher Zahl und Lage und so herzustellen, dass die Feuerstätten des Gebäudes ordnungsgemäß angeschlossen werden können; sie müssen leicht gereinigt werden können (Art. 40 Abs. 3 Satz 1, 2 und 3 BayBO). Die vg. Anforderungen gelten dann als erfüllt, wenn die einschlägigen technischen Regeln eingehalten sind (vgl. Simon/Busse, BayBO, Art. 40 Rn. 81). Weitere Einzelanforderungen ergeben sich aus der Feuerungsverordnung, der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen (1. BImSchV) und den Technischen Bestimmungen (DIN) (vgl. Simon/Busse, BayBO, Art. 40 Rn. 82).
Die streitgegenständlichen Feuerungsanlagen im Anwesen der Klägerin halten die einschlägigen technischen Regeln nicht ein. Im Einzelnen:
Soweit mit Ziffer 1 Buchst. c) gefordert wird, dass die schadhaften innenliegenden Reinigungstüren der Revisionsöffnungen des Heizungskamins sowohl an der Sohle als auch im Dachbodenbereich instand zu setzen bzw. zu erneuern sind, stellt dies auf die Feststellung des bevollmächtigten Bezirkskaminkehrers ab, wonach bei der Feuerstättenschau vom 10. Dezember 2014 die innenliegenden Reinigungstüren der Revisionsöffnungen des Heizungskamins sowohl an der Sohle als auch im Dachbodenbereich schadhaft waren. Nach § 7 Abs. 7 Nr. 5 FeuV müssen Schornsteine für die Reinigung Öffnungen mit Schornsteinreinigungsverschlüssen haben. Die Anordnung stützt sich auf Art. 40 Abs. 1 BayBO, der einen betriebssicheren und brandsicheren Zustand der Abgasanlagen, also auch des Kamins (Art. 40 Abs. 3 Satz 1 BayBO) verlangt. Wenn die Türen nicht repariert werden können, sind sie – wie in Ziffer 1 Buchst. c) gefordert – auszutauschen. Der Austausch hat sich nicht – wie die Klägerin pauschal vortragen lässt – erübrigt.
Die Anordnung in Ziffer 1 Buchst. d) des streitgegenständlichen Bescheids, wonach der Abstand der Schornsteinreinigungsöffnung im Dachboden zu den vorhandenen Bauteilen aus brennbaren Stoffen auf mindestens 40 cm zu erweitern ist, stellt ab auf § 8 FeuV, der Festlegungen trifft zu Abständen von Abgasanlagen zu brennbaren Bauteilen. Abgasanlagen müssen demnach zu Bauteilen aus brennbaren Baustoffen so weit entfernt oder abgeschirmt sein, dass an den genannten Bauteilen bei Nennleistung keine höheren Temperaturen als 85° C und bei Rußbränden in Schornsteinen keine höheren Temperaturen als 100° C auftreten können (vgl. Simon/Busse, BayBO, Art. 40 Rn. 131). Die Verbindungsstücke zu Schornsteinen müssen von Bauteilen aus brennbaren Baustoffen einen Abstand von mindestens 40 cm einhalten, wobei ein Abstand von 10 cm genügt, wenn die Verbindungsstücke mindestens 2 cm dick mit nichtbrennbaren Baustoffen mit geringer Wärmeleitfähigkeit ummantelt sind, vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 4 FeuV (Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand 128. Erg.Lief. Sept. 2018, Art. 40 Rn. 142a).
