Arbeitsrecht

Einspruchsfrist, Ausdruck, Versäumnisurteil, Einspruch, Wiedereinsetzung, gerichtlicher Hinweis, Erkrankung

Aktenzeichen  3 Ca 416/18

Datum:
1.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 22503
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Weiden
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ArbGG § 59
ZPO § 340, § 341 Abs. 1 S. 2, § 694 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Ein innerhalb der Einspruchsfrist eingereichtes Entschuldigungsschreiben für das Ausbleiben im Termin kann als Einspruch zu werten sein, wenn darin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird, dass das Versäumnisurteil nicht gelten soll (im Anschluss an BAG v. 11.3.1971, 5 AZR 184/70).
2. Eine trotz gerichtlichen Hinweises auf die Versäumnisurteilsproblematik insoweit kommentarlos eingereichte Klageerwiderung nach Ablauf der Einspruchsfrist verhilft dem Entschuldigungsschreiben nicht zur Wertung als Einspruch, da ein Vergessen oder lgnorieren des Einspruchserfordernisses zur Rechtskraft des Versäumnisurteils führt (im Anschluss an BGH v. 09.06.1994, lX ZR 133/93).

Gründe

Da innerhalb der einwöchigen Einspruchsfrist ( § 59 ArbGG) kein formgerechter Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingegangen war, war der Rechtsbehelf des Einspruchs durch Endurteil zu verwerfen gem. § 341 I 2 ZPO.
Das Schreiben der Beklagten vom 28.5.2018 stellt keinen Einspruch i.S.d. §§ 338 ff. ZPO dar. Notwendiger Inhalt einer Einspruchsschrift ist nach § 340 II ZPO die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird. Daran fehlt es hier. Im Weiteren muss nach § 340 II Nr. 2 ZPO die Einspruchsschrift die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde. Auch daran fehlt es hier.
Zwar ist bei der Prüfung, ob ein Einspruch eingelegt worden ist, nicht unnötig formalistisch vorzugehen. Daher ist anerkannt, dass das Wort „Einspruch“ nicht zwingend verwendet werden muss. Andererseits dürfen im Interesse der Rechtssicherheit und Klarheit von Prozesshandlungen bei der Beurteilung, ob eine Erklärung als Einspruch aufzufassen ist, keine unnötigen Zweifel verbleiben. Es muss dem Gericht unzweideutig klar werden, dass das Verfahren weiterbetrieben werden soll und sich die betroffene Partei gegen das Versäumnisurteil zur Wehr setzen will. Hierzu genügt jeder Ausdruck (z.B. „Widerspruch“ oder „Berufung“), der erkennen lässt, dass die Partei das VU nicht gegen sich gelten lassen will (vgl. Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 340 Rn. 4). Solche oder ähnliche Bekundungen fehlen hier auch. Es liegt nur ein Entschuldigungsschreiben bezüglich des Termins vom 16.5.2018 vor.
Da ein solches Schreiben in Bezug auf das vorausgegangene Versäumnisurteil von seiner Bedeutung her unklar ist – es kann sich schlicht aus Höflichkeit um eine Begründung für das Ausbleiben im Termin ohne weiteren Erklärungswert handeln, eine Entschuldigung ist auch keine Voraussetzung für einen zulässigen Einspruch -, kann ein Entschuldigungsschreiben wegen unterbliebener Wahrnehmung eines Termins nach dem Bundesarbeitsgericht nur dann als Einspruchsschrift gegen ein Versäumnisurteil angesehen werden, wenn es wenigstens erkennen lässt, die säumige Partei wolle auch etwaigen nachteiligen prozessualen Folgen ihrer Säumnis begegnen (vgl. BAG vom 11.3.1971, 5 AZR 184/70; vgl. auch Baumbach/ Lauterbach/ Albers/ Hartmann ZPO, 75. Aufl., § 340 Rn. 6a „Entschuldigung“; Germelmann/ Matthes/ Prütting, ArbGG, § 59 ArbGG Rn. 25). Auch letzteres ist hier nicht erkennbar. Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte etwaigen nachteiligen prozessualen Folgen ihrer Säumnis begegnen wollte. Auch Hinweise der Klagepartei vom 18.6.2018 und des Gerichts vom 19.6.2018 auf die Problematik haben trotz hierzu gesetzter Schriftsatzfrist keine Aufklärung erbracht, da sich die Beklagte zur Versäumnisurteilsthematik schlicht nicht erklärt hat.
