Aktenzeichen 414 C 26569/16
Leitsatz
Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ist im Rahmen von § 559 Abs. 1 BGB ohne Bedeutung. Nach seinem Wortlaut sind nur die „aufgewendeten Kosten“ Bemessungsgrundlage für die 11 % sind. Auch die Auslegung des § 559 Abs. 1 BGB ergibt, dass es nur auf die tatsächlich aufgewendeten Kosten ankommt. Darüber hinaus finden die Interessen der Mieter im Rahmen von § 559 Abs. 4 S. 1 BGB Berücksichtigung (hier nicht zu rechtfertigende Härte verneint bei Mieterhöhung infolge Einbau eines Lifts). (Rn. 15 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits
3) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 6.001,27,- festgesetzt.
Gründe
1) Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig nach § 29 a Nr. 1 ZPO und § 23 Nr. 2 a GVG. Im Hinblick auf eine etwaige Kündigungsmöglichkeit seitens der Beklagten im Falle der Nichtzahlung von Miete durch die Kläger und den Streit der Parteien über die Verpflichtung, einen Betrag von 220,- € monatlich als Modernisierungsmieterhöhung zu bezahlen, besteht auch ein Feststellungsinteresse bezgl. der Sachanträge Ziffer 1.
2) Die Feststellungsklage ist unbegründet. Denn die Kläger schulden auf Grund formell und materiell wirksamen Mieterhöhungsverlangens seitens der Beklagten gemäß Schreiben vom 11. Dezember 2015 (Anlage K 3) eine zusätzliche Kaltmiete in Höhe von 220,- € ab 1. März 2016.
a) Das Mieterhöhungsverlangen Anlage K 3 ist formell wirksam, weil eine nachvollziehbare Berechnung des Erhöhungsbetrages von 220,- € unter Angabe der Gesamtkosten für den Einbau des Liftes, der Gesamtwohnfläche, der pro Quadratmeter angefallenen Kosten und der auf die Wohnfläche der Kläger angefallenen Kosten vorliegt. Die Erwähnung von nicht angefallenen Erhaltungsmaßnahmen i.S.v. § 559 Abs. 2 BGB ist nicht geschuldet, das wäre eine unnötige Förmelei. Es ist auch nicht ersichtlich, dass bei einem Außenaufzug solche Erhaltungsmaßnahmen automatisch angefallen sein sollten. Die Mieterhöhung wird daher erklärt und erläutert i.S.v. § 559 b Abs. 1 BGB.
b) Das Mieterhöhungsverlangen ist auch materiell wirksam. Die Voraussetzungen des §§ 559 Abs. 1 BGB liegen vor. Es liegt eine Modernisierung nach § 555 b Nr. 4 BGB durch den Einbau des Außenlifts vor. Der Gebrauchswert der Mietsache ist nach dem Einbau des Liftes erhöht, insbesondere für die Kläger, die ihre Wohnung im 3. von 4 Obergeschossen haben. Im Schreiben der Beklagten vom 13. Februar 2015 wurde die Maßnahme gemäß § 555 c Abs. 1 BGB ordnungsgemäß angekündigt. Im Mieterhöhungsverlangen v. 11. Dezember 2015 wurde die Mieterhöhung gemäß § 559 b Abs. 1 BGB in Textform erklärt und eine Berechnung der Erhöhung aufgrund der entstandenen und aufgewendeten Kosten vorgenommen und erläutert. Gemäß § 559 b Abs. 2 S. 1 BGB ist die dort genannte Frist jedenfalls am 1. März 2016 angelaufen.
