Aktenzeichen RO 7 S 18.1173
Leitsatz
1 Festsetzungen des Bebauungsplans zum Maß der baulichen Nutzung sind grundsätzlich nicht nachbarschützend, da sie grundsätzlich nur städtebaulichen Charakter haben. Eine andere Bewertung kommt nur dann in Betracht, wenn der Satzungsgeber eine nachbarschützende Funktion einer solchen Festsetzung gewünscht und dieser normgeberische Wille auch in entsprechenden Begründungen seinen Niederschlag gefunden hat (hier verneint). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Gemäß § 12 Abs. 2 BauNVO wird den Anwohnern in einem allgemeinen Wohngebiet zugemutet, dass mit einer zulässigen Grundstücksnutzung verbundene Abstellen und Einparken von Kraftfahrzeugen und den damit einhergehenden Lärm hinzunehmen. Nachbarn müssen die sich aus der Nutzung von Garagen und Stellplätzen ergebenden üblichen Störungen bei Tag und Nacht hinnehmen, wenn die Anlage in ihrem Ausmaß das Bedürfnis nicht überschreitet, das sich aus dem auf dem Grundstück zulässigerweise verwirklichten Wohnungsbestand ergibt. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine vom Antragsgegner den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines 4-Familienwohnhauses mit Stellplätzen.
Die Antragstellerin ist Alleineigentümerin der Grundstücke FlNrn. 218/11 und 218/35 der Gemarkung … Das Grundstück FlNr. 218/11 ist mit einem Einfamilienhaus und Garagen bebaut, das unbebaute Grundstück FlNr. 218/35 dient als Privatweg zwischen dem Grundstück FlNr. 218/11 und der östlich davon gelegenen …straße. Zwischen dem Antragstellergrundstück FlNr. 218/11 und der …straße liegt das im Eigentum der Beigeladenen stehende Grundstück FlNr. 218/34 der Gemarkung … Sämtliche Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „…“ (Quartier A). Dieser weist die Gebäude auf dem Antragstellergrundstück FlNr. 218/11 als Bestand aus. Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ist für die vorgenannten Grundstücke ein allgemeines Wohngebiet, hinsichtlich des Maßes eine maximal zulässige Grundflächenzahl von 0,40 sowie maximal zulässige Geschossflächenzahl von 0,60 festgesetzt. Ferner bestimmt der Baubauungsplan, dass die Zahl der Wohneinheiten pro selbständigem Gebäude (Einzelhaus und Doppelhaushälfte) maximal zwei Wohneinheiten beträgt. Für das Beigeladenengrundstück sieht der Bebauungsplan Baugrenzen vor.
Mit Formblattantrag vom 6. Februar 2018 beantragten die Beigeladenen bei der Stadt … eine Baugenehmigung für die Errichtung eines 4-Familienwohnhauses mit acht Stellplätzen auf dem Grundstück FlNr. 218/34 der Gemarkung … sowie eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „…“ bzgl. der Baugrenzen (Überschreitung um 34,66 m²) und der Anzahl der Wohneinheiten (vier statt zwei). In dem Bauantrag war angegeben, dass die Geschossflächenzahl des geplanten Gebäudes bei 0,68 liege und damit die des Bebauungsplans nicht eingehalten werde.
Die Stadt … erteilte mit Schreiben vom 22. März 2018 zu dem Vorhaben sowie zur Überschreitung der Baugrenze ihr Einvernehmen und stellte für das Bauvorhaben die gesicherte Abwasserbeseitigung im Trennsystem fest. Diese Stellungnahme ging zusammen mit dem Bauantrag am 22. März 2018 beim Landratsamt Sch. ein. Mit Schreiben vom 8. Mai 2018 nahm die Stadt … gegenüber dem Landratsamt Sch. erneut zu dem Bauvorhaben der Beigeladenen Stellung und erteilte das Einvernehmen zu Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans „…“ hinsichtlich der Anzahl der Wohneinheiten und der Überschreitung der Geschossflächenzahl. Als Begründung für die Befreiung bzgl. der gemäß Bebauungsplan festgesetzten Anzahl der Wohneinheiten wurde u.a. ausgeführt: Der Bebauungsplan lasse eine Errichtung von Doppelhaushälften mit jeweils zwei Wohneinheiten zu. Die Errichtung eines 4-Familienwohnhauses erscheine aus Sicht der Stadt daher in seiner Nutzungsintensität nichts anderes als eine Bebauung mit einem Doppelhaus (2+2 WE). Somit werde hier keine Verletzung eines Planungsgrundzugs des Bebauungsplans erkannt.
