Bankrecht

Anspruch auf Erstattung von Ausschüttungen gegen Kommanditisten bei Masseunzulänglichkeit

Aktenzeichen  3 U 16/18

Datum:
13.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26113
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 55, § 80 Abs. 1
HGB § 171 Abs. 2, § 172

 

Leitsatz

Bei Masseunzulänglichkeit darf der Insolvenzverwalter von den Kommanditisten der insolventen KG Ausschüttungen nur dann erstattet verlangen, wenn der eingezogene Betrag den Gläubigern zugute kommt, sodass aus dem eingezogenen Betrag Verfahrenskosten und sonstige Masseverbindlichkeiten nicht beglichen werden können. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 HK O 24/17 2018-01-11 Endurteil LGCOBURG LG Coburg

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Coburg vom 11.01.2018 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
II. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis spätestens 07.09.2018.

Gründe

I.
Der Kläger hat als Insolvenzverwalter der M. Gesellschaft mbH & Co. KG zunächst die Rückzahlung von Ausschüttungen, die der Beklagte als Kommanditist der Insolvenzschuldnerin erhalten hat, verlangt. Im Berufungsverfahren hat der Kläger die Sache für erledigt erklärt, der Beklagte hat sich dem widersetzt.
Die M. Gesellschaft mbH & Co. KG betrieb das Containerschiff MS „X.“, dessen Erwerb unter anderem mit den Einlagen der Kommanditisten finanziert wurde. Der Beklagte trat mit einer Hafteinlage von 85.000,- Euro der Gesellschaft bei und leistete eine Zahlung in entsprechender Höhe zuzüglich Agio in Höhe von 6.225,60 Euro. Die Jahresabschlüsse wiesen für die Jahre 2002 bis 2012 keine durch die Kommanditeinlagen gedeckte Verluste aus. Im Zeitraum 2002 -2007 erhielt der Beklagte Ausschüttungen von insgesamt 35.700,- Euro und führte im Jahr 2010 im Rahmen eines Sanierungsverfahrens 8.500,- Euro an die Gesellschaft zurück.
Auf Eigenantrag vom 22.8.2013 wurde am 06.09.2013 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet. 25 Gläubiger meldeten Insolvenzforderungen in Höhe von insgesamt 8.455.264,12 Euro zur Tabelle an, davon 2.105.402,60 Euro das Finanzamt … und 5.466.661,43 Euro die Y. Bank AG.
Zur Zeit der Klageerhebung wiesen die Insolvenzanderkonten Guthaben von 2.067.855,70 Euro und 493.930 USD auf.
Bei einem Verkauf des Schiffs nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde ein Erlös von 4,6 Mio Euro erzielt. Das FA … beanspruchte (unter Rücknahme der Forderungsanmeldung im Übrigen) daraufhin eine aus dem Verkauf des Seeschiffs resultierende Gewerbesteuerforderung von 1 Mio Euro als vorrangig zu bedienende Masseforderung gem. § 55 InsO (vgl. im Einzelnen Schreiben des Klägers vom 17.11.2017, Anlage K 17). Die Y. Bank korrigierte unter Berücksichtigung des Verkaufserlöses aus der Schiffsverwertung ihre Forderung auf 1.708.225 Euro.
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, es bestünde eine Unterdeckung von 140.349,39 Euro, weshalb der Beklagte auf Grundlage des Außenhaftungsanspruchs der Gesellschaftsgläubiger gem. § 171 II, 172 HGB Ausschüttungen in Höhe von 27.200 Euro (35.700 Euro – 8.500 Euro) zurückzuführen habe.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 27.200,- Euro nebst Zinsen zu verurteilen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es führt zur Begründung unter anderem aus, eine Einforderung der Haftsumme vom Beklagten für die Befriedigung von Insolvenzgläubigern sei nicht erforderlich. Die Forderung des Finanzamtes … sei eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Absatz 1 Nr. 1 InsO, für die der Beklagte nicht hafte. Die Steuer resultiere aus dem Verkauf des Schiffs nach Insolvenzeröffnung. Es sei damit keine Insolvenzforderung im Sinne von § 38 InsO, da sie zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht begründet gewesen sei. Berücksichtige man die Steuerforderung nicht, reiche die vorhandene Masse aus. Nach eigenem Vortrag habe der Kläger Forderungen in Höhe von knapp 3 Millionen Euro (Anlage K 16) eingezogen, dem stünden aber nur zu berücksichtigende Gläubigerforderungen im Sinne von § 38 InsO in Höhe von 2,5 Mio Euro gegenüber.
In Bezug auf die durch den Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten hafte der Kommanditist nicht. Gleiches gelte für Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 54 InsO.
Der Kläger hat mit der Berufung zunächst den ursprünglich gestellten Zahlungsantrag weiterverfolgt. Er hat zunächst unter anderem vorgetragen, die Forderung des Finanzamts … sei bereits zur Tabelle angemeldet, der Steuertatbestand mithin vor Insolvenzeröffnung gelegt gewesen. Die Umqualifizierung als Masseforderung folge aus der Rechtsprechungsänderung des BFH, ändere aber nichts daran, dass die Steuerschuld schon zuvor bestanden hätte.
Außerdem hafte der Beklagte auch für Verfahrenskosten nach § 54 InsO, § 23 I 1 VI GKG und Masseverbindlichkeiten. Die unbeschränkte Haftung des Kommanditisten ergebe sich aus der aktuellen Entscheidung des BGH vom 20.02.2018 (BGH II ZR 272/16). Eine Sondermassenbildung sei nicht erforderlich, da der Beklagte allen Gesellschaftsgläubigern gegenüber hafte.
