Arbeitsrecht

Verletzung des Mitbestimmungsrechts bei Änderung der Arbeitszeit

Aktenzeichen  M 20 P 16.5201

Datum:
19.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 54135
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPVG Art. 70 Abs. 7,Art. 75 Abs. 4 S. 1 Nr. 1
VwGO § 67 Abs. 2 S. 1
ArbGG § 11 Abs. 2 S.2

 

Leitsatz

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BayPVG dadurch verletzt ist, dass die Dienststelle die Änderung der Arbeitszeiten für die Organisationseinheit P1 Herzkatheder von ursprünglich 20.30 Uhr bis 7.30 Uhr auf 18.00 Uhr bis 7.30 Uhr (Rufbereitschaft) und von ursprünglich 12.18 Uhr bis 20.30 Uhr auf 10.00 Uhr bis 18.12 Uhr (Spätdienst) ab September 2016 ohne Zustimmung des Personalrats vorgenommen hat.
II. Der Gegenstandswert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller verfolgt das Ziel der Feststellung der Verletzung seines personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmungsrechts nach Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BayPVG.
Im Antragsschriftsatz vom 16. November 2016 gab der Bevollmächtigte des Antragstellers an, dass dem Personalrat am 2. September 2016 ein Schreiben des Beteiligten vom 1. September 2016 zugegangen sei, wonach ein Antrag auf Änderung der Dienstzeit/Arbeitszeit für die Organisationseinheit P1 Herzkatheder beantragt worden sei. Die Änderung der Dienstzeit von bisher 20.30 Uhr bis 7.30 Uhr sei auf künftig 18.00 Uhr bis 7.30 Uhr beantragt worden. Die Abteilung sei nicht mehr in der Lage, die bisherigen Arbeitszeiten bis 20.30 Uhr zu leisten. Als Zeitpunkt der Änderung sei angegeben: „Im Nachgang an die Personalratssitzung“.
Am 5. September 2016 habe der Personalrat einen weiteren Antrag auf Änderung der Dienstzeit/Arbeitszeit für die Organisationseinheit P1 Herzkatheder, der die Änderung der bisherigen Arbeitszeit von 12.18 Uhr bis 20.30 Uhr auf 10.00 Uhr auf 18.12 Uhr beinhaltet habe, erhalten. Die Änderung sei damit begründet worden, dass sich die Endzeit aus Mangel von Personal von 20.30 Uhr auf 18.12 Uhr reduziere. Als Zeitpunkt der Änderung sei angegeben gewesen: „Im Nachgang an die Personalratssitzung“.
Mit Schreiben des Personalratsvorsitzenden vom September 2016 habe dieser mitgeteilt, dass er noch Informationen benötige.
Am 15. September 2016 habe der Personalrat einen weiteren Antrag auf Änderung einer Dienstzeit/Arbeitszeit erhalten, wonach die Arbeitszeit (Rufbereitschaft) befristet bis zum 31. Dezember 2016 von ursprünglich 20.30 Uhr bis 7.30 Uhr auf 18.00 Uhr bis 7.30 Uhr geändert habe werden sollen. Als Zeitpunkt sei der 1. Oktober 2016 angegeben worden.
Tatsächlich sei die Arbeitszeit jedoch bereits zuvor geändert worden, soweit dem Personalrat bekannt, bereits seit 1. September 2016.
Mit Schreiben vom 15. September 2016 sei dem Personalratsvorsitzenden mitgeteilt worden, dass der Spätdienst von 12.18 Uhr bis 20.30 Uhr entfallen müsse, weil viele Mitarbeiter eingearbeitet werden müssten, welche den Spätdienst noch nicht leisten könnten. Es sei mitgeteilt worden, dass der Arbeitszeitantrag/Spätdienst zurückgezogen werde, da die Spätschicht von 10.00 Uhr bis 18.12 Uhr in dieser Form schon Bestand habe.
Mit Schreiben vom 22. September 2016 habe der Personalratsvorsitzende darauf hingewiesen, dass die geplante Änderung der Arbeitszeit nochmal der Mitbestimmung zugeführt werden müsse und sich erkundigt, welche Arbeitszeiten aktuell von den Beschäftigten gearbeitet würden.
Mit Schreiben vom 30. September 2016 sei dem Personalratsvorsitzenden mitgeteilt worden, dass die beiden Frühdienste von 7.30 Uhr bis 15.42 Uhr und von 7.30 Uhr bis 13.30 Uhr sowie der Spätdienst von 10.00 Uhr bis 18.12 Uhr von den Beschäftigten des Herzkatheders bereits geleistet würden.