Mit streitgegenständlichen Bescheid vom 14. Mai 2018 erteilte das Landratsamt Sch. den Beigeladenen die Baugenehmigung für die Errichtung eines 4-Familienwohnhauses mit Stellplätzen (Nr. 1) und gewährte Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans „…“ hinsichtlich der Baugrenze, der Anzahl der Wohneinheiten und der Geschossflächenzahl (Nr. 2). Nr. 3.1 des Bescheids enthält die Nebenbestimmung, dass für das Vorhaben acht Stellplätze erforderlich sind.
Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 4. Juni 2018 Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erhoben und am 30. Juli 2018 um Eilrechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung wird ausgeführt: Durch die Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans sei die Antragstellerin in ihren nachbarlichen Rechten verletzt. Die Firma des Ehemanns der Antragstellerin habe den Bebauungsplan entwickelt und nach dessen Festsetzungen das Baugebiet erschlossen. Die Kanalisation, insbesondere der Kanalanschluss, sei so ausgelegt, dass im betreffenden Bebauungsplangebiet die Dimension der Kanalleitungen ausreichend sei, wenn das Baugebiet so bebaut werde, wie durch Bebauungsplan vorgesehen. Die Kanaldimension sowohl für die Hausanschlüsse als auch für die Sammelanschlüsse zum Hauptkanal sei für die Bebauung mit zwei Wohneinheiten beinhaltenden Häusern ausgelegt und zwar auch im Hinblick auf Kfz-Stellplätze. Wenn das streitige Objekt mit den genehmigten Wohneinheiten, den Stellplätzen und dem überdimensionierten Baukörper verwirklicht werde, würden die Kanalleitungen kapazitätsmäßig nicht mehr ausreichen, um das Baugebiet ordnungsgemäß bezüglich des Abwassers zu entsorgen. Dies gelte insbesondere für das Hinterliegeranwesen der Antragstellerin, das an den gleichen Kanalstrang angeschlossen sei wie das von den Beigeladenen geplante Bauvorhaben. Es fehle jegliche Berechnung über die Belastbarkeit des Kanalnetzes. Wegen der nicht mehr ausreichenden Kapazität des Kanalnetzes bei Realisierung des Bauvorhabens der Beigeladenen sei es der Antragstellerin verwehrt, selbst Grundstücksbebauungen vorzunehmen. Das Bauvorhaben verstoße im Übrigen gegen das Übermaßverbot und stelle sich als Fremdkörper dar, auch bezogen auf die unmittelbare Nachbarschaft zum Anwesen der Antragstellerin. Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin folge ferner aus den acht Parkplätzen, die in unmittelbarer Nähe zum Antragstellergrundstück errichtet werden sollen. Dadurch entstehe eine Mehrbelastung an Lärm und Abgasen. Hinzu komme noch die Lärmmehrbelastung durch die genehmigten vier Wohneinheiten. Diese Mehrbelastung und die verdichtete Bauweise widersprächen dem Bebauungsplan, indem die danach geplante ruhige Wohngegend mit offener Bauweise durch ein Mehrfamilienhaus beeinträchtigt werde. Schließlich sei der streitgegenständliche Bescheid nicht ordnungsgemäß begründet und ermessensfehlerhaft.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen.
Für den Antragsgegner beantragt das Landratsamt Sch.,
den Antrag abzulehnen.
