Aktenzeichen 5 C 18.1236
VwGO § 166
ZPO § 114
BGB § 1004 Abs. 1 S. 2
BayPrG Art. 4
StPO § 67d
Leitsatz
1 In amtlicher Eigenschaft getätigte Äußerungen haben sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren (BayVGH BeckRS 2012, 54752). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das öffentliche Informationsinteresse an Einzelheiten des nicht-öffentlichen Verfahrens zur Überprüfung des Maßregelvollzugs nach § 67d StPO ist geringer zu gewichten, als dies bei öffentlich zu verhandelnden Strafverfahren der Fall ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 14 E 18.00487 2018-05-09 Bes VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 9. Mai 2018 wird aufgehoben und dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für den beabsichtigten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch Beiordnung von Rechtsanwalt A., München, gewährt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt zur Vorbereitung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und verfolgt seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag im Beschwerdeverfahren weiter.
Ausgangspunkt des Verfahrens ist eine Äußerung der Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft N. auf Presseanfragen bezüglich eines Sachverständigengutachtens, das im Rahmen des beim Landgericht Ansbach derzeit anhängigen Verfahrens zur Überprüfung des Maßregelvollzugs des Antragstellers eingeholt wurde. Dieser war im Jahr 1988 wegen Mordes in drei Fällen unter Annahme der verminderten Schuldfähigkeit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus war angeordnet worden. Sowohl das Strafverfahren als auch der Strafvollzug waren in der Vergangenheit Gegenstand der Presseberichterstattung.
Am 23. Februar 2018 waren in der Abendzeitung München und der BILD-Zeitung Artikel über den Antragsteller abgedruckt, in denen auf eine Aussage der Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft N. Bezug genommen wird. Diese habe bestätigt, dass für den Antragsteller ein neues Prognosegutachten vorliege, in dem ihm „eine Reduzierung seiner Gefährlichkeit“ attestiert worden sei. Es sei jedoch „kein sozialer Empfangsraum vorhanden“, weswegen sich die Staatsanwaltschaft gegen eine Entlassung ausspreche.
Die vom Bevollmächtigten des Antragstellers geforderte Abgabe einer Erklärung mit dem Inhalt, es künftig zu unterlassen, sich außerhalb eines öffentlichen Strafverfahrens zum laufenden, nicht öffentlichen Maßregelvollzugprüfungsverfahren des Antragstellers und zu Einzelheiten des Sachverständigengutachtens oder dem bisherigen Vollzugsverlauf zu äußern, lehnte der Antragsgegner unter Hinweis auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 4 Bayerisches Pressegesetz (BayPrG) ab.
Der Antragsteller stellte beim Verwaltungsgericht Ansbach einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den beabsichtigten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit folgendem Inhalt:
1. Der Antragsgegner hat es künftig zu unterlassen, sich außerhalb eines öffentlichen Strafverfahrens zum laufenden Maßregelvollzugsprüfungsverfahren des Antragstellers, derzeit anhängig beim Landgericht Ansbach unter Aktenzeichen des StVK 28/16, zu äußern, insbesondere Einzelheiten aus dem Sachverständigengutachten des Herrn Prof. Dr. Pf. vom 7. Februar 2018 oder zum bisherigen Vollzugsverlauf seit erneuter Unterbringung des Antragstellers im Bezirkskrankenhaus Ansbach für die Zeit nach dem 14. August 2015 zu verbreiten oder verbreiten zu lassen.
2. Dem Antragsteller wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten sowie Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, angedroht.
Der Antragsteller beruft sich für diesen Antrag auf einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG. Durch Bekanntgabe von Inhalten aus dem Sachverständigengutachten habe der Antragsgegner das aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers verletzt. Dieses umfasse den Schutz vor staatlichen Äußerungen, die geeignet seien, sich abträglich auf das Bild der betroffenen Person in der Öffentlichkeit auszuwirken. Das Gutachten sei im Rahmen eines nicht-öffentlichen Verfahrens erstellt worden und umfasse Tatsachen, deren Kenntnis nicht über einen begrenzten Personenkreis hinausgehe und die geheimhaltungsbedürftig seien. Der Antragsgegner könne sich nicht darauf berufen, gemäß Art. 4 BayPrG zur Auskunft berechtigt oder verpflichtet gewesen zu sein. Es sei zu berücksichtigen, dass die Presseinformationen im Rahmen eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens erfolgt seien, so dass die Grundsätze zur sogenannten Verdachtsberichtserstattung heranzuziehen seien. Es liege auch die für das Unterlassungsbegehren erforderliche Wiederholungsgefahr vor, da eine einmalige Verletzungshandlung bereits eine widerlegliche Vermutung für weitere, gleichgerichtete Handlungen begründen würde. Darüber hinaus habe der Antragsgegner die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgegeben.