Nach Ziffer 1 Buchst. e) ist zwischen dem Rauchrohr der Einzelraumfeuerstelle im Erdgeschoss und der brennbaren Türverkleidung ein Abstand von mindestens 40 cm einzuhalten, bei doppelseitiger Ausführung des Rauchrohres mit 2 cm Isolierung kann der Abstand auf 10 cm verkürzt werden. Ausweislich des Mängelberichts des bevollmächtigten Bezirkskaminkehres R. soll diese Forderung gestützt sein auf § 8 Abs. 1 Ziffer 3 und § 8 Abs. 4 FeuV. § 8 Abs. 1 FeuV enthält jedoch – worauf der Bevollmächtigte der Klägerin schon gegenüber dem bevollmächtigten Bezirkskaminkehrer und der Behörde hingewiesen hat – keine Ziffer 3 Absatz 4 dieser Vorschrift regelt – worauf von Klägerseite ebenfalls ohne Reaktion der Behörde hingewiesen wurde -, dass für den Fall, dass bei Durchführungen von Abgasanlagen durch Bauteile aus brennbaren Baustoffen Zwischenräume verschlossen werden, dann nicht brennbare Baustoffe mit geringer Leitfähigkeit verwendet werden müssen und die Anforderungen des Absatz 1 erfüllt werden müssen. Diese Vorschriften können mithin erkennbar nicht auf die getroffene Anordnung herangezogen werden. Heranzuziehen ist vielmehr auch hier § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 4 FeuV (s.o.). Bei dem Rauchrohr handelt es sich um eine Verbindungsstück i.S.v. § 40 Abs. 3 Satz 1 FeuV, nämlich um eine Vorrichtung zwischen dem Abgasstutzen der Feuerstätte und dem Schornstein als dem senkrechten Teil der Abgasanlage (vgl. zur Begriffsdefinition Anlage 4 zu § 7 Nr. 23 der Kehr- und Überprüfungsverordnung). Wenn die Klägerseite hierzu vorbringt, dass sie sog. „Promatplatten“ bestellt habe und sie grundsätzlich beabsichtige diese einzubauen, aber noch nicht angebracht worden seien, vermag dies nichts an der Rechtmäßigkeit der Forderung der Behörde zu ändern.
Die Anordnung in Ziffer 1 Buchst. g), wonach die an der Schornsteingruppe angebrachten brennbaren Verkleidungen/Wandvertäfelungen so verändert werden müssen, dass ein Abstand von 5 cm (Hinterlüftung) zum Kamin eingehalten wird, wird gestützt auf § 8 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 FeuV. Nach dieser Vorschrift müssen Schornsteine zu Bauteilen aus brennbaren Stoffen einen Abstand von 5 cm einhalten (vgl. Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Art. 40 Rn. 142). Das völlig unsubstantiierte Vorbringen der Klägerseite, dass eine derartige bauliche Veränderung „grundsätzlich nicht/nur sehr schwer möglich“ sei und durch die Klägerin abgelehnt werde, vermag nichts an der Rechtmäßigkeit der getroffenen Anordnung zu ändern.
Der Rechtmäßigkeit der getroffenen Anordnungen steht auch kein nach § 114 Satz 1 VwGO im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zu beanstandender Ermessensfehler entgegen. Insbesondere genügen die getroffenen Anordnungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dies gilt auch für die Frage der Fristsetzung in Ziffer 1 Halbs. 1 der streitgegenständlichen Anordnungen. Die Kammer hat nicht den geringsten Zweifel daran, dass eine Frist von sechs Wochen ausreichend ist, um es der Klägerin zu ermöglichen, die ihr aufgezeigten Mängel zu beheben, zumal ihr die Mängel schon seit langer Zeit bekannt sind.
3. Die Androhung der Zwangsgelder in Ziffer 5, 6, 7 und 9 des streitgegenständlichen Bescheids findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung bestehen nicht, zumal Einwendungen hiergegen auch nicht vorgebracht wurden. Insbesondere sind sie ausreichend bestimmt. Die Höhe der jeweils angedrohten Zwangsgelder liegt mit 100,00 EUR bis 200,00 EUR im unteren Bereich des gesetzlich vorgegebenen Rahmens des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Keine Bedenken hat die Kammer hinsichtlich der in Ziffern 11 und 12 getroffenen Kostenentscheidung, zumal von Klägerseite insoweit keinerlei Einwendungen vorgebracht wurden.
4. Mithin war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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