Die Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Baugrenze, zur Anzahl der Wohneinheiten und zur Geschossflächenzahl hätten erteilt werden können, ohne dass das Gebot der Rücksichtnahme im Hinblick auf die Interessen der Antragstellerin verletzt sei. Die Befreiung hinsichtlich der Überschreitung der Baugrenze in östlicher Richtung berühre die Grundzüge der Planung nicht. Die Überschreitung der Baugrenze zur Straße hin habe keine negativen Auswirkungen auf die Nachbarbebauung (kein näheres Heranrücken, keine Abstandsflächenrelevanz). Etwaige Bedenken wegen der Verkehrssicherheit bestünden nicht. Die Baugrenzen zu den Nachbargrundstücken mit FlNrn. 218/33 und 218/11 seien eingehalten. Bezüglich der Anzahl der Wohneinheiten stehe im Bebauungsplan, dass pro selbständigem Gebäude (Einzelhaus und Doppelhaushälfte) maximal zwei Wohneinheiten zulässig seien. Nach Rücksprache mit der Stadt … sei die untere Bauaufsichtsbehörde zu dem Ergebnis gekommen, dass die betreffende Flurnummer mit zwei Doppelhaushälften oder zwei Einzelhäusern bebaut werden könne. Pro selbständigem Gebäude wären daher zwei Wohneinheiten zulässig. Es würden sich durch das Bauvorhaben im Hinblick auf nachbarliche Belange hinsichtlich der Nutzungsintensität (4 Wohneinheiten) keine Unterschiede ergeben, wie bei einer Bebauung mit einem Doppelhaus mit 2 x 2 Wohneinheiten. Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Anzahl der Wohneinheiten habe daher erteilt werden können. Die Grundzüge der Planung würden hierdurch nicht berührt. Die Geschossflächenzahl sei im Bebauungsplan für das Quartier A, in dem das Baugrundstück liege, mit einem zulässigen Maß von 0,6 festgesetzt. Das Grundstück weise eine Fläche von 703 m² auf. Die angegebene Geschossfläche in beiden Geschossen betrage 477,64 m², was eine Geschossflächenzahl von 0,68 ergebe. Diese Überschreitung stelle sich als geringfügig dar. Die in § 17 Abs. 1 BauNVO festgesetzte Obergrenze von 1,2 werde eingehalten. Es sei deswegen eine Befreiung von der Geschossflächenzahlfestsetzung möglich gewesen. Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans, von denen befreit worden sei, nicht nachbarschützend seien. Unabhängig von den Befreiungen erweise sich das Vorhaben auch im Übrigen als zulässig. Die Sozialadäquanz der Stellplätze sei gegeben, da es durch deren Nutzung zu keinen unzumutbaren Beeinträchtigungen der Nachbarschaft komme. Besondere Umstände des Einzelfalls würden nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Das Thema Niederschlagswasser sei von der fachkundigen Stelle für Wasserwirtschaft im Rahmen der Stellungnahme vom 5. April 2018 behandelt. Ein entsprechender Entwässerungsplan mit Berücksichtigung des Trennsystems für die Abwasserbeseitigung sei vorgelegt worden. Die Stadt … habe in ihrer gemeindlichen Stellungnahme die Erschließung u.a. hinsichtlich der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung als gesichert erklärt. Diese Entscheidung obliege der Stadt, weshalb hierzu nicht weiter vorgetragen werde. Einer Begründung des Genehmigungsbescheides habe es nicht bedurft, da von der Antragstellerin während des Baugenehmigungsverfahrens keine schriftlichen Einwendungen geltend gemacht und keine Abweichungen von nachbarschützenden Vorschriften erteilt worden seien.
Die Beigeladenen haben im Eilverfahren keinen Antrag gestellt und keine Äußerung abgegeben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten im Haupt- und Eilverfahren verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 14. Mai 2018 ist unbegründet.