Das Verwaltungsgericht Ansbach lehnte mit Beschluss vom 9. Mai 2018 den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten des beabsichtigten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ab. Die allgemein gehaltenen Auskünfte gegenüber der Presse stellten keinen rechtswidrigen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Antragstellers dar. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung könne unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch den in Art. 4 BayPrG normierten presserechtlichen Auskunftsanspruch beschränkt werden. Nach dieser Vorschrift seien Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen. Eine Auskunft dürfe nur verweigert werden, soweit eine Verschwiegenheitspflicht bestehe, die sich auch aus Grundrechten Dritter ergeben könne. Bei der im vorliegenden Fall vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden gegenläufigen Interessen sei in keiner Weise erkennbar, dass durch die verfahrensgegenständlichen Äußerungen überwiegende schutzwürdige Interessen des Antragstellers verletzt worden seien. Im Übrigen sei der Antrag des Antragstellers zu weit gefasst.
Der Antragsteller legte hiergegen am 23. Mai 2018 Beschwerde ein. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts verletzten die Äußerungen der Oberstaatsanwältin das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers. Diese habe Informationen zum sozialen Empfangsraum und zu der Nichtgewährung von Vollzugslockerungen in die Öffentlichkeit getragen. Ob Details aus dem Gutachten genannt würden, sei unerheblich. Die Äußerungen zur Beantragung der Fortdauer der Maßregel stellten einen Vorgriff auf Prüfungsverfahren dar, bevor sich der Antragsteller selbst habe äußern können. Die Staatsanwaltschaft zeige, dass sie ihre Entscheidung schon getroffen habe. Die Verurteilung des Antragstellers sei vor dreißig Jahren erfolgt. Sein Resozialisierungsinteresse und das Recht „alleine gelassen zu werden“ stünden der Berichterstattung entgegen. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts seien durch die Äußerungen gegenüber der Presse Informationen aktiv verbreitet worden. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es sich beim Maßregelvollzugprüfungsverfahren zum Schutz der Privat- und Intimsphäre um ein nicht-öffentliches Verfahren handle. Dieser Schutz laufe leer, wenn es der Staatsanwaltschaft gestattet werde, noch vor einer mündlichen Verhandlung über Ergebnisse des Gutachtens zu berichten. Es sei irrelevant, dass die Presse Kenntnis von dem Gutachten gehabt habe. Ohne die bestätigende Mitteilung der Staatsanwaltschaft hätte es keine Tatsachenberichterstattung über den Antragsteller gegeben. Das Gericht könne nicht geltend machen, dass der Antrag zu weit gefasst sei. Es sei an den gestellten Antrag nicht strikt gebunden, sondern könne den Inhalt der Verfügung nach eigenem Ermessen bestimmen. Es bestehe auch ein Anordnungsgrund. Werde dem Antragsteller der vorläufige Rechtsschutz versagt, müsse er damit rechnen, dass die Staatsanwaltschaft sich weiterhin öffentlich zum Maßregelvollzugsprüfungsverfahren äußere. Es sei Sache des Antragsgegners, die mit dem Rechtsverstoß indizierte Wiederholungsgefahr zu widerlegen.