Mit Schriftsatz vom 05.07.2018 erklärte der Kläger die Sache für erledigt, da durch zwischenzeitlichen Forderungseinzug das Insolvenzanderkonto ein Guthaben von 3.612.166,94 Euro aufweise. Eine Inanspruchnahme des Beklagten sei deshalb nicht mehr erforderlich.
Der Beklagte hat der Erledigungserklärung mit Schriftsatz vom 30.07.2018 widersprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze einschließlich Anlagen Bezug genommen.
II.
Nach der einstimmigen Auffassung des Senats ist die Berufung offensichtlich unbegründet mit der Folge, dass das Rechtsmittel keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO bietet. Zu Recht und auch mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt daher zunächst auf die zutreffenden Feststellungen im Ersturteil Bezug, die durch das Berufungsvorbringen auch nicht entkräftet werden. Die (geänderte) Klage hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie von vornherein unbegründet war und nicht erst durch ein späteres Ereignis unbegründet wurde. Zu den Berufungsangriffen sind die folgenden Anmerkungen veranlasst:
1. Zu Recht hat das Landgericht die Forderung des Finanzamtes … nicht berücksichtigt. Für außerhalb des Insolvenzverfahrens entstandene Verbindlichkeiten haftet der Gesellschafter nicht. In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass Schuldner der durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters nach Verfahrenseröffnung begründeten Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 InsO) der Insolvenzschuldner ist, sich die Haftung während des Verfahrens jedoch auf die Gegenstände der Insolvenzmasse beschränkt. Es handelt sich um eine dem Verfahren immanente Haftungsbeschränkung. Für diese ist maßgeblich, dass der Verwalter nicht befugt ist, den Schuldner persönlich mit seinem insolvenzfreien Vermögen zu verpflichten, weil seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 InsO auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen beschränkt ist. Diese Grundsätze gelten allgemein, also bei der Insolvenz einer natürlichen Person, aber auch bei der Insolvenz einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (BGH, Teilurteil vom 24. September 2009 – IX ZR 234/07 -, juris Rn. 12 ff; vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 11.06.2018, Az. 18 U 149/17).
Wie sich aus dem Klägervortrag ergibt, wurde die – von ihm in voller Höhe bestrittene – zunächst angemeldete Forderung des Finanzamtes … „in voller Höhe zurückgenommen“. Bei der Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 InsO in Höhe von 1 Mio. Euro handelt es sich um Gewerbesteuern, die aus dem Verkauf des Seeschiffs resultieren (Anlage K 16). Der Verkauf erfolgte aber erst nach der Insolvenzeröffnung. Diese Einordnung steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BFA (vgl. Urteil vom 16.15.2013 – IV R 23/11 – juris Rn. 18, 22, 25). Der Einwand des Klägers, die Forderung des Finanzamts resultiere aus der Gewerbesteuer des Jahres 2013, weshalb der Steuertatbestand vor der Insolvenzöffnung gelegt worden sei (Berufungsbegründung S. 3 = Bl. 243 d.A.), greift nicht durch, da dies nach wie vor nicht ansatzweise substantiiert dargelegt wurde und im Widerspruch zur eigenen Darstellung im Schriftsatz vom 17.11.2017 (Anlage K 16) steht.
2. Anders als der Kläger meint, haftet der Beklagte auch nicht für Massekosten und Verfahrenskosten. Eine Einziehung kommt – wie das Erstgericht zutreffend ausführt – im Falle der Masseunzulänglichkeit nur in Betracht, wenn der eingezogene Betrag den Gesellschaftsgläubigern zugute kommt. Daher können aus dem eingezogenen Betrag Verfahrenskosten und sonstige Masseverbindlichkeiten nicht beglichen werden (Haas/Mock in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 171 HGB, Rn. 62). Der Beklagte haftet für die Kosten des Insolvenzverfahrens nicht mit seinem Privatvermögen (vgl. BGH, Teilurteil vom 24. September 2009 – IX ZR 234/07 -, juris Rn. 19 ff.). Hierzu enthält die vom Kläger genannte Entscheidung des BGH vom 20.02.2018 (WM 2018, 626 – 630) keinerlei Ausführungen. Die dort behandelte Frage, inwieweit die Haftung des Kommanditisten mit der eines ausgeschiedenen Gesellschafters vergleichbar ist (Rn. 25 ff.), ist für den gegenständlichen Fall ohne Relevanz.
III.
1. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Obergerichte ab. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist geprägt durch die ihr innewohnenden Besonderheiten eines Einzelfalles. Alle Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind bereits höchstrichterlich geklärt.
2. Auch eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht veranlasst (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.
3. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens bis zur Erledigungserklärung auf 27.200,- Euro, danach auf 11.310,- Euro (Gerichtskosten: 1.218 Euro + 1624 Euro und außergerichtliche Kosten: 5.182 Euro + 3.286 Euro) festzusetzen. An die Stelle des Sachinteresses tritt das Kosteninteresse (BGH NJW 2015, 3173). Maßgebend ist die Summe der bis zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung entstandenen Kosten (BGH WuM 2016, 632).
Der Senat regt daher – unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme – die kostengünstigere Rücknahme des aussichtslosen Rechtsmittels an.

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