c) Entgegen der Ansicht der Kläger ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit im Rahmen von § 559 Abs. 1 BGB ohne Bedeutung. Der Gesetzeswortlaut gibt insoweit nichts dafür her. Im Gegenteil heißt es dort nur, dass die „aufgewendeten Kosten“ Bemessungsgrundlage für die 11 % sind. Bei Einführung von § 559 Abs. 1 BGB hat es bereits die Vorschrift des §§ 556 Abs. 3 S. 1 BGB, wo der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ausdrücklich erwähnt ist, gegeben. Argumentum e contrario ergibt die Auslegung von § 559 Abs. 1 BGB demnach, dass es nur auf die tatsächlich aufgewendeten Kosten ankommt. Darüber hinaus finden die Interessen der Mieter im Rahmen von § 559 Abs. 4 S. 1 BGB Berücksichtigung. Auf die Rechtsprechung des BGH vom 17. Dezember 2008, VIII ZR 41/08, ob „unnötige, unzweckmäßige oder überhöhte Aufwendungen“ bei den aufgewendeten Kosten in Höhe von 257.000 € vorliegen, kommt es bei § 559 Abs. 1 BGB demnach nicht an. Das Gericht darf auch nicht anstatt des Vermieters die Beurteilung zum Thema „unzweckmäßig oder überhöht“ treffen (zum gerichtlich nur bedingt prüfbaren Ermessen des Vermieters vgl. Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage 2017, RdNr. 59 zu § 559 die BGB). Für die Behauptung, die Beklagte habe letztlich gegen ihre Treuepflicht verstoßen, indem sie eine „Luxus-Modernisierung“ (zu diesem Begriff vergleiche Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage 2017, RdNr. 59 zu § 559 die BGB) vorgenommen habe, sind die Kläger als Mieter darlegungsbelastet. § 559 Abs. 4 S. 1 BGB zeigt, dass die Kläger als Mieter Tatsachen vortragen müssen, die dem Gericht die Prüfung der genannten Härte ermöglichen. Liegen diese Tatsachen vor, ist eine Mieterhöhung nach § 559 Abs. 4 BGB in diesem Umfang („Die Mieterhöhung ist ausgeschlossen, soweit …“) von Gesetzes wegen ausgeschlossen. Im Rahmen von § 559 Abs. 1 BGB spielt das aber – wie ausgeführt – keine Rolle.
d) Kosten für Erhaltungsmaßnahmen i.S.v. § 559 Abs. 2 BGB sind von keiner Partei vorgetragen worden. Sie kommen nach Aktenlage auch nicht in Betracht.
e) Die Kläger haben mit Schreiben v. 19.03.2015 (Anlage K 2) fristgerecht gem. § 555 d Abs. 3 BGB Härtegründe vorgebracht.
f) Eine Abwägung nach § 559 Abs. 4 BGB ist nötig, da der Außenaufzugseinbau keine Maßnahme nach § 559 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 BGB darstellt. Es liegen keine Tatsachen vor die rechtfertigen anzunehmen, dass ein Außenaufzug bei 2/3 der Wohnungen derselben Altersklasse in derselben Region vorliegt (Emmerich in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, Rn 39 zu § 559 BGB), und auch die Voraussetzungen von § 559 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 BGB liegen offensichtlich nicht vor (vom Vermieter nicht zu vertretende Umstände für den Einbau des Außenaufzugs wie z.B. eine Nachrüstpflicht).
g) Es liegt allerdings keine nicht zu rechtfertigende Härte i.S. von § 559 Abs. 4 BGB vor. Nach BGH 10.12.2013 – VIII ZR 174/13 ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Generalisierende Aussagen – etwa dazu, welche finanziellen Belastungen einem Mieter mit mittleren Einkommen noch zuzumuten sind – verbieten sich daher. Es darf nicht schematisch mit einer bestimmten Quote von Miete und Haushaltseinkommen argumentiert werden, sondern das Verhältnis von Miete und Einkommen ist lediglich ergänzend in die Überlegungen einzubeziehen. Denn feste Quoten würden im Ergebnis auf die Einführung einer weiteren Kappungsgrenze im Modernisierungsfällen hinauslaufen, die der Gesetzgeber ausdrücklich verworfen hat (Emmerich in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, Rn 36 zu § 559 BGB). Bei der stets erforderlichen Interessenabwägung (a.a.O., Rn 29 a) stehen sich nur nach die Interessen der Vertragsparteien gegenüber. Die Interessen der Familie und der Haushaltsangehörigen des Mieters werden ebenso wenig berücksichtigt wie die Interessen andere Mieter oder die Belange des Klimaschutzes und der Energieeinsparung (a.a.O., Rn. 30).
