Erbrecht

Ausschlagung der Erbschaft vor ausländischem Nachlassgericht

Aktenzeichen  VI 3739/14

Datum:
4.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 47436
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Rosenheim
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1943, § 1944 Abs. 2 S. 1, § 1945 Abs. 1
EGBGB Art. 25 Abs. 1
FamFG § 105, § 343
EuErbVO Art. 13

 

Leitsatz

1. Die deutschen Gerichte sind in allen Verfahren nach dem FamFG dann international zuständig, wenn sie auch örtlich zuständig sind. Für das Recht der Erbschaftsausschlagung bedeutet dies, dass das deutsche Nachlassgericht stets international zuständig ist, wenn es gem. § 343 FamFG örtlich zuständig ist. Die sich aus §§ 105, 343 FamFG ergebende internationale Zuständigkeit erfasst die Entgegennahme von Ausschlagungserklärungen über den gesamten inländischen und ausländischen Nachlass, unabhängig davon, ob dieser nach deutschem oder ausländischem Erbrecht zu beurteilen ist. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Weiterleitung der Ausschlagungserklärung ohne Wissen und Willen der Ausschlagenden an das zuständige Gericht ist weder mit der Abgabe der Erklärung vor diesem Gericht noch mit der Weiterleitung der Erklärung durch das aufnehmende an das zuständige (entgegennehmende) Gericht auf Betreiben der Ausschlagenden gleichzusetzen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Art. 13 EuErbVO ist in Zusammenhang mit Art. 28 lit. b) EuErbVO zu interpretieren. Er gestattet die Abgabe der Ausschlagungserklärung nach der jeweiligen Ortsform und erklärt zusätzlich die Gerichte der Mitgliedstaaten zur Aufnahme (nicht aber – trotz des Wortlauts -zur Entgegennahme) entsprechender Ausschlagungen für zuständig. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Erbscheinsantrag des Beteiligten KDB wird zurückgewiesen.
2. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
Der am 03.06.2014 in B. A. verstorbene, mit seiner Familie in der Schweiz wohnhaft gewesene Erblasser war deutscher Staatsbürger. Er hinterließ seine Ehefrau A. B.B., die gemeinsame eheliche Tochter S. L. B. sowie zwei weitere Kinder, L. K. und L. A. B..
Der Nachlass umfasst neben mehreren Immobilien in der Schweiz unter anderem auch Grundbesitz in Überlingen. Die Witwe des Erblassers und seine Kinder haben die Erbschaft noch im Jahr 2014 gegenüber dem dafür zuständigen Schweizer Bezirksgericht Uster nach Schweizer Recht wirksam ausgeschlagen. Die Ausschlagungserklärungen wurden dem hiesigen Nachlassgericht auf entsprechende Anforderung am 16.08.2016 (Eingang) vom Bezirksgericht zugeleitet.
Die Söhne des Erblassers bzw. deren gesetzliche Vertreterinnen wurden am Verfahren beteiligt, haben sich jedoch nicht geäußert. Die Beteiligte A. B.-B. hat mitteilen lassen, sie wolle mit der Sache nichts mehr zu tun haben.
Der Vater des Erblassers, K.-D. B., hat seine am 04.06.2015 verstorbene Ehefrau alleine beerbt.
Er begehrt mit am 18. Mai 2016 notariell beurkundetem Antrag die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, wonach er und seine vorverstorbene Ehefrau den Erblasser zu je 1/2 beerbt haben.
Zwischenzeitlich war auch die Rede von einem Antrag, wonach er Alleinerbe geworden sei (Schriftsatz vom 05.12.2016, Seite 2). Hilfsweise beantragt er, einen Erbschein zu erteilen, wonach er und seine vorverstorbene Gattin unter Beschränkung auf die im Inland befindlichen Nachlassgegenstände in Anwendung deutschen Rechts Erben zu je 1/2 geworden seien (Schriftsatz vom 29.12.2016, Seiten 3/4).
Er ist der Ansicht, Witwe und Kinder des Erblassers hätten die Erbschaft in der Schweiz auch mit Wirkung für den in Deutschland belegenen Nachlass ausgeschlagen. Die Erbschaft sei deshalb den Eltern des Erblassers angefallen. Der Vater des Erblassers sei als Alleinerbe seiner Frau berechtigt, den Erbscheinsantrag zu stellen. Gesonderter Ausschlagungserklärungen gegenüber dem deutschen Nachlassgericht habe es nicht bedurft. Das Gericht habe die Beteiligten auch nicht entsprechend informiert. Für Witwe und Kinder des Erblassers habe keinerlei Veranlassung bestanden, ein zweites Mal auszuschlagen.
II.
Der Erbscheinsantrag ist ungeachtet seiner Fassung im Einzelnen zurückzuweisen, weil der Antragsteller nicht Erbe seines Sohnes geworden ist. Gesetzliche Erben sind dessen Witwe (§ 1931 Abs. 1 BGB) und Kinder (§ 1924 Abs. 1 BGB), da sie die Erbschaft nicht wirksam ausgeschlagen haben und diese deshalb als angenommen gilt (§ 1943 BGB).
Auch der Hilfsantrag kann aus diesem Grunde keinen Erfolg haben.
Die gegenüber dem Schweizer Gericht erklärten und nach Schweizer Recht wirksamen Ausschlagungserklärungen entfalten für das in Deutschland gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F. nach deutschem Erbrecht zu führende Nachlassverfahren keine Wirkung.
