Aktenzeichen 7 CE 18.10011
HZV § 54 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12
Leitsatz
1 Der Studienteilhabeanspruch gem. Art. 12 Abs. 1 iVm Art. 3 Abs. 1 GG beinhaltet den Anspruch auf Teilhabe an den vorhandenen Kapazitäten unter Zugrundelegung der vom Gesetzgeber und der im Rahmen der Lehrfreiheit von der Universität festgelegten konkreten Ausbildungsinhalte. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 § 54 Abs. 2 Nr. 1 HZV ist verfassungsgemäß, selbst wenn sich die Verweildauer der Patienten in den letzten Jahrzehnten verkürzt und damit die Zahl der tagesbelegten Betten bei Anwendung der Mitternachtszählung verringert hat. (Rn. 8 – 9) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Berechnung der Studienplatzkapazitäten erfolgt gem. § 54 Abs. 2 Nr. 1 HZV anhand der patientenbezogenen Kapazität aufgrund der Berechnungsmethode der sog. Mitternachtszählung und nicht der vorhandenen personalbezogenen Kapazität. Dabei sind sämtliche Patienten, zB teilstationäre Patienten und Privatpatienten, einzubeziehen. (Rn. 8 – 11) (redaktioneller Leitsatz)
4 Ein Anspruch auf Erhöhung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität durch Ausweitung der Ausbildung auf außeruniversitäre Krankenanstalten besteht nicht (BayVGH BeckRS 2014, 56735). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 3 E 17.18237 2018-02-28 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller, der an der Universität in Pécs (Ungarn) den vorklinischen Teil des Studiums der Humanmedizin abgeschlossen hat, begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten klinischen Fachsemester an der Ludwig-Maximilians-Universität München (Universität) nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2017/2018. Er macht geltend, die Universität habe ihre tatsächliche Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft.
Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat den Antrag mit Beschluss vom 28. Februar 2018 abgelehnt.
Der Antragsteller verfolgt im Wege der Beschwerde sein Rechtsschutzziel weiter. Er trägt im Wesentlichen vor, die Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität durch die in § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 der Hochschulzulassungsverordnung (HZV) vorgesehenen Parameter (15,5% der tagesbelegten Betten und Erhöhung um 50%) sei seit Jahren verfassungswidrig. Die Zählung der Betten nach den Mitternachtsbeständen und ohne Berücksichtigung von Patienten der Tageskliniken, Privatpatienten und ambulanten Patienten habe aufgrund der durch die Gesundheitsreformen verminderten Verweildauer im Krankenhaus zu erheblich niedrigeren Zulassungszahlen im klinischen Ausbildungsabschnitt geführt. Jedenfalls seien auch die Betten außeruniversitärer Krankenanstalten, die Studenten im Praktischen Jahr ausbilden, und die Patienten der Tageskliniken mitzuzählen. Zudem sei die Ausbildung „ausschließlich am Krankenbett“ überholt, weil eine erheblich höhere Zahl von Studenten auch durch die Nutzung neuer Medien, z.B. am „virtuellen Krankenbett“ ausgebildet werden könne. Die erhebliche Diskrepanz zwischen hohen personellen Ausbildungskapazitäten einerseits und der beschränkten patientenbezogenen Kapazität andererseits verletze den Antragsteller in seinem Studienzulassungsteilhabegrundrecht. Der Antragsgegner müsse sich außerdem ein Organisationsverschulden zurechnen lassen, weil er es unterlasse, weitere außeruniversitäre Krankenanstalten zur Ausbildung der Studierenden anzuwerben, wie das in § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HZV vorgesehen sei. Dass die geübte Ermittlung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität Verfassungsrecht verletze, zeige sich auch an der willkürlichen Überbuchung der festgesetzten Zulassungszahl.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Berechnungsunterlagen der Universität Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch des Antragstellers nicht.
1. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Universität ihre Ausbildungskapazität im klinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin (1. Klinisches Fachsemester) ausgeschöpft hat. Der Verwaltungsgerichtshof folgt den Gründen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbingen Folgendes zu bemerken:
a) Die Berechnung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität gemäß § 54 Abs. 1 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern (Hochschulzulassungsverordnung – HZV) vom 18. Juni 2007 (GVBl S. 401, BayRS 2210-8-2-1-1-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 28. April 2018 (GVBl S. 277), ist entgegen den Einwänden des Antragstellers nicht zu beanstanden. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (z.B. BayVGH, B.v. 19.9.2018 – 7 CE 18.10008 – BA S. 3 f.; B.v. 5.11.2015 – 7 CE 15.10362 u.a. – juris Rn. 19 ff. und Rn. 22; B.v. 12.6.2014 – 7 CE 14.10011 – juris Rn. 16; B.v. 12.6.2014 – 7 CE 14.10012 u.a. – juris Rn. 18 ff) ist die Berechnung der patientenbezogenen Kapazität gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1 HZV unter Zugrundelegung der Berechnungsmethode der Mitternachtszählung auch angesichts des Rückgangs der damit erfassten Patienten und der Einführung neuer Lehrmethoden verfassungsrechtlich unbedenklich.