Hieraus folge, dass die beantragten Änderungen der Arbeitszeiten bereits umgesetzt worden seien.
Mit E-Mail vom 5. Oktober 2016 habe der Personalratsvorsitzende geantwortet und mitgeteilt, dass die Änderung der Arbeitszeit des Spätdienstes der Mitbestimmung unterliege. Er habe darauf hingewiesen, dass sowohl der Spätdienst als auch der Rufdienst ohne Mitbestimmung des Personalrats Anwendung finde und darauf verwiesen, dass dies ein klarer Verstoß gegen das Bayerische Personalvertretungsgesetz darstelle.
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2016 an den Personalratsvorsitzenden sei ausgeführt, dass der Bereich vor der Stellung des Arbeitszeitantrags in einem drei Schichtmodell gearbeitet habe, die Spätschicht derzeit jedoch aufgrund der Personalsituation ausfalle, d. h. nur die Frühschicht und die Zwischenschicht, die als Spätschicht fungiere, sowie der Rufdienst besetzt würden. Darüber hinaus wurde mitgeteilt, dass nach interner Rücksprache mit dem Bereich eine Änderung der Dienstzeiten des Spätdienstes nun doch notwendig sei und deshalb dem Personalrat der Antrag erneut zur Zustimmung vorgelegt worden sei.
Entsprechend habe der Personalrat am 13. Oktober 2016 einen weiteren Antrag auf Änderung einer Dienstzeit/Arbeitszeit von ursprünglich 12.18 Uhr bis 20.30 Uhr auf 10.00 Uhr bis 18.12 Uhr erhalten. Als Zeitpunkt der Änderung sei der 1. November 2016 benannt.
Tatsächlich sei die Arbeitszeit jedoch bereits zuvor geändert worden, soweit dem Personalrat bekannt, bereits seit 1. September 2016.
Mit E-Mail vom 13. Oktober 2016 habe der Personalratsvorsitzende mitgeteilt, dass er den Antrag auf Änderung der Dienstzeit, der erstmalig am 5. September 2016 beim Personalrat eingereicht worden sei, erhalten habe. Er habe auf den umfangreichen Schriftverkehr hingewiesen und wiederholt, dass eine rückwirkende Zustimmung zu einer Änderung nach den Regelungen des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes nicht möglich sei. Der Personalrat wisse ja, dass die Dienstzeiten seit 1. Oktober gelebt würden.
Mit Schreiben vom 21. Oktober 2016 sei mitgeteilt worden, dass das Personalratsgremium in seiner ordentlichen Sitzung am 18. Oktober 2016 den Antrag auf Änderung der Arbeitszeit für die Abteilung Herzkatheder abgelehnt habe, da eine rückwirkende Zustimmung gar nicht möglich sei und die Mitbestimmung bei der Einführung der Arbeitszeit gröblich verletzt worden sei.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2016 sei der Personalratsvorsitzende erneut um Prüfung des Antrages in der nächsten Personalratssitzung gebeten worden.
Mit Schreiben vom 3. November 2016 habe der stellvertretende Personalratsvorsitzende mitgeteilt, dass Verständnis für das Anliegen der Dienststelle bestehe und ein großer Wert auf vertrauensvolle Zusammenarbeit gelegt werde, diese jedoch auf Gegenseitigkeit beruhen müsse. Seit dem Ablehnungsbeschluss vom 18. Oktober 2016 habe sich nach Kenntnis des Personalrats nichts verändert, da weder das Arbeitszeitmodell ausgesetzt worden sei noch ein ordentliches Mitbestimmungsverfahren eingeleitet worden sei.
Eine erneute Prüfung des Antrags mache daher in den Augen des Personalratsgremiums keinen Sinn.
Im Monatsgespräch vom 26. Oktober 2016 habe der Leiter der Personalabteilung festgestellt, dass sich das Gremium die Mühe nicht zu machen brauche, vor dem Verwaltungsgericht feststellen zu lassen, dass die Mitbestimmung nicht beachtet worden sei, da dies dem Personalrat auch so bestätigt werden könnte.
