Arbeitsrecht

Erstattungsfähigkeit von Reise- und Übernachtungskosten

Aktenzeichen  M 4 M 17.3032

Datum:
14.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 31560
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 151, § 165

 

Leitsatz

Soweit die Bundeswehr sich für bestimmte Verfahren bundesweit vom Bundesamt für Personalmanagement vertreten lässt, sind die hierdurch entstehenden Reise- und Übernachtungskosten sowie das Tagegeld zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig und erstattungsfähig. (Rn. 14 und 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Gerichts, mit dem diese antragsgemäß neben dem Pauschalsatz für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen auch Anreisekosten des Behördenvertreters zur mündlichen Verhandlung, Hotelübernachtungskosten und Tagegeld anerkannt und festgesetzt hat.
Der Antragsteller hatte am 11. August 2011 beim Verwaltungsgericht München Klage gegen die Antragsgegnerin auf Zahlung eines Auslandsverwendungszuschlags nach § 8f WSG i.V.m. § 58a BBesG a.F. erhoben, die das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 28. Juni 2016 abgewiesen hat (M 4 K 13.373). Die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsteller auferlegt. Der Streitwert wurde auf 777,10 EUR festgesetzt.
Mit Schreiben vom 6. Februar 2017 beantragte die Antragsgegnerin die Festsetzung der (außergerichtlichen) Kosten i.H.v. 492,20 €.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Mai 2017 setzte die Urkundsbeamtin des Gerichts die Kosten i.H.v. 487,40 € fest; sie berücksichtigte hierbei u.a. die geltend gemachten Reisekosten, die Übernachtungskosten und das Tagegeld. Der Antragsgegnerin wurde der Beschluss gegen Empfangsbekenntnis am 19. Mai 2017 zugestellt, ein Empfangsbekenntnis des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers befindet sich nicht den Akten.
Mit Schreiben vom 1. Juni 2017, bei Gericht am selben Tag per Telefax eingegangen, beantragte der Antragsteller die Entscheidung des Gerichts.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die geltend gemachten Kosten für Reisen, Übernachtung und Tagegeld, seien nicht gemäß § 162 Abs. 1 VwGO erstattungsfähig, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig gewesen seien. Anlässlich eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entstandene Personalkosten, also das geltend gemachte Tagegeld, gehörten schon nicht zu den erstattungsfähigen Kosten. Die Reise- und Übernachtungskosten seien nicht erstattungsfähig, weil die Antragsgegnerin gegen ihre Verpflichtung, den Prozess so ökonomisch wie möglich zu führen, verstoßen habe. Anstatt einen Mitarbeiter aus … … anreisen zu lassen, wäre es der Antragsgegnerin trotz der Verlagerung der Aufgaben der Personalabrechnung seit dem 1. Juli 2013 möglich gewesen, sich von Mitarbeitern/Juristen aus dem Bereich der Wehrbereichsverwaltungen …, also quasi eigenen Mitarbeitern, oder von einem in … ansässigen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Die Antragsgegnerin sei in der Lage gewesen, den Rechtsstreit im Bundesamt für Personalmanagement (in … …*) so gründlich vorzubereiten, dass ihr die Information eines in Süddeutschland ansässigen Mitarbeiters bzw. ortsansässigen Rechtsanwalts per Telekommunikation zumutbar gewesen sei. Es hätte nicht der Anwesenheit eines Mitarbeiters aus … … bedurft, zumal die Angelegenheit keinen hohen Sachverstand erfordert habe. Als verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei hätte die Antragsgegnerin die in Rechnung gestellten Kosten nicht als sachdienlich ansehen dürfen und insbesondere im Hinblick auf den niedrigen Streitwert andere, erheblich kostengünstigere Maßnahmen ergreifen müssen.
Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung nicht ab und legte sie mit Entscheidung vom 4. Juli 2017 dem Gericht zur Entscheidung vor. Das Tagegeld sei gemäß § 6 JVEG i.V.m. § 4 Abs. 5 EStG ein erstattungsfähiger Posten für außergerichtliche Aufwendungen der Beteiligten. Das Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr mit Sitz in … … sei für die Bundeswehr zuständig, weshalb die Reisekosten nicht hätten gemindert werden können.
Mit Schreiben vom 28. September 2017 nahm die Antragsgegnerin Stellung. Nach § 1 BMVgWidKlaZustAnO seien Entscheidungen über Widersprüche und Klagen gegen beamtenrechtliche Maßnahmen eines Truppenteils oder einer militärischen Dienststelle im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr übertragen worden. Die Zuständigkeit zur Prozessführung sei aufgrund dieser Binnengliederung auf das Referat PA 1.1 in … … übertragen worden. Auf externe Berater/Beklagtenvertreter werde nicht zugegriffen. Die Wehrbereichsverwaltung … in … und die Außenstelle in … seien zum 30. Juni 2013 aufgelöst worden.
