Baurecht

Kein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für einen Carport im Außenbereich

Aktenzeichen  M 9 K 17.5688

Datum:
20.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23853
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 5, Nr. 7

 

Leitsatz

Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens hindert das Landratsamt nicht, dem Einzelbauvorhaben eine anderslautende Darstellung im Flächennutzungsplan entgegenzuhalten.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger als Gesamtschuldner haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf die beantragte Baugenehmigung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO.
Das Vorhabengrundstück liegt im Außenbereich. Dem von jeglicher weiterer Bebauung weit abgesetzten Weiler M. fehlt es mit zwei Landwirtschaften und dem auf dem klägerischen Grundstück befindlichen Wohnhaus (an das ein weiteres Wohnhaus angebaut ist) am hinreichenden Gewicht für einen eigenen Ortsteil (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.1994 – 4 B 77.94 – juris, wonach es bei nur vier prägenden Gebäuden hierzu keiner weiteren Ausführungen bedarf). Die klägerischen Hinweise auf eine „Vielzahl“ von Nebengebäuden und das mittlerweile entfernte Ortsschild vermögen daran nichts zu ändern. Maßgeblich ist nur die maßstabsbildende Bebauung – und dies sind grundsätzlich nur Gebäude, die zum Daueraufenthalt von Menschen dienen. Ein ehemals etwaig vorhandenes Ortsschild ist für die Abgrenzung von Innen- und Außenbereich von vorn herein bedeutungslos (vgl. BayVGH, B.v. 10.9.2009 – 14 ZB 09.425 – juris); ein Straßenverkehrszeichen kann nicht über bauplanungsrechtliche Fragen bestimmen.
Das sonstige Vorhaben beeinträchtigt jedenfalls die Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 5 und 7 BauGB.
Der Umstand, dass die Beigeladene ursprünglich ihr Einvernehmen zum Bauvorhaben erteilte, ist nicht geeignet, den Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB (Darstellung: Landwirtschaft) „auszuschalten“. Den Darstellungen des Flächennutzungsplanes kommt durch das Flächennutzungsplanverfahren, insbesondere durch die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der Bürger sowie durch die Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde gegenüber dem schlichten planerischen Willen der Gemeinde im Rahmen eines singulären Gemeinderatsbeschlusses eine „gesteigerte Richtigkeitsgewähr“ zu (vgl. dazu OVG SH, B.v. 31.8.1998 – 1 L 3914/98 – juris). Zu beachten ist weiter, dass die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens ein reines Verwaltungsinternum ist und dass das Landratsamt den Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB selbstständig zu prüfen hat und dabei durch das positive Votum der Gemeinde im Einzelfall nicht etwa gebunden ist. Das Landratsamt muss sich vielmehr an die Darstellungen des Flächennutzungsplans halten und darf nicht der punktuellen Ansicht einer bestimmten Zusammensetzung des Gemeinderats im Rahmen einer Einzelbaugenehmigung folgen. Andernfalls wäre der Aushöhlung der Darstellungen des Flächennutzungsplans durch abweichende Einzelbeschlüsse im Rahmen der Beteiligung nach § 36 BauGB Tür und Tor geöffnet. Weiter ist zu beachten, dass die Beigeladene den Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB gerade beeinträchtigt sah – und nur wegen einer nicht näher ausgeführten „Untergeordnetheit“ des Carports zur Erteilung des Einvernehmens kam. Ein Carport in den geplanten Dimensionen aber ist keinesfalls untergeordnet, weswegen die Überlegungen der Beigeladenen im Ablehnungsbescheid zu Recht nicht aufgegriffen wurden.
§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB setzt nicht voraus, dass ein „ansehnlicher“ Bereich beeinträchtigt wird. Der Belang der natürlichen Eigenart der Landschaft, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB, beinhaltet nicht nur eine optisch-ästhetische Komponente, sondern dient insbesondere auch der Bewahrung der funktionellen Bestimmung der Landschaft. Eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft kommt nur dann nicht in Betracht, wenn sich das Baugrundstück wegen seiner natürlichen Beschaffenheit weder für die Bodennutzung noch für Erholungszwecke eignet oder es seine Schutzwürdigkeit durch bereits erfolgte anderweitige Eingriffe eingebüßt hat (statt aller VG München, U.v. 8.11.2017 – M 9 K 16.5428 – juris m.w.N.). Letzteres ist hier nicht der Fall. Insbesondere bewirken die diversen Ablagerungen auf dem Grundstück nicht, dass die natürliche Beschaffenheit des Vorhabengrundstücks sich dahingehend geändert hätte, dass die natürliche Eigenart der Landschaft verloren gegangen wäre. Denn abgesehen davon, dass es nicht im Belieben des Grundstückseigentümers steht, diese Rechtsfolge willentlich herbeizuführen, ändert die Lagernutzung nichts an der Eignung des Grundstücks für die Bodennutzung bzw. für Erholungszwecke.
Schließlich lässt der Carport schon aufgrund der von dem Bauvorhaben ausgehenden Vorbildwirkung eine unzulässige Verfestigung der bestehenden Splittersiedlung befürchten, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB (vgl. z.B. auch OVG NW, B.v. 29.2.2016 – 2 A 248/15 – juris).
Damit kommt es nicht mehr darauf an, ob dem Carport auch § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB (Gefährdung der Wasserwirtschaft bzw. des Hochwasserschutzes) entgegenstünde. Diesbezüglich wird deshalb nur ergänzend angemerkt, dass vorliegend nicht die Frage der Notwendigkeit einer gesonderten wasserrechtlichen Erlaubnis in Rede steht, sondern die Frage, ob der Carport einen öffentlichen Belang im Rahmen von § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt. Es ist zweifelhaft, ob die Stellungnahme des Sachgebiets 42, Wasserrecht dem ausreichend Rechnung trägt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen den Klägern aufzuerlegen hätte nicht der Billigkeit entsprochen, da sich die Beigeladene nicht mittels Antragstellung in ein Kostenrisiko begeben hatte. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.

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