Dennoch sei die Änderung der Arbeitszeit seitens der Dienststelle nicht beendet worden, um das Mitbestimmungsverfahren ordnungsgemäß nachzuholen. Zwar habe die Personalabteilung bereits zu erkennen gegeben, dass sie selbst erkannt habe, dass das Mitbestimmungsrecht des Personalrats verletzt worden sei. Dennoch sei die Änderung der Arbeitszeit nicht rückgängig gemacht worden und der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden, obwohl dies möglich gewesen sei. Es bedürfe daher eines gerichtlichen Beschlusses, der dem Beteiligten sein rechtswidriges Verhalten vor Augen halte. Es sei davon auszugehen, dass sich dieser sodann rechtskonform verhalten werde. Aus Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BayPVG ergebe sich, dass die Zustimmung des Personalrats vorliegen müsse, bevor der Arbeitgeber die Arbeitszeit ändere. Das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers sei deshalb verletzt.
Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2017 beantragte der Beteiligte den Antrag abzulehnen.
Der Sachverhalt werde von der Antragstellerseite grundsätzlich zutreffend dargestellt. Der Grund im Ablehnungsbeschluss vom 18. Oktober 2016 zur Verweigerung der Zustimmung sei unbeachtlich. Der Antragsteller habe in seinem Schreiben vom 21. Oktober 2016 angegeben, dass eine rückwirkende Zustimmung nach den Regelungen des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes nicht möglich wäre. Dies sei zwar grundsätzlich zutreffend. Der Beteiligte habe jedoch zu keinem Zeitpunkt eine rückwirkende Zustimmung beantragt. Beginn sollte vielmehr der 1. November 2016 sein. Es sei auch die Fiktionswirkung des Art. 70 Abs. 2 Satz 5 BayPVG eingetreten. Zuletzt sei nochmals mit Schreiben vom 27. Oktober 2016 um Zustimmung zu den beiden Arbeitszeitmodellen gebeten worden. Mit Antwortschreiben vom 3. November 2016 habe der Antragsteller ausgeführt, dass sich bedauerlicherweise seit dem Ablehnungsbeschluss vom 18. Oktober 2016 nichts verändert habe, weder sei das Arbeitszeitmodell ausgesetzt worden, noch ein ordentliches Mitbestimmungsverfahren eingeleitet worden. Eine erneute Prüfung des Antrags habe daher keinen Sinn. Eine ausdrückliche Zustimmungsverweigerung liege daher nicht vor. Damit gelte die Maßnahme als gebilligt.
Mit Schriftsatz vom 13. März 2017 erwiderte der Bevollmächtigte des Antragstellers, dass eine rückwirkende Zustimmung nach den Regelungen des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes nicht möglich sei. Ob eine rückwirkende Zustimmung beantragt worden sei, sei dabei irrelevant, da der Antrag jedenfalls fehlerhaft gewesen sei. Als Grund für die Zustimmungsverweigerung sei zudem angegeben worden, dass den Beschäftigten durch die neue Arbeitszeit eindeutige Nachteile entstünden. Es sei auch keine Billigungsfiktion eingetreten.
Mit Schreiben vom 21. Januar 2018 erwiderte der Beteiligte, dass die Änderungen der Arbeitszeit für die Rufbereitschaft und den Spätdienst bereits zum 1. September 2016 umgesetzt worden seien. Eine Zustimmung des Personalrats für diese Änderung habe zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden. Grund für die vorzeitige Umsetzung sei die bestehende massive Personalknappheit gewesen. Somit sei die Änderung der Dienstzeit zunächst ohne Zustimmung des Personalrats umgesetzt worden. Gemäß den Vorgaben des Art. 70 Abs. 7 BayPVG sei das Mitbestimmungsverfahren beim Personalrat unverzüglich eingeleitet worden.
Das Gericht hat die Beteiligten am 19. Juni 2018 mündlich angehört.
Der Antragsteller stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 16. November 2016:
