Steuerrecht

Keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bei der Versäumung der Jahresfrist zur Einreichung von Beihilferechnungen

Aktenzeichen  W 1 K 18.645

Datum:
24.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20074
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV § 18, § 48 Abs. 6
BayVwVfG Art. 1 Abs. 1, Art. 32
BayBG Art. 96 Abs. 3 lit. a

 

Leitsatz

1. Bei der Antragsfrist des § 48 Abs. 6 BayBhV handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, deren Nichtbeachtung den Beihilfeanspruch zum Erlöschen bringt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Erkrankung kann eine Fristversäumung bei der Prüfung der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nur dann entschuldigen, wenn sie so schwer war, dass der Betroffene weder selbst handeln konnte noch imstande war, einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen und im gebotenen Umfang zu informieren. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage, über die nach beiderseitigem Einverständnis ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Beihilfe für die geltend gemachten Arzneimittelkosten nach Art. 96 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) i.V.m. § 18 Bayerische Beihilfeverordnung (BayBhV) in der Fassung vom 1. September 2017, da die Jahresfrist nach § 48 Abs. 6 Satz 1 BayBhV versäumt wurde. Überdies steht dem Kläger kein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 32 BayVwVfG zu. Vielmehr ist der Bescheid des Beklagten vom 20. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2018 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Das Klagebegehren ist nach § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Kläger unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 20. April 2018 sowie des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2018 die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung einer Beihilfe für die Arzneimittelaufwendungen vom 19. April 2017 beantragt sowie – inzident – die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 32 BayVwVfG.
1. Der Anspruch auf Gewährung von Beihilfeleistungen für die streitgegenständlichen Aufwendungen ist wegen Versäumung der Jahresfrist nach § 48 Abs. 6 Satz 1 BayBhV erloschen.
Bei der Antragsfrist des § 48 Abs. 6 BayBhV handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, deren Nichtbeachtung den Beihilfeanspruch zum Erlöschen bringt (vgl. BayVGH, B.v. 15.9.2010 – 14 ZB 10.1096 – juris; Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Länder und Kommunen, Bd. 2, § 48 Anm. 10). Die Ausschlussfrist des § 48 Abs. 6 Satz 1 BayBhV steht darüber hinaus mit höherrangigem Recht im Einklang. Sie findet ihre gesetzliche Grundlage in Art. 96 Abs. 3a BayBG und hält sich innerhalb der dort aufgestellten Voraussetzungen und Grenzen.
Nach Maßgabe des § 48 Abs. 6 Satz 1 BayBhV wird eine Beihilfe nur gewährt, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen oder der Ausstellung der Rechnung beantragt wird. Die Fristberechnung richtet sich nach Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1 i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB. Der Beihilfeantrag vom 19. April 2018 betreffend Arzneimittelaufwendungen vom 19. April 2017 ist am 20. April 2018 – und damit erst nach Ablauf der am 19. April 2018 um 24:00 Uhr endenden Jahresfrist von einem Jahr nach Entstehen der Aufwendungen, hier dem Kauf der Arzneimittel, (vgl. Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Bd. 2, § 48, Anm. 11 (2), (4)) – bei der Beihilfestelle eingegangen.
Es ist vorliegend hinsichtlich des Entstehens der Aufwendungen in Form des Kaufs der Arzneimittel – dem die Jahresfrist in Lauf setzenden Ereignis – nicht auf ein Datum nach dem 19. April 2017 abzustellen. Soweit der Kläger darauf verweist, dass sich auf dem Rezept kein aufgedrucktes Kaufdatum befinde und er seine Medikamente „üblicherweise erst Tage oder Wochen nach der Ausstellung eines Rezepts abhole“, so ergibt sich daraus keine andere Einschätzung. Vielmehr ist auf dem Rezept direkt neben dem Stempel der Apotheke und dem Handzeichen des Apothekenmitarbeiters/in handschriftlich deutlich das Datum „19.4.17“ angebracht worden. Es spricht vorliegend nichts dafür, dass von dem handelnden Apothekenmitarbeiter/in ein nicht korrektes Datum vermerkt wurde. Dass der Kläger in sonstigen Fällen seine Medikamente erst später abhole, kann hier angesichts der eindeutigen objektiven Sachlage dahinstehen; der Kläger stellt diesbezüglich lediglich nicht substantiierte Mutmaßungen an.
