Aktenzeichen 14 B 18.478
Leitsatz
Aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Mai 2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – (BVerfGE 145, 249) sind die generellen Bedenken, die gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Ruhensregelung ohne zeitliche Begrenzung erhoben wurden, überholt. (Rn. 18)
Verfahrensgang
M 21 K 07.5964 2009-03-20 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Der Verwaltungsgerichtshof kann gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten entsprechende Verzichtserklärungen abgegeben haben.
Die zulässige Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers, die richtigerweise als Anfechtungsklage auszulegen ist (§ 88 VwGO), zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23. April 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts war daher zurückzuweisen.
Gemäß § 69c Abs. 5 Satz 3, § 85 Abs. 6 Satz 2 und 4 BeamtVG in der mit dem Versorgungsgesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3926) geänderten und zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung (Mai 2007) geltenden Fassung – BeamtVG 2001 – ist vorliegend § 56 BeamtVG in der bis 31. Dezember 1991 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 12. Februar 1987 (BGBl I S. 570) – BeamtVG 1987 – bzw. (mit der Maßgabe des § 85 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 BeamtVG 2001) in der bis 30. September 1994 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S. 2218) – BeamtVG 1989 – anzuwenden. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BeamtVG 1987/1989 ruht das deutsche Ruhegehalt in bestimmter Höhe, wenn ein Ruhestandsbeamter aus der Verwendung im öffentlichen Dienst einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung eine Versorgung erhält; dies gilt auch, wenn der Beamte oder Ruhestandsbeamte bei seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung anstelle einer Versorgung einen Kapitalbetrag als Abfindung oder als Zahlung aus einem Versorgungsfonds erhält. Bei Zeiten, die bis zum 31. Dezember 1991 zurückgelegt sind, ruht das deutsche Ruhegehalt in Höhe des Betrags, der einer Minderung des Hundertsatzes von 2,14 für jedes im zwischen- oder überstaatlichen Dienst vollendete Jahr entspricht (§ 56 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1987 i.V.m. § 85 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 BeamtVG 2001). Bei Zeiten ab dem 1. Januar 1992 ruht das deutsche Ruhegehalt in Höhe des Betrags, der einer Minderung des Vomhundertsatzes von 1,0 für jedes im zwischen- oder überstaatlichen Dienst vollendete Jahr entspricht (§ 56 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1989 i.V.m. § 85 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 BeamtVG 2001). Bei dieser Berechnung des Ruhensbetrags wird auch die Dienstzeit bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung berücksichtigt, die über volle Jahre hinausgeht (§ 85 Abs. 6 Satz 4 BeamtVG 2001). Die auf dieser Basis von der Beklagten vorgenommene Berechnung wird im Einzelnen nicht mehr angegriffen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht insofern gemäß § 130b Satz 2 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den überzeugenden Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurück.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers ist ergänzend auszuführen:
1. Soweit der Kläger insbesondere unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 2013 – 2 C 47.11 – (ZBR 2014, 98) weiter der Auffassung ist, dass ein Endzeitpunkt für das Ruhen zu bestimmen und daher der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig sei, ist diese Auffassung nach Ergehen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Mai 2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – (BVerfGE 145, 249) überholt. In diesem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht § 55b Abs. 3 Satz 1 des Soldatenversorgungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Mai 1987 (BGBl I S. 843) – SVG 1987 – sowie in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S. 2218) – SVG 1989 – als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Die dortigen Ausführungen sind auf § 56 BeamtVG in den hier maßgeblichen Fassungen von 1987 und 1989 übertragbar, da dieser im Grundsatz inhaltsgleich mit der vom Bundesverfassungsgericht als grundrechtskonform eingestuften Vorschrift (in den Fassungen von 1987 und 1989) ist. Das Bundesverfassungsgericht teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesverwaltungsgerichts bezüglich einer Ruhensregelung ohne zeitliche Begrenzung wie die vorliegende nicht. Es ist der Auffassung, dass auch die möglicherweise nachteiligen Konsequenzen einer ohne zeitliche Begrenzung („Deckelung“) ausgesprochenen Ruhensanordnung nicht zu einem Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG führe. Denn der Gesetzgeber habe davon ausgehen dürfen, dass eine am Ende der Auslandsdienstzeit ausgezahlte Kapitalabfindung im Hinblick auf die damit verbundenen vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten für ihren Empfänger einen wirtschaftlichen Wert aufweisen oder erreichen könne, der bei typischem Verlauf auch durch eine zeitlich nicht eingeschränkte Addition von Ruhensbeträgen nicht überschritten werde; zusätzlich habe der Betroffene die Wahl gehabt, die Abfindung an seinen Dienstherrn auszukehren und sich auf diese Weise einen ungekürzten Versorgungsanspruch zu sichern (BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249 Rn. 85 ff.). Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Gesetzgeber durch Art. 33 Abs. 5 GG nicht verpflichtet sei, die für eine zwischen- oder überstaatliche Einrichtung geleistete Dienstzeit überhaupt als ruhgehaltfähig einzustufen, werde damit die amtsangemessene Alimentation des Versorgungsempfängers insgesamt nicht gefährdet; auch der Gesichtspunkt der Systemkonformität führe zu keinem anderen Ergebnis (BVerfG, B.v. 23.5.2017 a.a.O. Rn. 90 ff.). Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege ebenfalls nicht vor. Die Ungleichbehandlung im Vergleich zu Empfängern laufender Versorgungsleistungen sei durch Sachgründe gerechtfertigt. Letztere hätten keine Möglichkeit, vor dem Eintritt in den Ruhestand mit Hilfe des Abfindungsbetrags wirtschaftliche Erträge zu erzielen und das Nutzungspotential der Abfindung auszuschöpfen. Das Fehlen einer Begrenzung der Ruhensanordnung im Falle der Kapitalabfindung stelle eine pauschalierte Kompensation des Nutzungsvorteils dar, während die Gefahr einer Unteralimentierung durch die Ablieferung der Abfindung zuverlässig vermieden und durch eine wirtschaftlich erfolgreiche Verwendung der Abfindung minimiert werden könne; die sofortige Erweiterung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit werde durch eine erweiterte Ruhensregelung kompensiert, aber nicht überkompensiert (BVerfG, B.v. 23.5.2017 a.a.O. Rn. 98 ff.). Aufgrund dieser Rechtsprechung sind die generellen Bedenken, die gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Ruhensregelung ohne zeitliche Begrenzung erhoben wurden (vgl. insb. BVerwG, U.v. 27.1.2011 – 2 C 25.09 – Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 1 Rn. 10 ff.; U.v. 5.9.2013 – 2 C 47.11 – ZBR 2014, 98 Rn. 10 ff./18), überholt.