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen. Der Antrag sei zu weit gefasst, weil nicht eine vorläufige Maßnahme, sondern die endgültige Vorwegnahme der Entscheidung begehrt werde. Auch fehle es an einem Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder subjektive Rechte des Antragstellers. Die Pressesprecherin habe nur in Erfüllung ihrer Informationsverpflichtung mitgeteilt, dass dem Antragsteller vom gerichtlichen Sachverständigen eine erhebliche Reduzierung der Gefährlichkeit bescheinigt worden sei. Die Weitergabe der gutachterlichen Feststellung, dass noch kein sozialer Empfangsraum vorhanden und es daher unklar sei, wohin man den Antragsteller entlassen könne, sei sachgerecht und geboten gewesen, um verständlich zu machen, warum dem Antragsteller trotz dieser Feststellung noch keine Lockerungen gewährt werden konnten. Nach Abwägung des Persönlichkeitsrechts des Antragstellers mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit stelle die Feststellung über „den fehlenden sozialen Empfangsraum“ keine rechtswidrige Beeinträchtigung der Rechte des Antragstellers dar. Vom Gericht sei zutreffend auf die bisherige Berichterstattung der Presse über den Fall verwiesen worden. Name und Person des Antragstellers seien der Öffentlichkeit seit vielen Jahren bekannt. Der Antragsteller müsse sich entgegenhalten lassen, dass er der Öffentlichkeit bereits vor Jahren ihn betreffende Informationen selbst zur Verfügung gestellt habe. Auch habe er eine konkrete Wiederholungsgefahr nicht glaubhaft gemacht. Angesichts seiner Schadenersatzklagen und der im Gutachten angegebenen finanziellen Beteiligung am Kauf eines Bauernhofs bestünden Zweifel an der Bedürftigkeit des Antragstellers.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung seines Rechtsanwalts für den beabsichtigten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).
1. Der beabsichtigte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Unterlassung von Äußerungen bietet nach dem im Rahmen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe anzuwendenden Maßstab hinreichende Aussicht auf Erfolg, so dass dem Antragsteller die beantragte Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist.
Das Prozesskostenhilfeverfahren dient nicht dazu, den Rechtsschutz selbst zu gewähren. Es soll demjenigen, der die Kosten für eine Prozessführung nicht aufbringen kann, eine Rechtsverfolgung möglich machen, sofern diese hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (§ 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dafür genügt eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit des Erfolges, wobei im Hinblick auf die Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen. Die Prüfung der Erfolgsaussicht hat nicht den Zweck, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern. Zur Gewährung von Prozesskostenhilfe ist es daher einerseits nicht erforderlich, dass der Prozesserfolg schon gewiss ist. Andererseits darf die Prozesskostenhilfe verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BVerfG, B.v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88 u.a. – BVerfGE 81, 347/357; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 166 Rn. 3). Hinreichend ist die Erfolgsaussicht jedenfalls dann, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder wenn der vom Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit der Beweisführung besteht.
a) Der (isolierte) Antrag auf Prozesskostenhilfe ist nicht schon deswegen erfolglos, weil der beabsichtigte Rechtsschutzantrag inhaltlich möglicherweise zu weit gefasst ist. Als Prüfungsmaßstab für die Erfolgsaussichten dieses Antrags ist zwar auf das schon im Antrag zu formulierende Rechtsschutzziel abzustellen, doch ist im Rahmen des Verfahrens nach § 123 VwGO nicht erforderlich, dass der Antrag die für ein Hauptsacheverfahren vorgeschriebenen Anforderungen des § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO erfüllt. Es genügt, wenn der Antragsteller das zu sichernde oder zu regelnde Recht in bestimmter Weise bezeichnet (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m § 920 Abs. 1 ZPO). Das Gericht entscheidet nach Ermessen, welche Anordnungen zur Sicherung des geltend gemachten Anspruchs erforderlich sind.
b) Auch liegt keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache vor. In sachgerechter Auslegung des angekündigten Antrags verfolgt der Antragsteller das Ziel, dem Antragsgegner zu untersagen, öffentliche Äußerungen zum nicht-öffentlichen Verfahren der Prüfung des Maßregelvollzugs abzugeben, die Einzelheiten aus dem Sachverständigengutachten betreffen und die den Inhalt bzw. die Ausgestaltung des für die Prüfung maßgeblichen Maßregelvollzugs betreffen. Da der geltend gemachte Anspruch zeitlich an die noch fortdauernde Prüfung des Maßregelvollzugs geknüpft ist, kann der Antragsteller sein Begehren nicht im Wege eines Hauptsacheverfahrens durchsetzen, weil zu erwarten ist, dass das Überprüfungsverfahren dann bereits abgeschlossen ist. Im Übrigen hat der Antragsteller die Möglichkeit, den von ihm zu stellenden Antrag gegebenenfalls der aktuellen Situation anzupassen.
c) Der Antragsteller kann voraussichtlich einen Anordnungsanspruch auf der Grundlage des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog geltend machen. Denn die beanstandeten Äußerungen fallen in den Schutzbereich des durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Antragstellers (aa) und stellen nach summarischer Prüfung voraussichtlich auch einen rechtswidrigen Eingriff dar (bb). Aus diesem Grund ist auch eine Wiederholungsgefahr gegeben (cc).