Die Anfechtungsklage eines Nachbarn gegen eine dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB). Der Nachbar kann jedoch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage nach §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO beantragen. Ein derartiger Antrag hat dann Erfolg, wenn das Aussetzungsinteresse des Nachbarn das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des streitgegenständlichen Verwaltungsakts bzw. das Vollzugsinteresse des Bauherrn überwiegt. Die vorzunehmende Interessenabwägung richtet sich in der Regel maßgeblich nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, da an der Umsetzung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein schutzwürdiges Interesse besteht. Dabei kommt es im Rahmen einer Nachbarklage nicht darauf an, ob eine erteilte Baugenehmigung in objektiver Hinsicht umfassend rechtmäßig ist. Denn eine Nachbarklage hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn der Nachbar in eigenen Rechten verletzt wird, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Maßgeblich ist daher, ob der Nachbar in subjektiven Rechten verletzt wird, d.h. ob die Baugenehmigung gegen Vorschriften verstößt, die zumindest auch seinem Schutz dienen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 8/84 – juris). Eine Rechtsverletzung kommt auch nur insoweit in Betracht, als die Baugenehmigung überhaupt Regelungs- bzw. Feststellungswirkung entfaltet, d.h. soweit die ggf. verletzte drittschützende Rechtsvorschrift überhaupt zum Prüfgegenstand im Genehmigungsverfahren gehört.
Hiervon ausgehend wird die Klage der Antragstellerin nach summarischer Würdigung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich keinen Erfolg haben. Sie erweist sich als zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Antragsgegners verletzt sie nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich nicht um einen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO, weshalb der Antragsgegner die Baugenehmigung zu Recht im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilt hat. Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde und die Reichweite der Feststellungswirkung der Baugenehmigung ergeben sich somit aus Art. 59 BayBO.
Die streitgegenständliche Baugenehmigung und die gewährten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans führen nicht zu einer Verletzung der Antragstellerin in nachbarschützendem Bauplanungsrecht (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO i.V.m. §§ 29 ff BauGB).
1. Eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs scheidet aus. Der Gebietserhaltungsanspruch ist darauf gerichtet, dass sich ein Nachbar in einem Baugebiet im Sinne von § 1 Abs. 3 und 2 BauNVO auch ohne konkrete Beeinträchtigung gegen die Zulassung einer in dem Baugebiet gebietswidrigen Nutzung wenden kann. Diese weitreichende nachbarschützende Wirkung beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Grundstücke in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2007 – 4 B 55/07; U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91; BayVGH, B.v. 26.2.2014 – 2 ZB 14.101; B.v. 29.4.2015 – 2 ZB 14.1164 – jeweils juris).
Das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück der Antragstellerin (FlNr. 218/11) und das Baugrundstück liegen im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „…“ in der Fassung der 2. qualifizierten Änderung vom 14. März 2017 (§ 30 Abs. 1 BauGB). Dieser sieht für den betreffenden Bereich als Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet vor. In einem allgemeinen Wohngebiet sind gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO Wohngebäude allgemein zulässig. Das den Beigeladenen genehmigte Wohnvorhaben stimmt somit mit den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Art der baulichen Nutzung überein; der Gebietserhaltungsanspruch ist deshalb nicht verletzt.
2. Soweit die Antragstellerin die unter Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids gewährten Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Baugrenze, Anzahl der Wohneinheiten und der Geschossflächenzahl als rechtsverletzend rügt, vermag sie damit nicht durchzudringen.
Diese Befreiungen beziehen sich auf Festsetzungen des Bebauungsplans zum Maß der baulichen Nutzung. Solche Festsetzungen sind grundsätzlich nicht nachbarschützend, da sie grundsätzlich nur städtebaulichen Charakter haben (vgl. BayVGH, B.v. 21.11.2008 – 15 CS 08.2683 – juris; BVerwG, B.v. 19.10.1995 – 4 B 215/95 – juris). Eine andere Bewertung kommt nur dann in Betracht, wenn der Satzungsgeber eine nachbarschützende Funktion einer solchen Festsetzung gewünscht und dieser normgeberische Wille auch in entsprechenden Begründungen seinen Niederschlag gefunden hat. Vorliegend sind keine Anhaltspunkte aus dem Bebauungsplan oder seiner Begründung dafür ersichtlich, dass die den Bereich der Grundstücke der Antragstellerin und der Beigeladenen betreffenden Bebauungsplanfestsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung über ihre städtebauliche Funktion hinaus nach dem Willen des Plangebers einen drittschützenden Charakter haben sollen (lediglich für die Baulinien im westlichen Teil des Bebauungsplangebiets (betreffend Gewerbeflächen) werden u.a. nachbarliche Belange herangezogen – vgl. Nr. 2 der Begründung zum Bebauungsplan).