Auf telefonische Nachfrage teilte Herr … vom Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr dem Gericht am 13. Juni 2018 mit, dass das Referat in … … quasi das zuständige Justiziariat sei und bundesweit in gerichtlichen Verfahren vertrete. Es gebe in … noch das sog. BWDLZ, das Bundeswehrdienstleistungszentrum, die frühere Standortverwaltung (StOV), die sich um die Liegenschaftsverwaltung kümmere und das sog. Karrierecenter, das sich um Rekrutierung kümmere. Beide Einheiten verfügten nicht über zur Prozessvertretung qualifizierte Mitarbeiter. Bei Beauftragung eines Rechtsanwalts wären an Stelle der Reisekosten Kosten für dessen Beauftragung angefallen.
Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht Bezug auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren M 4 K 13.373.
II.
Die Erinnerung hat keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist.
Zuständig für die Entscheidung über die Erinnerung ist die Kammer (§§ 165 S. 2, 151 S. 1 VwGO). Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten nämlich in der Besetzung, in der die zu Grunde liegende Kostenlastentscheidung getroffen wurde (BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – NVwZ-RR 2004, 309). Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit (§ 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO). § 87a Abs. 1, Abs. 3 VwGO begründet nur dann eine Zuständigkeit des Berichterstatters, wenn die Entscheidung „im vorbereitenden Verfahren” ergeht. Diese Voraussetzung ist jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn – wie hier – eine mündliche Verhandlung vor dem Spruchkörper stattgefunden hat und das Verfahren darin beendet worden ist (BVerwG, B.v. 29.12.2004 – 9 KSt 6/04 – NVwZ 2005, 466, beck-online).
Die nach den §§ 165, 151 Satz 1 VwGO statthafte Erinnerung ist auch im Übrigen zulässig. Es ist nämlich zugunsten des Antragstellers davon auszugehen, dass die Erinnerung innerhalb der Zweiwochenfrist des §§ 165, 151 Satz VwGO erhoben wurde, da ein Empfangsbekenntnis des Antragstellers nicht zur Akte gelangt ist.
Die zulässige Erinnerung ist jedoch nicht begründet, weil die Urkundsbeamtin die Kosten für Tagegeld, Reise- und Übernachtungskosten zu Recht angesetzt hat.
Gemäß § 162 Abs. 1 VwGO erfassen die erstattungsfähigen Kosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Die Notwendigkeit einer Aufwendung muss aus der Sicht einer verständigen Partei beurteilt werden. Dabei ist jeder Beteiligte aus dem prozessrechtlichen Verhältnis heraus verpflichtet, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten (BVerwG, B.v. 20.8.2014 – 9 KSt 3.14 – BeckRS 2014, 56038 Rn. 2, sog. Gebot der sparsamen Prozessführung). Eine Partei ist verpflichtet, ihre Kosten so niedrig zu halten, wie sie sich bei Berücksichtigung ihrer berechtigten Belange – jedoch unter Beachtung einer möglichst wirtschaftlichen Prozessführung – ergeben. Abzustellen ist darauf, was für einen Beteiligten zumutbar ist, der einerseits seine sachgerechte Prozessführung und andererseits auch die Interessen der Gegenseite, die Auslagen möglichst niedrig zu halten, im Auge behält (vgl. VG Würzburg, B.v. 6.11.2012 – W 6 M 12.30232 – BeckRS 2012, 59798).
Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die von der Antragsgegnerin verursachten Kosten als zur Rechtsverteidigung notwendige Aufwendungen zu werten. Die Antragsgegnerin war insbesondere unter Berücksichtigung ihrer berechtigten Belange nicht verpflichtet, einen anderen als den nach der internen Verteilung zuständigen Mitarbeiter an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu lassen, weshalb die geltend gemachten Reise- und Übernachtungskosten ebenso wie das Tagegeld zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren. Reisekosten zum Zweck der Terminswahrnehmung sind nämlich grundsätzlich erstattungsfähig (vgl. m.w.N. VG Berlin, B.v. 23.7.2012 – VG 35 KE 19.12 – BeckRS 2012, 55266). Die Anreise eines Bediensteten der Antragsgegnerin bzw. der sie im Klageverfahren vertretenden Behörde, des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr in … …, ist nicht zu beanstanden.