aa) Der allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Anspruch auf zukünftige Unterlassung einer getätigten Äußerung setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen erfolgt ist und die konkrete Gefahr der Wiederholung droht. Als vom öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch geschütztes Rechtsgut kommt im Rahmen des hier maßgeblichen äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs das aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht in Betracht, das nicht nur die Privat-, Geheim- und Intimsphäre, sondern auch die persönliche Ehre, das Verfügungsrecht und das Selbstbestimmungsrecht über die eigene Außendarstellung sowie den Schutz des sozialen Geltungsanspruchs, der sog. „äußeren Ehre“ als des Ansehens in den Augen anderer, umfasst (vgl. BVerwG, U.v. 21.5.2008 – 6 C 13.07 – BVerwGE 131, 171 Rn. 13). Art. 2 Abs. 1 GG sichert jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, wozu auch das Recht gehört, ein Eindringen oder einen Einblick durch andere in diesen Bereich auszuschließen. Jeder darf grundsätzlich selbst und allein bestimmen, ob und wieweit andere sein Lebensbild im ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen. Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht kann zwar zum Schutz von Interessen der Allgemeinheit gerechtfertigt sein, jedoch gilt das nicht von vornherein. Vielmehr gebietet der hohe Rang des Rechts auf freie Entfaltung und Achtung der Persönlichkeit, dass dem aus Gründen des Allgemeininteresses erforderlich erscheinenden Eingriff das Schutzgebot des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG als Korrektiv entgegengehalten wird. Dementsprechend ist durch Güterabwägung im konkreten Fall zu ermitteln, ob das verfolgte öffentliche Interesse generell und nach der Gestaltung des Einzelfalls Vorrang verdient, ob der beabsichtigte Eingriff in die Privatsphäre nach Art und Reichweite durch dieses Interesse gefordert wird und im angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht (BVerfG, U.v. 5.6.1973 – 1 BvR 536/72 – BVerfGE 35, 202/220 f.). So bietet Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG Schutz vor staatlichen Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild der betroffenen Person in der Öffentlichkeit auszuwirken. Der Einzelne hat allerdings keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder von anderen gesehen werden möchte. Aber auch wahre Berichte können das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn die Folgen der Darstellung für die Persönlichkeitsentfaltung schwerwiegend sind und die Schutzbedürfnisse das Interesse an der Äußerung überwiegen (vgl. BVerfG, B.v. 24.3.1998 – 1 BvR 131/96 – BVerfGE 97, 391/403 f.).
Die in amtlicher Eigenschaft als Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft getätigten Auskünfte an die Presse über die Einschätzung des Sachverständigen zur Reduzierung der Gefährlichkeit des Antragstellers und das Fehlen eines sozialen Empfangsraums greifen in dessen Persönlichkeitsrecht ein, weil durch diese sein früheres Fehlverhalten, seine persönliche Lebenssituation, die ihr zugrunde liegenden Straftaten und die psychiatrische Unterbringung (wieder) öffentlich bekannt gemacht und ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerufen werden. Da das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch das Recht des Antragstellers umfasst, selbst zu bestimmen, ob und wieweit bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich gemacht werden dürfen, ist durch die Aussagen der Pressesprecherin das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers betroffen. Keinen Unterschied macht es hierbei, ob die Pressesprecherin aus eigener Initiative heraus oder auf Nachfrage der Presse gehandelt hat. Dieser Umstand ist vielmehr im Rahmen der Abwägung zwischen dem Publikationsinteresse der Presse und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf der einen Seite sowie dem Persönlichkeitsschutzinteresse des Antragstellers auf der anderen Seite zu berücksichtigen.
bb) Es spricht nach der im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens anzustellenden summarischen Prüfung einiges dafür, dass die beanstandeten Äußerungen nicht mehr durch den presserechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 4 Abs. 1 BayPrG und das Informationsinteresse der Allgemeinheit gedeckt sein könnten.