Mangels nachbarschützender Wirkung der Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung mussten die hiervon gewährten Befreiungen entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht begründet werden (vgl. Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO). Vor diesem Hintergrund war auch die Darlegung der Ermessenserwägungen des Landratsamts Sch. im Bescheid nicht veranlasst.
Eine Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung kann dem Nachbarn einen Abwehranspruch nur insoweit vermitteln, als die Behörde nicht die gebotene Rücksichtnahme auf die in § 31 Abs. 2 BauGB genannten nachbarlichen Interessen genommen hat. Hiervon ist nicht auszugehen.
Der Antragsgegner hat in nicht zu beanstandender Weise in der Antragserwiderung darauf hingewiesen, dass die Überschreitung der Baugrenze zur Straße hin keine negativen Auswirkungen auf die Nachbarbebauung hat (kein näheres Heranrücken, keine abstandsflächenrechtliche Relevanz für Antragstellergrundstücke). Die Baugrenzen in Richtung der Antragstellergrundstücke sind eingehalten. Die Befreiung von den Festsetzungen zu den Baugrenzen konnte deshalb zu Recht ohne Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot ergehen.
Gleiches gilt im Hinblick auf die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu der Anzahl der Wohneinheiten. Auch in diesem Zusammenhang ist die Argumentation des Antragsgegners in der Antragserwiderung überzeugend, wonach laut Bebauungsplan pro selbständigem Gebäude (Einzelhaus und Doppelhaushälfte) maximal zwei Wohneinheiten zulässig sind und bei einer zulässigen Bebauung mit zwei Doppelhaushälften auch vier Wohneinheiten auf dem streitgegenständlichen Grundstück möglich wären, weshalb sich insoweit bezogen auf die nachbarlichen Belange hinsichtlich der Nutzungsintensität (4 Wohneinheiten) keine Unterschiede ergeben. Im Übrigen ist weder substantiiert geltend gemacht noch ersichtlich, dass vier statt zwei Wohneinheiten den Nachbar unzumutbar in seinen Rechten verletzen.
Die Befreiung bzgl. der Festsetzungen des Bebauungsplans zur Geschossflächenzahl begegnet ebenso keinen Bedenken. Die im Bebauungsplan für das Quartier A, in dem das Baugrundstück liegt, mit einem zulässigen Maß von 0,6 festgesetzte Geschossflächenzahl wird durch die genehmigte Bebauung mit einer Geschossflächenzahl von 0,68 um lediglich 0,08 überschritten. Diese Überschreitung stellt sich als derart geringfügig dar, dass nicht erkennbar ist, inwieweit dadurch nachbarliche Belange unzumutbar beeinträchtigt werden.
