Verwaltungsrecht

Sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung einer Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  11 CS 18.1494

Datum:
8.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2019, 135
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 11 Abs. 6 S. 2 u. 8 S. 1

 

Leitsatz

Es genügt den formalen Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV, in die Begutachtungsanordnung einen Hinweis auf die im Internet verfügbaren Listen der Begutachtungsstellen für Fahreignung auf den Internetseiten der Bundesanstalt für Straßenwesen (www.bast.de) aufzunehmen. Daneben bedarf es keiner Auflistung von im Umkreis des Wohnorts des Betroffenen gelegenen Begutachtungsstellen. (Rn. 11)

Verfahrensgang

RN 8 S 18.524 2018-06-28 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der im Jahr 1993 geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klasse B einschließlich Unterklassen.
Am 16. September 2017 nahm er mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,44 Promille mit einem Fahrrad am öffentlichen Straßenverkehr teil. Das Strafverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr stellte die Staatsanwaltschaft Landshut am 2. Januar 2018 nach § 153a Abs. 1 StPO endgültig ein.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2017 forderte das Landratsamt Landshut (im Folgenden: Landratsamt) den Antragsteller auf, bis 5. März 2018 ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Es sei u.a. zu klären, ob zu erwarten ist, dass der Antragsteller zukünftig ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und ob insbesondere gewährleistet ist, dass das Führen eines Kraftfahrzeugs und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum zuverlässig getrennt werden. Beigefügt war eine Liste mit 24 Begutachtungsstellen für Fahreignung. Auf der Liste ist vermerkt, dass auch jede andere Begutachtungsstelle für Fahreignung ausgewählt werden könne, die von der Bundesanstalt für Straßenwesen akkreditiert sei. Auf der Internetseite www.bast.de würden Listen mit aktuellen Begutachtungsstellen gezeigt.
Da der Antragsteller kein Gutachten vorlegte, entzog ihm das Landratsamt mit Bescheid vom 5. April 2018 die Fahrerlaubnis aller Klassen, forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, den Führerschein innerhalb einer Woche abzugeben und ordnete die sofortige Vollziehung an. Da der Antragsteller das zu Recht angeordnete Gutachten nicht beigebracht habe, müsse auf seine Ungeeignetheit geschlossen werden. Der Antragsteller hat den Führerschein am 12. April 2018 abgegeben.
Über den gegen den Bescheid vom 5. April 2018 erhobenen Widerspruch hat die Regierung von Niederbayern nach Aktenlage noch nicht entschieden. Dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht Regensburg hinsichtlich der Pflicht zur Vorlage des Führerscheins stattgegeben, da diesbezüglich das besondere Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs nicht hinreichend begründet worden sei. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Die Gutachtensaufforderung sei rechtmäßig und der Antragsteller habe kein Gutachten vorgelegt. Es sei unbedenklich, dass das Landratsamt nicht alle in Betracht kommenden Untersuchungsstellen in einem bestimmten Umkreis zum Wohnort des Betroffenen aufgezählt, sondern nur eine Liste mit 24 in Betracht kommenden Stellen beigefügt habe.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt. Der Antragsteller macht geltend, die Gutachtensaufforderung sei rechtswidrig, da nicht alle Begutachtungsstellen genannt gewesen seien, die für den Antragsteller in einer zweistündigen Autofahrt erreichbar seien. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV, wonach die für die Untersuchung in Betracht kommende Stelle oder Stellen angegeben werden müssten. Die beigefügte Liste sei nicht vollständig gewesen. Sieben Begutachtungsstellen in München, Augsburg, Buchloe, Nürnberg und Erlangen seien nicht genannt worden. Eigene Internetrecherchen seien nicht zumutbar, denn es sei nicht erkennbar, ob es sich bei Anbietern im Internet um amtlich anerkannte Begutachtungsstellen handele.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass der angefochtene Entziehungsbescheid rechtswidrig wäre.
Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. Mai 2018 (BGBl I S.566), darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn die Anordnung ihrerseits rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr., zuletzt BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.). Da die Anordnung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens nicht isoliert anfechtbar ist, stellt die Rechtsprechung an sie strenge Anforderungen, die im Falle einer Folgemaßnahme (hier die Entziehung der Fahrerlaubnis) inzident zu prüfen sind.
Zu den Anforderungen an die Beibringungsaufforderung gehört unter anderem, dass die Behörde dem Betroffenen nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV die für die Untersuchung in Betracht kommende Stelle oder Stellen angibt.
Gemessen an diesen Vorgaben ist die Begutachtungsanordnung rechtmäßig und es konnte nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Ungeeignetheit des Antragstellers geschlossen werden. Die Begutachtungsanordnung leidet schon deshalb nicht an einem formalen Mangel nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV, da auf die beiden übersichtlich geordneten, vollständigen und aktuellen Listen auf den Internetseiten der Bundesanstalt für Straßenwesen hingewiesen worden ist, auf denen alle akkreditierten Begutachtungsstellen zu finden sind. Dieser Hinweis genügt den Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV und eine Auflistung einzelner Begutachtungsstellen ist daneben nicht erforderlich. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen es einem Kraftfahrer unzumutbar sein soll, im Internet unter www.bast.de die aktuellen Listen aufzurufen und sich eine Begutachtungsstelle herauszusuchen. Sollte ein Kraftfahrer tatsächlich über keinen Internetzugang verfügen, kann er sich an die Behörde wenden, die ihm dann eine aktuelle Liste oder einen Auszug daraus ausdrucken kann.
Selbst wenn durch das Landratsamt kein Hinweis auf die Listen im Internet erfolgt wäre, wäre es entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht erforderlich, alle für den Antragsteller in einer zweistündigen Autofahrt erreichbaren Begutachtungsstellen ausdrücklich zu nennen, um die Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV zu erfüllen (a.A. VG Oldenburg, B.v. 10.8.2010 – 7 A 1458/10 – juris Rn. 19). Es trifft zwar zu, dass Begutachtungsstellen anzugeben sind und das völlige Fehlen einer Angabe die Begutachtungsanordnung rechtswidrig macht (vgl. VG München, B.v. 11.10.2016 – M 26 S 16.3697 – ZfSch 2016, 719). Dem Wortlaut des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV ist aber nicht zu entnehmen, wie die Auswahl aus den im Bundesgebiet zahlreich vorhandenen und für jeden Verkehrsteilnehmer frei wählbaren Begutachtungsstellen erfolgen soll. Eine Entfernung entsprechend einer zweistündigen Autofahrt vom Wohnort des Betroffenen ist jedenfalls kein sinnvolles Kriterium, denn es ist nicht ersichtlich, wie eine solche Abgrenzung durch die Fahrerlaubnisbehörde rechtssicher getroffen werden könnte. Die Auswahl muss demgegenüber nur willkürfrei erfolgen und kann sich auch auf eine begrenzte Zahl an Stellen im näheren Einzugsbereich der Fahrerlaubnisbehörde oder des Wohnsitzes des Betroffenen beschränken. Dass die Auswahl hier willkürlich erfolgt ist, hat der Antragsteller weder vorgetragen noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich. Außerdem erweckt die vom Landratsamt übersandte Anlage nicht den Anschein der Vollständigkeit, sondern enthält den ausdrücklichen Hinweis, der Antragsteller könne das Gutachten unabhängig von den Vorschlägen des Landratsamts bei jeder entsprechend qualifizierten Stelle erstellen lassen.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, Anh. § 164 Rn. 14).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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