1. Die Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem deutschen Nachlassgericht, § 1945 Abs. 1 Teilsatz 1 BGB (vgl. MüKoBGB/Leipold, 7. Aufl. 2017, BGB § 1945 Rn.11). Zuständiges Nachlassgericht ist das Amtsgericht Rosenheim, § 343 Abs. 1 FamFG (in der ab 01.09.2009 bis 16.08.2015 gültigen Fassung).
a) Soweit ein deutsches Nachlassgericht örtlich zuständig ist, besitzt es seit Geltungsbeginn des FamFG nach § 105 FamFG auch die internationale Zuständigkeit, unabhängig davon, ob der Erbfall nach deutschem oder ausländischem Recht zu beurteilen ist. Dies hat auch für die Entgegennahme einer Ausschlagungserklärung zu gelten (MüKoBGB/Leipold, 6. Aufl. 2013, BGB § 1945 Rn. 1-22, beck-online). Die deutschen Gerichte sind in allen Verfahren nach dem FamFG dann international zuständig, wenn sie auch örtlich zuständig sind. Für das Recht der Erbschaftsausschlagung bedeutet dies, dass das deutsche Nachlassgericht stets international zuständig ist, wenn es gem. § 343 FamFG örtlich zuständig ist. Die sich aus §§ 105, 343 FamFG ergebende internationale Zuständigkeit erfasst die Entgegennahme von Ausschlagungserklärungen über den gesamten inländischen und ausländischen Nachlass, unabhängig davon, ob dieser nach deutschem oder ausländischem Erbrecht zu beurteilen ist (BeckOGK/Heinemann BGB § 1945 Rn. 25, beck-online m.w.N.).
Gegenüber dem deutschen Nachlassgericht ist eine Ausschlagungserklärung vorliegend nicht abgegeben worden.
b) Der Umstand, dass das Schweizer Bezirksgericht die bei ihm im Jahr 2014 eingegangenen Ausschlagungserklärungen an das inländische Nachlassgericht weitergeleitet hat, ändert nichts am Fehlen einer nach deutschem Recht wirksamen Ausschlagung. Denn selbst der Empfang der Erklärungen durch ein inländisches örtlich unzuständiges AG wäre nur hinreichend, falls es die Erklärung an das zuständige Gericht weiterreicht (Jauernig/Stürner BGB § 1945 Rn. 1-4, beck-online). Auch dann muss die Erklärung dort vor Ablauf der Ausschlagungsfrist eingehen (vgl. MüKoBGB/Leipold, 6. Aufl. 2013, BGB § 1945 Rn. 11). Vorliegend hat das ausländische Gericht die Erklärungen erst zwei Jahre nach deren Abgabe auf Anforderung des deutschen Nachlassgerichts übermittelt.
Diese Weiterleitung ohne Wissen und Willen der Ausschlagenden an das zuständige Gericht ist weder mit der Abgabe der Erklärung vor diesem Gericht noch mit der Weiterleitung der Erklärung durch das aufnehmende an das zuständige (entgegennehmende) Gericht auf Betreiben der Ausschlagenden gleichzusetzen. Vorliegend kommt hinzu, dass die Erklärenden der Überzeugung waren, sie hätten mit der Ausschlagung gegenüber dem Bezirksgericht Uster alles Erforderliche getan, um die Erbschaftsangelegenheit für sich abzuschließen. Mit einer Weiterleitung ihrer einseitigen, amtsempfangsbedürftigen Willenserklärung (MüKoBGB/Leipold BGB § 1945 Rn. 2-3, beck-online) in einem ihnen unbekannten Verfahren an einen anderen Adressaten hatten sie nicht gerechnet. Dass ihre Erklärungen aus ihrer Sicht gleichsam zufällig Jahre später zum Nachlassgericht Rosenheim gelangten, ist ihnen nicht zuzurechnen.
Sogar unter der Geltung der EuErbVO (Art. 13 EuErbVO) käme im Übrigen bei der gegebenen Sachlage eine wirksame Ausschlagung durch deren Erklärung vor einem Schweizer Gericht nicht in Betracht, weil die Schweiz Drittstaat ist und zudem Art. 13 EuErbVO nicht die Empfangszuständigkeit delegiert. Art. 13 EuErbVO ist in Zusammenhang mit Art. 28 lit. b) EuErbVO zu interpretieren. Er gestattet die Abgabe der Ausschlagungserklärung nach der jeweiligen Ortsform und erklärt zusätzlich die Gerichte der Mitgliedstaaten zur Aufnahme (nicht aber – trotz des Wortlauts -zur Entgegennahme) entsprechender Ausschlagungen für zuständig (BeckOGK/Heinemann BGB § 1945 Rn. 28, beck-online).
2. Inwieweit künftig eine fristgerechte Erklärung der Ausschlagung vor dem Nachlassgericht Rosenheim noch erfolgen könnte, weil die Witwe und die Kinder des Erblassers unter Umständen einem im Rahmen des § 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB beachtlichen Rechtsirrtum (vgl. MüKoBGB/Leipold, 7. Aufl. 2017, BGB § 1944 Rn.13) unterlegen sein könnten, braucht hier nicht entschieden zu werden. Ob eine solche Ausschlagung noch erfolgt, ist zumindest ungewiss, da die genannten Beteiligten jedenfalls derzeit offenbar kein Interesse mehr am gegenständlichen Nachlassverfahren haben und das Schweizer Verfahren ihren Rechtskreis infolge der nach dortigem Recht wirksamen Ausschlagungen -soweit ersichtlich nicht mehr berührt.
III.
Wer die Gerichtskosten des gegenständlichen Verfahrens trägt, ergibt sich aus dem Gesetz (GNotKG). Für eine Kostenentscheidung nach § 81 FamFG sieht das Gericht keinen Anlass.
IV.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts nach Maßgabe des § 40 GNotKG erfolgt gesondert, nachdem die Beteiligten Gelegenheit hatten, sich zum Geschäftswert zu äußern.

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