Eine Parallele zu der Rechtsprechung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für einen auswärtigen Rechtsanwalt lässt sich schon von vornherein nicht ziehen. Nach dieser Rechtsprechung sind die Kosten eines auswärtigen Rechtsanwalts nur ausnahmsweise dann in vollem Umfang erstattungsfähig, wenn der konkrete Nachweis geführt werden kann, dass es notwendig war, gerade diesen auswärtigen Anwalt zu beauftragen, weil er z.B. über nötige Spezialkenntnisse verfügt oder weil ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht (vgl. die Darstellung in VG Würzburg, B.v. 6.11.2012 – W 6 M 12.30232 – BeckRS 2012, 59798). Im Unterschied zum Beklagten hat es ein Kläger in der Hand, einen Rechtsanwalt – unter Berücksichtigung kostenrechtlicher Auswirkungen – zu wählen. Der Beklagte hat hingegen keine Wahlmöglichkeit, denn er verteidigt sich (nur) in einem gegen ihn geführten Rechtsstreit. Ausweislich des Vortrags der Antragsgegnerin vertritt sie in den von ihr genannten Verfahren bundesweit vor Gerichten und beauftragt keine Bevollmächtigten – was im Übrigen ebenfalls Kosten verursachen würde.
Dass sich die Antragsgegnerin durch eigene Mitarbeiter der zuständigen Einheit in der mündlichen Verhandlung vertreten lässt, ist von ihrem Recht auf angemessene Verteidigung – das neben dem Anspruch auf rechtliches Gehör auch das Äußerungsrecht gegenüber dem Gericht umfasst (Art. 103 Abs. 1 GG) – auch kostenrechtlich gedeckt. Das Verwaltungsprozessrecht ist vom Grundsatz der Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung geprägt (§ 101 Abs. 1 VwGO). Diese Regelung soll u.a. den Beteiligten ermöglichen, ihren Standpunkt darzulegen und gebietet es, den Beteiligten Gelegenheit zu geben, an einem Termin zur mündlichen Verhandlung teilzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2008 – 19 C 08.1 – Rn 8, BeckRS 2009, 34198). Wegen eines niedrigen Streitwerts oder der Nichterforderlichkeit eines „hohen Sachverstands“ von der Antragsgegnerin zusätzliche Kostenminderungsmaßnahmen zu verlangen, verstößt gegen deren berechtigte Belange zur angemessenen Prozessführung.
Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin nachvollziehbar ausgeführt, dass die vom Antragsteller angeführten Verwaltungseinheiten nicht mehr existieren und das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr in … nicht über einen Beschäftigten verfügt, der mit der Streitsache vertraut war. Das Gebot der sparsamen Prozessführung gebietet es nicht, dass sich die Behörde im Termin durch einen mit der Sache zuvor nicht befassten, ortsansässigen Bediensteten vertreten lassen muss und hierdurch womöglich ein erhöhtes Risiko des Unterliegens im Prozess hat. Eine derart weitreichende Rücksichtnahme liefe dem berechtigten Interesse der Behörde an einer effektiven Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zuwider und kann von ihr daher nicht erwartet werden. Der Behörde kann nicht angelastet werden, dass sie die Entscheidung, wen sie als Terminsvertreter entsendet, an ihrer inneren Organisation ausrichtet. Das Risiko höherer Prozesskosten, das sich im Fall seines Unterliegens aus der tatsächlichen Behördenorganisation ergibt, geht der Kläger mit der Entscheidung, einen Prozess anzustrengen, ein (vgl. VG Berlin B.v. 23.7.2012 – VG 35 KE 19.12, BeckRS 2012, 55266).
Die Beauftragung eines ortsansässigen Rechtsanwalts ihrerseits hätte ebenfalls Kosten verursacht, die der Antragsteller zu tragen hätte. Es ist – auch unter Berücksichtigung des Gebots einer sparsamen Prozessführung – nicht Aufgabe der Antragsgegnerin, eine hypothetische Vergleichsrechnung aufzustellen, ob die evtl. Fahrt- und Übernachtungskosten oder die Beauftragung eines ortsansässigen Rechtsanwalts im Fall des Unterliegens des Antragstellers geringere Kosten für diesen verursacht. So könnte es sich beispielsweise ergeben, dass eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich wird; in diesem Fall hätte die Antragsgegnerin durch die Beauftragung eines ortsansässigen Rechtsanwalts zusätzliche Kosten verursacht. Allein aus diesem Beispiel ergibt sich, dass die Antragsgegnerin nicht gehalten ist, ihre Rechtsverteidigung in erster Linie unter das Diktat der Kostenminimierung zugunsten des Antragstellers zu stellen. Dies ist jedoch das, was der Antragsteller mit seiner Erinnerung in der Sache geltend macht.
Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören die geltend gemachten Reise- und Übernachtungskosten für die Teilnahme am Termin der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2016 um 9.30 Uhr.
Sowohl die Fahrtkosten, die Übernachtungskosten als auch das Tagegeld waren danach angemessen und sind vom Antragsteller zu erstatten. Die Erinnerung war deshalb zurückzuweisen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens, § 154 Abs. 1 VwGO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Befristeter Arbeitsvertrag – Regelungen und Ansprüche

Dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einem befristeten Vertrag eingestellt werden, ist längst keine Seltenheit mehr. Häufig taucht der Arbeitsvertrag auf Zeit bei jungen Mitarbeitenden auf. Über die wichtigsten Regelungen und Ansprüche informieren wir Sie.
Mehr lesen