aa) Zur Härte für die Mieter: Nach Vortrag der Kläger haben diese Gesamteinnahmen in Höhe von 4.814,25 € (Anlage K 9 neu). Nach ihrem Vortrag (Blatt 50 der Akten) haben sie – ohne Berücksichtigung der Miete – Gesamtausgaben in Höhe von 1.614,4 € (Anlage K 11). Darin enthalten sind Nachhilfe-Kosten in Höhe von 215,- € für den Sohn sowie Kosten in Höhe von 100,- € für Stimmbildung und Klavierunterricht. Nach ihren Angaben haben sie damit 3.200,21 € für den Lebensunterhalt inklusive Miete zur Verfügung. Ohne die von der Beklagten verlangte Mieterhöhung in Höhe von 220,- € Kaltmiete zuzüglich 20,- € neue Betriebskostenvorauszahlung (insgesamt also 240,- € Mieterhöhung warm) haben die Kläger bisher 1.527,84 € zur Verfügung. Nach Abzug der von der Beklagten verlangten Miete in Höhe von 1.912,40 € verbleiben den Klägern damit noch 1.287,84 € zur Verfügung. Die Nettokaltmiete beträgt nach der Mieterhöhung 1.753,40 für 164 m² Wohnfläche. Das sind 10,69 € pro m². Die Beklagte hat im Termin vom 26.04.2017 den beiden Klägern die Genehmigung zur Untervermietung erteilt. Der Kläger ist nach eigenen Angaben seit Mai 2016 im Ruhestand. Die Kläger wollen gerne in ihrem räumlichen Umfeld bleiben, weil sie dort sozial und kirchlich eingebunden sind. Die Klägerin macht zusätzlich noch eine Ausbildung zur Prädikantin.
bb) Nach dem Gesetz kommt es nicht allein auf eine Härte für die Mieter an, weshalb das Bejahen einer Härte noch nicht zum Ausschluss bzw. zur einer Reduzierung der verlangten Mieterhöhung kommt. Es sind auch berechtigte Interessen des Vermieters zu berücksichtigen. In erster Linie kommt hier das Interesse der Vermieterin an der Mieterhöhung zum Tragen (dazu Börstinghaus, a.a.O., Rn 110 zu § 559 BGB). Die Beklagte hat im Termin v. 26.04.2017 schließlich unwidersprochen vorgetragen, dass sie zum Lebensunterhalt auf die Mieterhöhung angewiesen ist. Bei den im Gesetz genannten „berechtigten Interessen“ der Beklagten als Vermieterin ist im Rahmen der Abwägung nach § 559 Abs. 4 BGB auch zu prüfen, ob eine sog. „Luxusmodernisierung“ vorgenommen wurde (z.B. „brilliantbesetztes Bedien-Tableau und vergoldete Griffe“ etc.) Luxusmodernisierungen auf Kosten des Mieters soll in erster Linie durch die Härteklausel begegnet werden (Emmerich in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, Rn 29 a.E. zu § 559 BGB). In einem solchen Fall könnte die Beklagte als Vermieterin ggf. nur einen Teil der verlangten Mieterhörung (..soweit..) oder gar keine verlangen (Emmerich, a.a.O., Rn 30 a.E.). Dann läge „wirtschaftlich ganz unsinniger Aufwand oder eine reine Luxusmodemisierung“ (Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Auflage 2015, Rn 59 a.E. zu § 559 BGB) vor. Ein solcher Aufwand ist kein berechtigtes Interesse des Vermieters. Ein solcher Aufwand liegt nach dem eingeholten Sachverständigengutachten aber nicht vor:
Zu Recht hat die Beklagte auch vorgetragen, dass das von den Klägern vorgelegte Angebot Anlage K 5 schon im Hinblick auf die Anzahl der Haltestellen und die Förderhöhe nicht vergleichbar ist. Das vom Gericht aufgrund des Beweisbeschlusses v. 14.06.2017 eingeholte Sachverständigengutachten v. 05.06.2018 (Bl 90/103 d.A.) hat nicht den Nachweis erbracht, dass nur Kosten von € 120.000,- ortsüblich und angemessen sind, und dass die geltend gemachten € 257.126,10 wirtschaftlich ganz unsinniger Aufwand darstellen, letztlich eine reine Luxussanierung darstellen würden. Es wurde normales, klares Verbundsicherheitsglas verwendet. Die teilweise transluzente Ausführung hat sich preislich kaum ausgewirkt. Das von den Klägern vorgelegte Angebot Anlage K 5 hat nur 4, der tatsächlich eingebaute Aufzug aber 6 Haltestellen und eine um 3,7 m größere Förderhöhe. Die verwendeten Glastüren sind zwar deutlich teurer als geschlossene Blechtüren, solche hätte das Treppenhaus aber tagsüber deutlich dunkler gemacht und würde eine deutliche Verschlechterung der Bestandssituation darstellen. Das im hofseitigen Zugang eingebaute Glasdach samt Schwellenheizung ist ein Witterungsschutz, das in der Anlage K 5 nicht enthalten ist. Es wurden bewährte Produkte verwendet. Der Denkmalschutz wurde berücksichtigt. Der Steinfußboden ist langlebig und hat einen Reinigungsvorteil. Der Aufzug ist seniorengerecht und behindertenfreundlich. Die Ausführungen des Sachverständigen erscheinen für das Gericht insgesamt schlüssig und nachvollziehbar. Sie sind überzeugend.