Soweit die Antragstellerin geltend macht, durch die gewährten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans werde die ordnungsgemäße Beseitigung des auf ihrem Grundstück FlNr. 218/11 anfallenden Niederschlags- und Brauchwassers gefährdet, stellt sich die Frage, ob ein solcher Aspekt überhaupt im Rahmen einer Befreiungsentscheidung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB und des dort enthaltenden Rücksichtnahmegebots zu prüfen ist. Letztendlich kann dies aber dahingestellt bleiben. Denn der Vortrag zur Gefährdung der Brauchwasser- und Niederschlagswasserbeseitigung auf dem Grundstück FlNr. 218/11 bei Verwirklichung des Bauvorhabens erweist sich als nicht nachvollziehbar. Zum einen widerspricht dies der Stellungnahme der Stadt …, in der die gesicherte Erschließung festgestellt wird. Deren Einschätzung kommt als für die Erschließung zuständige Stelle besonderes Gewicht zu. Zum anderen erschöpfen sich die Einlassungen der Antragstellerin zur gefährdeten Erschließung ihres Wohngrundstücks in Behauptungen, ohne Belege hierfür zu liefern. Wenn, wie dargetan, der Ehemann der Antragstellerin bzw. dessen Firma die Erschließung mit geplant haben sollte, verwundert es, dass diesbezüglich nicht konkret unter Vorlage von entsprechenden Unterlagen vorgetragen wird, sondern lediglich die pauschale Behauptung ergeht, die Erschließung sei nur gesichert, solange die Festsetzungen des Bebauungsplans zu den Baugrenzen und der Anzahl der Wohneinheiten eingehalten und hierzu keine Befreiungen gewährt werden. Was die Anzahl der Wohneinheiten auf dem Baugrundstück und die dortigen Stellplätze angeht, ist die Argumentation der Antragstellerin auch nicht schlüssig. Hätten die Beigeladenen konform mit den Festsetzungen des Bebauungsplans zwei Doppelhaushälften mit vier Wohneinheiten und den dafür notwendigen acht Stellplätzen geplant, dürfte dies nach der Logik der Antragstellerin wegen der Bebauung nach Bebauungsplan keine negativen Auswirkungen auf ihre (Ab-)Wasserentsorgung haben. Es erschließt sich nicht, warum bei dem streitgegenständlichen 4-Familienhaus mit acht Stellplätzen insoweit etwas anderes gelten soll. Dass der kleine Bereich, um den die Baugrenzen und die Geschossflächenzahl überschritten werden, für sich allein schon die Erschließung des Antragstellergrundstücks bei Realisierung des Bauvorhabens gefährdet, erscheint fernliegend, zumal noch nicht alle Grundstücke im Bebauungsplangebiet bebaut sind und eine ordnungsgemäße Erschließungsplanung regelmäßig Reserven miteinplanen dürfte.
Die Befreiungen konnten somit ohne Verletzung der Rechte der Antragstellerin gewährt werden. Ob neben dem in § 31 Abs. 2 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebot die weiteren dort erwähnten Voraussetzungen für eine Befreiung erfüllt sind, bedarf keiner Entscheidung. Denn diese allein im öffentlichen Interesse liegenden Belange kann die Antragstellerin nicht zur Überprüfung stellen, nachdem von nicht nachbarschützenden Festsetzungen befreit wurde.
3. Mit dem Einwand, das Bauvorhaben erweise sich als übermäßig groß und als Fremdkörper, kann die Antragstellerin nicht gehört werden.
Wie dargelegt vermittelt das Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich keinen unmittelbaren Drittschutz. Etwas anderes kann im Hinblick auf den Gebietsprägungsanspruch des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dann gelten, wenn das Bauvorhaben von besonders großem Ausmaß ist und den Rahmen der umgebenden Bebauung sprengt (Umschlagen der Bebauung von Quantität in Qualität – vgl. BVerwG, U.v. 16.3.1995 – 4 C 3.94, U.v. 4.5.199 – 4 C 34.86 – jeweils juris). Voraussetzung hierfür wäre, dass das Vorhaben zu einem städtebaulichen Missgriff führt, es nicht mehr verträglich ist und die Umgebung das Vorhaben nicht mehr aufnehmen kann (vgl. BVerwG, U.v. 4.5.1988 – 4 C 34.86 – juris).