Die kommentarlos unter dem 24.7.2018 innerhalb der verlängerten Frist zur Stellungnahme zur Einspruchsproblematik eingereichte Klageerwiderung vermag das Schreiben vom 28.5.2018 ebenfalls nicht mehr in ein anderes Licht zu rücken. Der Bundesgerichtshof hat hierzu überzeugend entschieden, dass es zwar richtig sei, dass eine Klageerwiderung nur sinnvoll sei, wenn das Verfahren nicht bereits rechtskräftig abgeschlossen war. Diese Überlegung reicht aber nicht aus, um über die Auslegung oder Umdeutung doch zu einem Einspruch zu gelangen. Dass die Beklagte sich mit einer sachlichen Stellungnahme zur Klage begnügt hat, kann auch darauf beruhen, dass sie schlicht vergessen hat, rechtzeitig Einspruch einzulegen. In diesem Fall aber hat die Klagepartei unzweifelhaft Anspruch darauf, dass die Gerichte die infolge des versäumten Einspruchs eingetretene Rechtskraft des Versäumnisurteils respektieren (vgl. BGH vom 9.6.1994 IX ZR 133/93; gegen ein Verständnis einer reinen Klageerwiderung mit Abweisungsantrag als Einspruch auch OLG Köln vom 27.4.2001, 10 UF 60/01 u. 10 WF 41/01). Nicht anders kann es sich verhalten, wenn die säumige Partei das Erfordernis eines rechtzeitigen Einspruchs schlicht ignoriert oder negiert. Für einen so gelagerten Sachverhalt spricht, dass sich die Beklagte trotz ausdrücklichen Hinweises auf die Problematik durch Kläger und Gericht und trotz explizit hierzu eingeräumter Schriftsatzfrist im Ergebnis jedenfalls nach außen weigert, sich mit dem Versäumnisurteil und damit dem Erfordernis eines fristgerechten Einspruchs auseinanderzusetzen. Jedenfalls konnte im Rahmen der Anhörung hierzu kein weiterer Auslegungsstoff zu Gunsten der Beklagten ermittelt werden.
Im Weiteren spricht gegen eine Umdeutungsmöglichkeit einer Verteidigungsanzeige oder Klageerwiderung in einen Einspruch, dass der darin – in der Klageerwiderung – erklärte Wille sich gegen den Klageanspruch, aber nicht gegen die zusprechende richterliche Entscheidung richtet, und es an einer gesetzlichen angeordneten Umdeutung – wie für den Widerspruch in § 694 II ZPO – im Falle des Einspruchs fehlt (so Prütting/Gehrlein, ZPO, 10. Aufl., 2018, § 340 Rn. 7; OLG Köln a.a.O.).
Eine Interpretation des einzigen fristgerecht eingegangenen Schreibens vom 28.5.2018 als Einspruch verbietet sich daher. Das Klarheitsgebot für die Erfordernisse einer Einspruchsschrift nach § 340 ZPO muss jedenfalls in seinen Grundzügen aufrechterhalten bleiben. Der Verdacht, dass sich die säumige Partei schon „auf irgendeine Weise“ gegen die Klage verteidigen wolle, kann schon aus Kostengründen nicht ausreichen. Außerdem bestünde bei einer so weitgehenden Aufweichung der Formvorschrift des § 340 ZPO dann auch die Gefahr, dass mit der Zeit auch der Rechtsgrundsatz (vgl. BAG vom 13.12.1995, 4 AZN 576/95) in Frage gestellt wird, dass ein Rechtsbehelf oder Rechtsmittel nicht unter einer Bedingung bzw. eventualiter eingelegt werden darf (so OLG Koblenz Beschluss vom 20.4.2000 – 1 W 283/00).
Danach konnte ein frist- und formgerechter Einspruch nicht festgestellt werden. Vor der Entscheidung wurde die Beklagte zur Thematik angehört, so dass sie ggf. noch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die vom Gericht mitgeteilte Versäumung der Einspruchsfrist hätte prüfen und stellen können (vgl. Germelmann/ Matthes/ Prütting, § 59 ArbGG Rn. 42).
Der Einspruch war daher durch Endurteil als unzulässig zu verwerfen, § 341 ZPO.
Die Kosten wurden entsprechend § 97 I ZPO verteilt.
Der Streitwert wurde gem. § 61 I ArbGG, 42 II GKG festgesetzt.
Ein gesetzlich begründeter Anlass für eine gesonderte Berufungszulassung bestand nicht, § 64 III ArbGG.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden ergehen, §§ 341 II ZPO, 55 I Nr.4a, 55 II ArbGG.

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