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass in amtlicher Eigenschaft getätigte Äußerungen sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren haben (BayVGH, B.v. 6.7.2012 – 4 B 12.952 – juris Rn. 18). Zu berücksichtigen ist vorliegend insbesondere, dass die von der Staatsanwaltschaft getätigten Äußerungen im Zusammenhang mit dem nicht-öffentlichen Verfahren zur Überprüfung des Maßregelvollzugs nach § 67d StPO standen und somit das öffentliche Informationsinteresse zu Einzelheiten dieses Verfahrens geringer zu gewichten ist, als dies bei öffentlich zu verhandelnden Strafverfahren der Fall ist. Denn in dem Verfahren nach § 67d StPO steht die Persönlichkeit des Antragstellers, deren Beurteilung durch das eingeholte fachpsychiatrische Gutachten und die auf dieser Grundlage gerichtlich zu prüfende Notwendigkeit einer weiteren Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung im Vordergrund, so dass das Informationsinteresse der Allgemeinheit an Einzelheiten zur Lebenssituation des Antragstellers gegenüber seinem Anspruch auf Schutz der Persönlichkeit geringer zu werten sein dürfte. Es ist daher fraglich, ob der presserechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 4 BayPrG weitergehende Informationen erfordert, als dass die weitere Unterbringung im Maßregelvollzug derzeit gerichtlich überprüft wird und in diesem Zusammenhang ein aktuelles psychologisches Gutachten vorliegt. Die persönliche Lebenssituation des Antragstellers und deren Bewertung durch die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem derzeit laufenden (nicht-öffentlichen) Verfahren zur Überprüfung des Maßregelvollzugs ist auch nicht deswegen weniger schutzwürdig und schutzbedürftig, weil der Antragsteller bzw. die näheren Umstände seines Maßregelvollzugs bereits in der Vergangenheit im Fokus der Öffentlichkeit standen. Vielmehr ist möglicherweise gerade aus diesem Grund ein berechtigtes Interesse des Antragstellers anzuerkennen, dass Details aus seinem Privatleben und Einzelheiten zu seiner Persönlichkeit nicht erneut Gegenstand öffentlicher Berichterstattung werden. Die von der Staatsanwaltschaft abgegebenen Erklärungen waren auch nicht erforderlich, um das Fehlen von Vollzugslockerungen für die Öffentlichkeit verständlich zu machen. Dies war auch nicht Gegenstand der presserechtlichen Anfrage.
cc) Bei Vorliegen eines rechtswidrigen Eingriffs in die Schutzsphäre des Persönlichkeitsrechts wird die Gefahr einer erneuten Rechtsverletzung grundsätzlich vermutet und wird in der Regel durch Abgabe einer entsprechenden Unterlassungserklärung ausgeräumt (BGH, U.v. 30.6.2009 – VI ZR 210/08 – NJW-RR 2009, 1413 Rn. 29; BVerfG, B v. 23.2.2000 – 1 BvR 456/95 – NJW-RR 2000, 1209/1211 Rn. 36). Für die Wiederholungsgefahr spricht einerseits der Umstand, dass es der Antragsgegner abgelehnt hat, eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben. Zum anderen belegen die Ausführungen im vorliegenden Verfahren, dass der Antragsgegner nach wie vor davon ausgeht, dass die betroffenen Äußerungen in rechtmäßiger Weise gegenüber der Presse erfolgt sind. Da das Verfahren zur Überprüfung des Maßregelvollzugs nach Kenntnis des Senats noch nicht abgeschlossen ist, ist zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt noch von einer Wiederholungsgefahr auszugehen.
2. Die subjektiven Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind ausweislich der dem Verwaltungsgericht vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers erfüllt. Maßgeblich für die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, also der aktuelle Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts (BayVGH, B.v. 27.7.2017 – 15 C 14.20147 – juris Rn. 12). Einzusetzendes Einkommen im Sinn von § 166 VwGO i.V.m. § 115 Abs. 1 ZPO liegt zu diesem Zeitpunkt nicht vor, gleiches gilt bezüglich des Einsatzes von vorhandenem Vermögen (§ 166 VwGO i.V.m. § 115 Abs. 3 ZPO). Der Senat hat keine Veranlassung, an den in der Erklärung abgegebenen Angaben zu zweifeln. Ein etwaiger Schadenersatzanspruch des Antragstellers aus einem Zivilprozess ist nicht zu berücksichtigen, weil die hierauf gerichtete Klage in erster Instanz erfolglos blieb; das Berufungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Begründete Anhaltspunkte dafür, dass sonstiges, zumutbar realisierbares Vermögen im Sinn von § 115 Abs. 3 ZPO vorliegt, das auch unter Berücksichtigung des Schonvermögens nach § 90 Abs. 2 SGB XII und der Härteklausel nach § 90 Abs. 3 SGB XII, einzusetzen wäre, bestehen ebenfalls nicht.
3. Eine Kostenentscheidung und eine Streitwertfestsetzung sind entbehrlich. Kosten werden nach § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).