2. Soweit der Kläger im Hinblick auf das „Günstigkeitsprinzip“ die Anwendung einer später eingeführten Kappungsgrenze bzw. eine Vergleichsberechnung entsprechend der später geltenden Gesetzeslage (vgl. etwa § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG 2001) fordert, widerspricht dies der strengen Gesetzesbindung der beamtenrechtlichen Versorgung (vgl. § 3 Abs. 1 BeamtVG). Deswegen verbietet sich in aller Regel eine ausdehnende Auslegung der Vorschriften über ihren Wortlaut hinaus oder eine Analogie (BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249 Rn. 75; BVerwG, U.v. 27.1.2011 – 2 C 25.09 – Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 1 Rn. 11 m.w.N.).
Eine Kappungsgrenze, wie sie für eine laufende Versorgungsleistung in § 56 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG 1987/1989 vorgesehen ist, enthält die Bestimmung für Kapitalabfindungen nicht, da § 56 Abs. 2 BeamtVG 1987/1989 hierauf nicht verweist. Eine über den Wortlaut hinausgehende erweiternde Auslegung der Verweisung in § 56 Abs. 2 BeamtVG 1987/1989, die diese auch auf § 56 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG 1987/1989 erstreckte, verbietet sich aber aus o.g. Gründen (BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249 Rn. 75).
Auch eine vergleichsweise durchzuführende Berechnung für eine fiktive Verrentung des Kapitalbetrags, wie sie etwa § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG 2001 enthält, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die gemäß dieser Bestimmung vergleichsweise durchzuführende Berechnung für eine fiktive Verrentung des Kapitalbetrags steht unter dem Vorbehalt des § 69c Abs. 5 Satz 3 BeamtVG 2001, wonach § 85 Abs. 6 BeamtVG 2001 (mit Ausnahme für erstmals ab dem 1. Januar 1999 zurückgelegte Zeiten) unberührt bleibt; diese für am 31. Dezember 1991 vorhandene Beamte wie den Kläger geltende Übergangsregelung bestimmt, wie oben bereits ausgeführt, dass bei Zeiten, die bis zum 31. Dezember 1991 zurückgelegt sind, § 56 BeamtVG in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung (also die von 1987) und für nach diesem Zeitpunkt zurückgelegte Zeiten § 56 BeamtVG in der vom 1. Januar 1992 an geltenden Fassung (also die von 1989) anzuwenden ist, letztere mit der Maßgabe, dass der (günstigere) Vomhundertsatz von 1,0 gilt. Die von der Beklagten vergleichsweise durchgeführte Berechnung für eine fiktive Verrentung des Kapitalbetrags ist daher für die hier vorliegende Rechtslage ohne Bedeutung und die vom Kläger hiergegen vorgetragenen Bedenken gehen ins Leere.
Mit seiner Berufung auf das „Günstigkeitsprinzip“ verkennt der Kläger im Übrigen, dass eine Bewertung der Kapitalabfindung beschränkt auf ihren Nennwert oder ihren dynamisierten und verrenteten Wert die Abfindung ohne überzeugenden Grund auf den Typus einer kapitalbildenden Lebensversicherung mit Einmalbeitrag und Auszahlung in Form einer Rente verengen würde, und dabei nicht berücksichtigt würde, dass der wirtschaftliche und damit wertprägende Vorteil der Kapitalabfindung gerade in ihrer Vielseitigkeit besteht, die eine dauerhafte Sicherung eigener Art ermöglicht und auch die Möglichkeit einschließt, dass ein subjektiver Nutzen der Abfindung für den Empfänger so gewichtig ist, dass er (spätere) wirtschaftliche Nachteile dafür in Kauf zu nehmen bereit ist (BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249 Rn. 100).
3. Ebenfalls ins Leere geht der klägerische Einwand, es hätte nicht der Gesamtkapitalbetrag (einschließlich Eigenanteil) zugrunde gelegt werden dürfen. Dies gilt schon deshalb, weil die Höhe des Kapitalbetrags bei der hier maßgeblichen Rechtslage keine Rolle spielt (BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249 Rn. 4, 102); im Übrigen begegnet der Ansatz des Gesamtkapitalbetrags grundsätzlich auch keinen rechtlichen Bedenken (vgl. schon BVerwG, U.v. 27.3.2008 – 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29 Rn. 19 ff.).
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Nichtzulassung der Revision: § 132 VwGO, § 127 BRRG.