Der Kläger kann sich zudem nicht darauf berufen, dass er den Antrag noch innerhalb der Jahresfrist, nämlich am 19. April 2018, beim Finanzamt Aschaffenburg abgegeben hat, da es insoweit auf den Eingang bei der Beihilfefestsetzungsstelle, dem Landesamt für Finanzen, ankommt (vgl. Mildenberger, a.a.O., Anm. 11 (6)). Aus der vorgelegten Behördenakte (vgl. Bl. 6) ergibt sich ein Zugang bei der Dienststelle Würzburg des Landesamtes für Finanzen am 20. April 2018 und es ist nichts dafür ersichtlich, dass der am 19. April 2018 im Finanzamt Aschaffenburg abgegebene Beihilfeantrag noch am selben Tag bei der Beihilfefestsetzungsstelle eingegangen ist. Vielmehr hat der Beklagte – nach Rücksprache mit den Poststellen des Finanzamts Aschaffenburg sowie des Landesamts für Finanzen in Würzburg – hierzu überzeugend ausgeführt, dass Post für das Landesamt für Finanzen, Dienststelle Würzburg, im Finanzamt Aschaffenburg gesammelt und arbeitstäglich jeden Nachmittag gegen 14:30 Uhr in ein großes Kuvert gesteckt und mit der Mainpost-Logistik an das Landesamt für Finanzen versandt werde. In der Dienststelle Würzburg des Landesamts für Finanzen erfolge die Zustellung durch die Mainpost-Logistik einmal je Werktag früh morgens, in der Regel durch Einwurf in den Briefkasten. Die von Dienstag bis einschließlich Freitag eingehende Post – der 20. April 2018 war ein Freitag – erhalte dann das Datum des jeweiligen Eingangstages. Damit ist zur Überzeugung des Gerichts von einem Zugang des Beihilfeantrages am 20. April 2018 auszugehen. Es entspricht überdies der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Briefe, die mittels eines Unternehmens zur Erbringung von Postdienstleistungen versandt werden, nicht noch am Tage des Versandes beim Empfänger zugehen; nicht ohne Grund hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang in Art. 41 Abs. 2 BayVwVfG eine 3-Tages-Fiktion für die Bekanntgabe eines durch die Post übermittelten Verwaltungsaktes als Regelfall festgelegt.
2. Darüber hinaus hat der Kläger keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 32 BayVwVfG.
Zu verspätet geltend gemachten Aufwendungen kann eine Beihilfe nur noch gewährt werden, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 32 BayVwVfG vorliegen (vgl. Mildenberger, a.a.O., Anm. 12). Voraussetzung hierfür ist nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, dass der Betroffene ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war, wobei nach Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG das Verschulden eines Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen ist. Verschuldet ist ein Fristversäumnis dann, wenn der Betroffene nicht die Sorgfalt walten lässt, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zumutbar ist (BVerwG, U.v. 08.03.1983 – 1 C 34.80 – juris). Es kommt darauf an, ob dem Beteiligten nach den Umständen des Falles ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er die Frist versäumt hat (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 32 Rn. 21). Eine Erkrankung kann eine Fristversäumung hierbei nur dann entschuldigen, wenn sie so schwer war, dass der Betroffene weder selbst handeln konnte noch imstande war, einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen und im gebotenen Umfang zu informieren (BVerwG v. 27.9.1993 Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 185; Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 60 Rn. 12).
Dies zugrunde gelegt war der Kläger vorliegend nicht ohne Verschulden verhindert, die Jahresfrist des § 48 Abs. 6 Satz 1 BayBhV einzuhalten. Zwar kann dem Kläger abgenommen werden, dass er entsprechend der vorgelegten Unterlagen an wiederkehrenden Schwindelattacken von unterschiedlicher Dauer leidet, die häufig mit Übelkeit und Brechreiz einhergehen und für den Kläger nicht vorhersehbar sind. Auch kann angesichts der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung davon ausgegangen werden, dass der Kläger – wie von ihm selbst vorgetragen – vom 16. April bis zu den Abendstunden des 18. April 2018 an einer derartigen Schwindelattacke gelitten hat, welche den Kläger davon abgehalten hat, seinen Beihilfeantrag persönlich fertigzustellen und an die Beihilfestelle zu senden. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass es dem Kläger unmöglich war, insbesondere seine Ehefrau damit zu beauftragen, die bereits begonnenen Arbeiten an dem streitgegenständlichen Beihilfeantrag fertigzustellen und für dessen rechtzeitige Abgabe zu sorgen. Dem steht auch nicht die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entgegen, da diese lediglich bestätigt, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum keiner Erwerbstätigkeit nachgehen konnte, die der Kläger jedoch ohnehin nicht mehr ausübt. Dass es ihm nicht möglich war, seiner Ehefrau eine kurze entsprechende Instruktion hinsichtlich des Beihilfeantrages zu erteilen, ergibt sich daraus nicht. Es handelt sich beim Ausfüllen eines Beihilfeantrages samt Zusammenstellung der Belege um eine einfache Tätigkeit, die von jeder erwachsenen Person übernommen werden kann und es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies der Ehefrau des Klägers nicht möglich gewesen wäre und der Kläger sie hiermit nicht hätte beauftragen können. Soweit der Kläger angibt, dass es sich insoweit um eine persönliche Angelegenheit handele, so ist dies zwar nicht von der Hand zu weisen, jedoch kann sich der Kläger zumindest solange nicht unter Hinweis darauf exculpieren, als es ihm möglich war, einen von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten oder aber einen nahen Angehörigen oder Bekannten damit zu beauftragen, was bei der Ehefrau des Klägers zweifellos der Fall ist.
Unabhängig von vorstehenden Ausführungen war es unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Erkrankung des Klägers geboten und diesem auch zumutbar, bereits generell eine geeignete dritte Person wie etwa seine Ehefrau damit zu beauftragen, im Falle einer Schwindelattacke dafür Sorge zu tragen, dass Beihilfeanträge rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist gestellt werden. Denn der Kläger hat selbst vorgetragen und durch ärztliche Unterlagen belegt, dass er nie wisse, wann der Schwindel wieder auftrete, der dann über Stunden, meistens aber – wie vorliegend – mehrere Tage anhalte. Damit war dem Kläger bewusst, dass angesichts seiner speziellen Erkrankung generell die Gefahr bestand, die Jahresfrist für Beihilfeansprüche zu versäumen, so dass es an ihm gelegen hätte, durch die Beauftragung eines geeigneten Dritten entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um dies zu vermeiden. Dies gilt umso mehr, als der Kläger – wie aus dem aktuellen Beihilfeantrag ersichtlich – offensichtlich nur selten bzw. nur einmal im Jahr einen Beihilfeantrag stellt und hierbei für bestimmte Rechnungen – wie der streitgegenständlichen – die Jahresfrist bis zu deren Ende ausnutzt, was ihm von Rechts wegen zwar möglich ist, ihn jedoch umgekehrt unter den hier gegebenen besonderen Umständen zu erhöhter Vorsicht hinsichtlich der Einhaltung der Frist verpflichtet.
Darüber hinaus ist dem Kläger im Sinne eigenen Verschuldens in Form der Fahrlässigkeit auch vorzuwerfen, dass er den Beihilfeantrag, nachdem er ihn aufgrund der Besserung seiner gesundheitlichen Beschwerden am Abend des 18. April 2018 vervollständigt hatte, am Folgetag lediglich beim Finanzamt Aschaffenburg in die dortige Hauspost gegeben hat. In der konkreten Situation unmittelbar vor Ablauf der Jahresfrist hinsichtlich der streitgegenständlichen Aufwendungen musste der Kläger ernsthaft damit rechnen bzw. es sich ihm geradezu aufdrängen, dass der Beihilfeantrag auf diesem Wege nicht noch am gleichen Tage und damit noch fristgerecht beim Landesamt für Finanzen, Dienststelle Würzburg, eingehen würde. Er hätte daher in diesem speziellen Fall auf einen anderen geeigneten Übermittlungsweg zurückgreifen müssen, z.B. die Übermittlung des Antrags mittels Telefax oder aber die persönliche Überbringung nach Würzburg mittels Kfz, ggf. mit Hilfe seiner Ehefrau.
Auf das Urteil des VG Osnabrück vom 29. September 2017 (Az. 3 A 19/16) kann sich der Kläger vorliegend nicht berufen, da es in den Fällen der Fristversäumung wegen einer Erkrankung stets auf die spezifischen Besonderheiten eines jeden Einzelfalles ankommt. Auch litt die dortige Klägerin anders als der hiesige Kläger an einer psychischen Erkrankung, auf deren Besonderheiten das dortige Gericht bei seiner Entscheidung abgestellt hat. Eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte ist nicht gegeben.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.

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