Es wird festgestellt, dass das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BayPVG dadurch verletzt ist, dass die Dienststelle die Änderung der Arbeitszeiten für die Organisationseinheit P1 Herzkatheder von ursprünglich 20.30 Uhr bis 7.30 Uhr auf 18.00 Uhr bis 7.30 Uhr (Rufbereitschaft) und von ursprünglich 12.18 Uhr bis 20.30 Uhr auf 10.00 Uhr bis 18.12 Uhr (Spätdienst) ab September 2016 ohne Zustimmung des Personalrats vorgenommen hat.
Der Beteiligte beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Auf die Niederschrift der mündlichen Anhörung wird ebenso Bezug genommen wie für die weiteren Einzelheiten auf den gesamten Inhalt der Gerichtsakte.
II.
Der zulässig erhobene Antrag ist begründet.
Der Beteiligte verletzt das dem Antragsteller nach Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BayPVG eingeräumte Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit dadurch, dass die Änderung der Arbeitszeit (Rufbereitschaft und Spätdienst) bereits zum 1. September 2016 umgesetzt wurde. Der Antrag auf Zustimmung hierzu ging beim Personalrat erst danach ein.
Die Schreiben der Personalabteilung auf Zustimmung des Personalrats zur Änderung der Rufbereitschaft vom 1. September 2016 und auf Änderung des Spätdienstes vom 5. September 2016 sind dem Personalrat erst am 2. September 2016 bzw. 5. September 2016 zugegangen. Wie der Beteiligte selbst im Schriftsatz vom 31. Januar 2018 vorgetragen hat, wurde die Arbeitszeit aber bereits zum 1. September 2016 geändert.
Eine nachträgliche Zustimmung des Personalrats mit rückwirkender Kraft ist nicht zulässig. Die Zustimmung muss vorliegen, ehe die Maßnahme von der Dienststelle durchgeführt wird (vorherige Zustimmung), unabhängig davon, ob später eine Fiktion der Zustimmung nach Art. 70 Abs. 2 Satz 5 BayPVG eingetreten ist (Aufhauser/Warga/Schmitt-Moritz, Komm. z. BayPVG, 8. Auflage 2016, Art. 70 Rn. 6 und 11).
Es liege auch keine vorläufige Regelung vor.
Nach Art. 70 Abs. 7 BayPVG kann der Leiter der Dienststelle bei Maßnahmen, die der Natur nach keinen Aufschub dulden, bis zur endgültigen Entscheidung vorläufige Regelungen treffen. Er hat dem Personalrat die vorläufige Regelung mitzuteilen, zu begründen und unverzüglich das Verfahren nach den Absätzen 2, 4 und 5 einzuleiten oder fortzusetzen.
Aus den Schreiben der Personalabteilung an den Personalrat ist aber in keinster Weise erkennbar, dass hier eine vorläufige Regelung getroffen werden sollte. Es wurde auch das Mitbestimmungsverfahren insoweit nicht eingeleitet. Vielmehr hat der Beteiligte ein normales Mitbestimmungsverfahren eingeleitet, aber zu spät, nämlich bereits nach Umsetzung der Änderung der Arbeitszeit.
Unerheblich ist auch, ob die Gründe des Personalrats, weshalb er der Maßnahme nicht zustimmen wollte, im Sinne von Art. 75 Abs. 2 BayPVG beachtlich sind oder nicht.
Die Gegenstandswertfestsetzung orientiert sich mit Zustimmung der Beteiligten an § 52 Abs. 2 GKG.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Befristeter Arbeitsvertrag – Regelungen und Ansprüche

Dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einem befristeten Vertrag eingestellt werden, ist längst keine Seltenheit mehr. Häufig taucht der Arbeitsvertrag auf Zeit bei jungen Mitarbeitenden auf. Über die wichtigsten Regelungen und Ansprüche informieren wir Sie.
Mehr lesen

Krankschreibung – was darf ich?

Winterzeit heißt Grippezeit. Sie liegen krank im Bett und fragen sich, was Sie während ihrer Krankschreibung tun dürfen und was nicht? Abends ein Konzert besuchen? Schnell ein paar Lebensmittel einkaufen? Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Regeln.
Mehr lesen