Aktenzeichen M 8 M 18.51372
RVG § 15 Abs. 2, § 16 Nr. 5
Leitsatz
Die Tätigkeit eines sowohl im Ausgangsverfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO als auch im nachfolgenden Abänderungsverfahren gemäß § 80 Abs. 7 VwGO beauftragten Rechtsanwalts betrifft nach § 16 Nr. 5 RVG „dieselbe Angelegenheit“ im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG. Ist der Rechtsanwalt in beiden Verfahren tätig geworden, entstehen seine Gebühren bereits im Ausgangsverfahren und sind im Abänderungsverfahren nicht nochmals erstattungsfähig (Anschluss an VGH Mannheim BeckRS 2011, 55855). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Erinnerung der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 14. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts München vom 14. Dezember 2017.
Mit Beschluss vom 19. Juni 2017 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Antrag der Antragstellerin im Verfahren M 8 S 17.51402 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Asylklage vom 26. Mai 2017 (M 8 K 17.51403) ab und erlegte der Antragstellerin in Ziff. II. des Tenors die Kosten des Verfahrens auf. Nachdem die Parteien ein Verfahren nach § 80 Absatz 7 VwGO (M 8 S7 17.52960) für erledigt erklärt hatten, da die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Bescheid aufgehoben hatte, wurde das Verfahren eingestellt und in Ziffer II. des Tenors dieses Beschlusses die Kosten der Antragsgegnerin auferlegt.
Mit Antrag vom 15. November 2017 beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin die im Antragsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO entstandenen Kosten in Höhe von 334,75 EUR festzusetzen.
Mit Beschluss vom 14. Dezember 2017 lehnte der Urkundsbeamte des Bayerischen Verwaltungsgerichts München diesen Antrag ab.
Auf die Begründung des Beschlusses wird verwiesen.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. Dezember 2017 die Entscheidung des Gerichts. Die der Antragspartei entstandenen Kosten seien aufgrund der Entscheidung im Abänderungsverfahren der Beklagten aufzuerlegen.
Der Urkundsbeamte half dem Antrag nicht ab und legte ihn mit Schreiben vom 9. Mai 2018 dem Gericht zur Entscheidung vor.
Mit Schreiben vom 4. Juni 2018 beantrage die Antragsgegnerin,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Zur Begründung verwies sie darauf, dass eine Kostenerstattung der Antragstellerin nicht zustehe. Nach § 16 Ziff. 5 RVG seien das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und jedes Verfahren auf deren Abänderung eine Angelegenheit. Die Gebühren dürften gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG in derselben Angelegenheit nur einmal gefordert werden. Ein Rechtsanwalt, der bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO tätig geworden ist, könne daher für das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO zwar dort erstmals angefallene, nicht aber erneut Gebühren erstattet verlangen.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten auch in den Verfahren M 8 K 17.51403, M 8 S 17.51402 und M 8 S7 17.52960 Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Über die Erinnerung entscheidet das Gericht in der Besetzung, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde, hier also durch den Einzelrichter nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Die zu erstattenden Kosten eines Prozessbeteiligten setzt der Urkundsbeamte des Gerichts gemäß § 164 VwGO auf Antrag fest. Gemäß § 165 S. 1 VwGO i.V.m. § 151 VwGO können die Beteiligten die Festsetzung der zu erstattenden Kosten anfechten.
Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
Eine Verfahrensgebühr ist im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht (erneut) entstanden, nachdem sie schon im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (M 8 S 17.51402) entstanden war. Die Tätigkeit eines sowohl im Ausgangsverfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO als auch im nachfolgenden Abänderungsverfahren gemäß § 80 Abs. 7 VwGO beauftragten Rechtsanwalts betrifft nach § 16 Nr. 5 RVG „dieselbe Angelegenheit“ im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG (so auch VG Oldenburg, B.v. 27.6.2014 – 3 B 1544/14). Denn das Abänderungsverfahren gemäß § 80 Abs. 7 VwGO ist im Verhältnis zum Ausgangsverfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kein gesonderter Rechtszug im Sinne dieser Vorschrift. Das Gericht entscheidet im Abänderungsverfahren nicht als Rechtsmittelgericht über den früheren Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern als Gericht des ersten Rechtszugs. Das stellt § 16 Nr. 5 RVG als speziellere Regelung nunmehr auch vergütungsrechtlich klar. Diese Regelung beruht auf dem Grundgedanken, dass zwischen dem Abänderungsverfahren und dem vorausgegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig ein enger sachlicher und rechtlicher Zusammenhang besteht, der die Zusammenfassung der Verfahrensabschnitte zu einer gebührenrechtlichen Einheit rechtfertigt. Für beide Verfahren geht das Gesetz typisierend davon aus, dass der Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts im Wesentlichen bereits im vorausgegangenen Verfahrensabschnitt entstanden und damit durch die bereits angefallene Gebühr abgegolten ist (VG Münster, B.v. 8.5.2014 – 6 L 776/13.A – juris). Ist der Rechtsanwalt also – wie im vorliegenden Fall – in beiden Verfahren tätig geworden, entstehen seine Gebühren für diesen Rechtszug bereits im Ausgangsverfahren und sind im Abänderungsverfahren nicht – nochmals – erstattungsfähig (VGH Baden-Württemberg, B.v. 8.11.2011 – 8 S 1247/11 – juris).
Da das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht eine besondere Art des Rechtsmittelverfahrens darstellt, sondern ein gegenüber dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO selbständiges neues Verfahren ist, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern die Neuregelung der Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts für die Zukunft in einem von dem ergangenen Beschluss abweichenden Sinn ist, bleibt davon auch die Kostengrundentscheidung des Beschlusses nach § 80 Abs. 5 unberührt (BayVGH, B.v. 1.8.2007 – 14 CS 07.670 – juris, Rn. 15; VG Sigmaringen, B.v. 30.3.2011 – 5 K 3036/10 – juris m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 80 Rn. 199). Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 9. November 2017 (M 8 S7 17.52960) wurde lediglich aufgrund der Erledigungserklärungen der Parteien das Verfahren eingestellt und die Kosten der Antragsgegnerin auferlegt, das vorangegangene Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO wird jedenfalls hinsichtlich der Kostenentscheidung nicht berührt.
Die von der Bevollmächtigten der Antragstellerin geltend gemachten Gebühren sind nach Maßgabe dessen bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO angefallen und können nur in diesem abgerechnet werden. Sie können demnach nicht erst im anschließenden Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO anfallen und dort geltend gemacht werden. Ohne Einfluss auf dieses Ergebnis bleibt auch, ob dem Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO eine stattgebende oder eine ablehnende Entscheidung mit der entsprechenden Kostenfolge im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorausgegangen ist (vgl. im Hinblick auf die Anwendung des § 40 Abs. 2 BRAGO: BVerwG, B.v. 23.7.2003 – 7 KSt 6.03 – juris). Das führt auch nicht vor dem Hintergrund zu einem unbilligen Ergebnis, dass ein im Ausgangsverfahren obsiegender Beteiligter die Vergütung seines Rechtsanwalts erstattet bekommt, während dies für einen im Abänderungsverfahren obsiegenden Beteiligten nur gilt, soweit er im Ausgangsverfahren anwaltlich noch nicht (oder anderweitig) vertreten war. Eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung liegt darin nicht. Die unterschiedliche Behandlung findet ihren sachlichen Grund in dem § 162 VwGO zu Grunde liegenden Prinzip des Kostenrechts, dass erstattungsfähige Kosten durch das jeweilige gerichtliche Verfahren verursacht sein müssen (vgl. VG Berlin, B.v. 31.10.2012 – 35 KE 32.12, 334 L 222.11 A – juris).
Die zusätzliche anwaltliche Tätigkeit im Abänderungsverfahren wird daher vergütungsrechtlich nicht gesondert honoriert. Daraus folgt, dass die Verfahrensgebühr im ursprünglichen Verfahren M 8 S 17.51402 angefallen ist und nicht erst im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO geltend gemacht werden kann.
Erstmals im Abänderungsverfahren entstandene Kosten könnten hingegen von der Antragstellerin im Wege der Kostenfestsetzung geltend gemacht werden. Die Kostenerstattung hierfür erfolgt entsprechend der Kostengrundentscheidung für das Abänderungsverfahren. Derartige Aufwendungen sind hier aber nicht geltend gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 83b AsylVfG).
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).