Davon geht das Gericht nicht aus. Das genehmigte Wohnvorhaben dürfte zwar mit Blick auf den Lageplan und die Luftbilder in der nahen Umgebung vom Ausmaß her das größte sein. Es weicht aber nicht in unverhältnismäßiger Weise von der dortigen Bebauung ab. Bei Betrachtung der Luftbilder und des Lageplans fallen einige Grundstücke auf, die in ähnlichem Umfang bebaut sind (z.B. die Grundstücke FlNrn. 218/30 und 218/27). Auch im Vergleich zum Wohnhaus der Antragstellerin auf FlNr. 218/11 fällt das Bauvorhaben der Beigeladenen nicht völlig aus dem Rahmen. Die Fläche des Bauvorhabens und dessen Höhe mit maximal 8,68 m erscheint nicht übermäßig und derart außergewöhnlich, dass das Gebäude als nicht mehr hinnehmbarer städtebaulicher Missgriff zu werten wäre.
4. Das genehmigte Bauvorhaben führt auch zu keinem Verstoß gegen das städtebauliche Rücksichtnahmegebot aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215.96 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn aber nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris). Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris).
Unzumutbare Verschattungen sind weder substantiiert geltend gemacht noch ersichtlich, zumal sich das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen östlich vom Wohngrundstück der Antragstellerin befindet.
Eine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens wegen erdrückender Wirkung für das Grundstück der Antragstellerin mit FlNr. 218/11 kann nicht angenommen werden. Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „erdrückenden“ Wirkung sind unter anderem die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2015 – 9 CS 14.2441 – juris; B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris). Eine erdrückende Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Bauvolumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2016 – 9 ZB 14.2808 – juris). Sie wurde beispielsweise ausnahmsweise bejaht für drei 11,5 m hohe Silos im Abstand von 6 m zu einem zweigeschossigen Wohnanwesen (BVerwG, U.v. 23.5.2016 – 4 C 34/85 – juris) oder auch für den Neubau eines 12-geschossigen Hochhauses neben einem zweigeschossigen Wohnhaus in einem von zwei- und dreigeschossiger Wohnbebauung geprägten Gebiet (BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris).
Dies zugrunde gelegt stellt sich das Bauvorhaben der Beigeladenen mit einer Maximallänge von knapp 20 m, einer Höhe von unter 9 m und einem Abstand zum Wohnhaus der Antragstellerin von fast 15 m unzweifelhaft nicht als erdrückend dar.
Soweit die Rücksichtlosigkeit mit den genehmigten acht Stellplätzen begründet wird, weil die dort parkenden Autos Lärm und Abgase verursachen, wird dem nicht gefolgt. Zu Recht weist der Antragsgegner in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Stellplätze für den durch die Wohnbebauung ausgelösten Bedarf als sozialadäquat zu dulden sind. Gemäß § 12 Abs. 2 BauNVO wird den Anwohnern in einem allgemeinen Wohngebiet zugemutet, dass mit einer zulässigen Grundstücksnutzung verbundene Abstellen und Einparken von Kraftfahrzeugen und den damit einhergehenden Lärm hinzunehmen. § 12 Abs. 2 BauNVO beinhaltet insoweit eine normative Duldungspflicht (vgl. BayVGH, U.v. 9.2.2004, 14 CS 03.2977 – juris). Nachbarn müssen die sich aus der Nutzung von Garagen und Stellplätzen ergebenden üblichen Störungen bei Tag und Nacht hinnehmen, wenn die Anlage in ihrem Ausmaß das Bedürfnis nicht überschreitet, das sich aus dem auf dem Grundstück zulässigerweise verwirklichten Wohnungsbestand ergibt. Besondere Umstände, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Vor allem ist zu berücksichtigen, dass die geplanten Stellplätze in einem Bereich zu den Antragstellergrundstücken FlNrn. 218/35 und 218/11 angrenzen, der von der Antragstellerin als Privatweg (FlNr. 218/35) bzw. (ebenfalls) als Parkplatz genutzt wird. Eine besondere Nähe der Stellplätze zu einem besonders schutzwürdigen Bereich des Wohngrundstücks der Antragstellerin liegt nicht vor.
Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gem. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO nicht der Antragstellerin aufzuerlegen, weil die Beigeladenen im Eilverfahren keinen Antrag gestellt haben und daher auch kein Kostenrisiko eingegangen sind.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 52, 53 Gerichtskostengesetz (GKG) unter Würdigung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.