Die klägerischen Ausführungen im Schriftsatz v. 18.07.2018 monieren die Rechtsauffassung des Gerichts, dass es bei § 559 Abs. 1 BGB nicht auf „notwendige“ Kosten ankommt. Fragen an den Sachverständigen sind nur bzgl. der „Notwendigkeit von Kosten“ gestellt. Da es aber aus Rechtsgründen nicht auf die Notwendigkeit von Kosten ankommt, kam keine Anhörung des Sachverständigen in Betracht.
cc) Eine Abwägung der vorgenannten Umstände führt dazu, dass 240,- € weniger zum Leben für die Kläger zwar ein nicht unerheblicher Betrag sind und auch als Härte empfunden werden können. Jedoch stellt der verbleibende Betrag von 1.287,84 € in Verbindung mit dem Umstand der Wohnungsgröße von 164² bei 6 Zimmern für 4 Personen und der Erlaubnis zur Untervermietung aus Sicht des Gerichts eine gute Möglichkeit für die Kläger dar, in ihrem gewohnten Umfeld zu bleiben. Auch wenn der Mietspiegel 2017 im Hinblick auf die Wohnungsgröße nicht unmittelbar Anwendung findet, so ist auch zu berücksichtigen, dass die neue Kaltmiete mit 10,69 €/m² a priori nicht ortsunüblich für … erscheint. Die Mieterhöhung stellt daher aus Sicht des Gerichts keine nicht zu rechtfertigende Härte dar. Die Mieterhöhung um mtl. 220,- € kalt sowie 20,- € mtl. neue Betriebskostenvorauszahlung ist daher nicht ausgeschlossen.
3) Der Zahlungsantrag Ziffer 2 ist auch unbegründet. Denn gem. 2) ist das Mieterhöhungsverlangen der Beklagten berechtigt. Dann steht den Klägern aber kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB aus Leistungskondiktion bzgl. ihrer ab März 2016 nur unter Vorbehalt geleisteten Mietzahlungen in Höhe von jeweils monatlich 220,- € zu.
4) Der Zahlungsantrag Ziffer 3 ist ebenfalls unbegründet. Wie den Klägern im Termin v. 19.04.2017 erläutert, ergibt die nach §§ 133, 157 BGB zu erfolgende Auslegung, dass die Regelung in § 17 Nr. 6 des Mietvertrags im Zusammenhang mit der Beendigung des Mietverhältnisses steht. Das Mietverhältnis der Parteien ist aber nicht beendet. Die vorgenannte Regelung kommt also nicht zum Tragen. Es ist nicht so, dass die vorgenannte Regelung „Die Versiege – lung des Parketts ist pro Jahr mit 10 % zu rechnen“ bei § 3 (Mietzins) steht. Nur dann könnte man tatsächlich annehmen, dass nach 10 Jahren die Kläger bzgl. der einmal erfolgen Position Abschleifen und Versiegeln des Parketts nichts mehr bezahlen müssten. Die von den Klägern zwischen Januar 2013 und Juli 2016 monatlich in Höhe von 21,89 € anteilig geleisteten Zahlungen sind daher nicht ohne Rechtsgrund vorgenommen worden. Ein Rückzahlungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB scheidet daher aus.
5) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
6) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf § 709 ZPO.
7) Die Berechnung des Streitwerts erfolgte gemäß §§ 3-5 ZPO, 41 Abs. 5 GKG.