Allein die Tatsache, dass sich die Verweildauer der Patienten in den letzten Jahrzehnten verkürzt und sich damit die Zahl der tagesbelegten Betten bei Anwendung der sog. Mitternachtszählung verringert hat, zwingt nicht dazu, die Art der Kapazitätsermittlung gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV zu ändern. Abgesehen davon wurden bei der Kapazitätsberechnung entgegen dem Vorbringen des Antragstellers auch die teilstationären Patienten, die nicht über Nacht in der Klinik bleiben, berücksichtigt, sowie die Privatpatienten. Ausschlaggebend für die ordnungsgemäße Ausbildung der Studierenden ist die Zahl der eine gewisse Zeit anwesenden (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV -„tagesbelegte Betten“), für die Ausbildung bereitstehenden Patienten, die Voraussetzung dafür ist, dass die Ausbildung am Krankenbett durchgeführt werden kann. Das Abstellen auf andere Parameter würde zu einer Änderung der Anforderungen an die Ausbildung der Studierenden, letztlich der Ausbildungsinhalte, führen. Der Teilhabeanspruch nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. mit Art. 3 Abs. 1 GG beinhaltet jedenfalls keinen Anspruch auf bestimmte Lehrinhalte oder die Veränderung gegenwärtiger Ausbildungsinhalte, auch wenn das zu höheren Ausbildungskapazitäten führen würde. Es besteht lediglich Anspruch auf entsprechende Teilhabe an den vorhandenen Kapazitäten unter Zugrundelegung der vom Gesetzgeber und der Universität als Inhaberin der Lehrfreiheit bestimmten Ausbildungsinhalte. Die Wahl der Ausbildungsmethoden und ihre Gewichtung innerhalb des Studiengangs unterliegen allein dem weiten Gestaltungsspielraum der Hochschule im Rahmen ihrer Lehrfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG). Entsprechendes gilt für die Entscheidung, ob eine Ausbildung an Intensiv- und Dialysebetten stattfinden kann und soll.
Anhaltspunkte für die Notwendigkeit und die Möglichkeit, allein die Berechnungsmethode, wobei es keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Berechnungsmethode gibt, ohne zugleich die materiellen Ausbildungsinhalte zu verändern, lassen sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.
b) Ferner kann sich aus der Größe des Personalkörpers, der für die Lehreinheit tätig ist, und damit aus der Größe der personalbezogenen Kapazität kein Anspruch ergeben, die patientenbezogene Kapazität anzupassen. Hierbei würde es sich um einen verfassungsrechtlich gerade nicht begründeten Anspruch auf Errichtung neuer Kapazitäten handeln. Im Übrigen könnte die Diskrepanz im Hinblick auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch dadurch beseitigt werden, dass eine „überflüssige“ personelle Kapazität verringert wird. Anhaltspunkte dafür, dass personelle Ressourcen ungenutzt bleiben und nicht etwa zur Patientenversorgung erforderlich sind, wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Universität von ihrer Organisationsgewalt missbräuchlich Gebrauch gemacht hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zahl der Patienten jedenfalls dann, wenn eine ausreichende Versorgung sichergestellt ist, nicht beliebig erhöht werden kann.
c) Bei der Heranziehung von außeruniversitären Lehrkrankenhäusern ist Voraussetzung, dass dort genügend Behandlungen durchgeführt werden, die sich zur Ausbildung der Studierenden im klinischen Teil des Studiengangs (§ 44 Abs. 3 Satz 1 HZV) eignen. Schon aus diesem Grund können die akademischen Lehrkrankenhäuser, in denen die Ausbildung im Praktischen Jahr stattfindet, nicht ohne weiteres zugleich zur Ausbildung im klinischen Teil des Studiums herangezogen und auf die patientenbezogene Kapazität angerechnet werden. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HZV erhöht sich die patientenbezogene Aufnahmekapazität nur dann, wenn in außeruniversitären Krankenanstalten tatsächlich Lehrveranstaltungen für den genannten Studienabschnitt vereinbarungsgemäß und auf Dauer durchgeführt werden. Eine Verpflichtung der Universität, zum Zweck der Erhöhung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität außeruniversitäre Krankenanstalten zur Durchführung von Lehrveranstaltungen zu gewinnen, gibt es entgegen der Annahme des Antragstellers nicht (vgl. BayVGH, B.v. 2.9.2014 – 7 CE 14.10172 u.a. – juris Rn. 14).
d) Entgegen dem Vortrag des Antragstellers sind die Überbuchungen nicht willkürlich vorgenommen worden. Sie sind vielmehr Konsequenz der (Sonder-)Regelung des § 36 Abs. 2 Satz 1 HZV, wonach Studierende der Ludwigs-Maximilians-Universität München nach erfolgreichem Abschluss des vorklinischen Teils des Studiengangs für den klinischen Teil des Medizinstudiums an dieser Universität (bzw. an der Technischen Universität München) immatrikuliert werden.
e) Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zu Recht von weiteren Ermittlungen abgesehen, weil die vom Antragsteller geforderte Vorlage weiterer Unterlagen, insbesondere verschiedener statistischer Daten, nicht entscheidungserheb-lich ist. Anhaltspunkte dafür, dass fehlerhafte Annahmen zugrunde gelegt worden sind und unter Zugrundelegung der Daten, deren Vorlage gefordert worden ist, ein anderes Ergebnis zu erwarten ist, wurden nicht vorgetragen.
2. Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, Anhang.).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).