Sozialrecht

Unfallfürsorge – Anerkennung eines Körperschadens als Unfallfolge

Aktenzeichen  3 B 14.802

Datum:
13.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17225
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG § 30, § 31 Abs. 1 S. 1, § 52 Abs. 2 S. 1
BayBeamtVG Art. 100 Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

1. Für die Unfallfürsorge ist das Recht maßgeblich, dass zum Zeitpunkt des Unfallereignisses gegolten hat, sofern sich nicht eine Neuregelung ausdrücklich Rückwirkung beimisst. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Anspruch auf Unfallfürsorge ist nur dann anzuerkennen, wenn der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Körperschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Es besteht kein Grundsatz des Inhalts, dass die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ im Dienstunfallrecht als ausreichend angesehen werden kann. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist die Frage des Kausalzusammenhangs zwischen Unfallgeschehen und Körperschäden aufgrund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens unter Ausschöpfung aller verfügbaren Mittel geklärt, so kann ein unfallanalytisches Gutachten keine weitere Sachaufklärung leisten. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
4. Entfällt die Anerkennung eines Unfalls als Dienstunfall, so ist auch die Rückforderung von vorläufig erstatteten Heilbehandlungskosten, die unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass das Schadensereignis nicht als Dienstunfall anerkannt werden könne, geleistet wurden, rechtmäßig. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 K 05.3061 2007-07-24 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung von weiteren Dienstunfallfolgen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Dienstunfall vom 15. September 2003 hat keine Körperschäden im Bereich der rechten Schulter verursacht, die auch noch nach dem 15. Dezember 2003 kausal auf den Dienstunfall zurückzuführen wären (1.1). Er hat (auch unter Berücksichtigung der Dienstunfälle 1996 und 1997) keine Körperschäden im Bereich der Halswirbelsäule der Klägerin verursacht (1.2) Die chiropraktische Behandlung der Klägerin am 11. März 2004 erfolgte damit nicht zur Beseitigung von Dienstunfallfolgen (2.). Der Bescheid der BFD Regensburg vom 23. Februar 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2005 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat zu Recht Heilbehandlungskosten in Höhe von 11.656,68 € zurückgefordert (3.)
1. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Anerkennung einer „Schulterdistorsion mit konsekutiver Bewegungseinschränkung im Sinne einer sekundären Frozen Shoulder“ noch Anspruch auf Anerkennung eines „chronisch rezidivierenden HWS-Syndroms mit Bandscheibenveränderungen an den Segmenten C5/6 und C6/7“ als (weitere) Dienstunfallfolgen des Dienstunfalls vom 15. September 2003.
Für diesen Dienstunfall ist das Gesetz über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz – BeamtVG 2004) in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung vom 21. Dezember 2004 (BGBl I S. 3592) einschlägig, weil sich der zugrundeliegende Dienstunfall am 15. September 2003 und damit vor Inkrafttreten des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG) vom 5. August 2010 (GVBl S. 410) zum 1. Januar 2011 ereignet hat. Für die Unfallfürsorge ist das Recht maßgeblich, dass zum Zeitpunkt des Unfallereignisses gegolten hat, sofern sich nicht eine Neuregelung ausdrücklich Rückwirkung beimisst. Zwar bestimmt Art. 100 Abs. 4 Satz 1 BayBeamtVG, dass für die am 31. Dezember 2010 vorhandenen Unfallfürsorgeberechtigten ein vor dem 1. Januar 2011 erlittener Dienstunfall oder Einsatzunfall in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung dem Dienstunfall oder dem Einsatzunfall im Sinne dieses Gesetzes gleichsteht. Die Vorschrift gewährleistet, dass auch für vor Inkrafttreten des Gesetzes erlittene Dienstunfälle weiterhin Unfallfürsorge gewährt wird (vgl. LT-Drs. 16/3200, S. 523), misst sich aber keine Rückwirkung hinsichtlich der Frage der Anerkennung eines Dienstunfalls vor dem 1. Januar 2011 zu (vgl. BayVGH, U.v. 24.4.2015 – 3 B 14.1141 – juris Rn. 22). Andere Übergangsregelungen – insbesondere zur Frage der Anerkennung weiterer Dienstunfallfolgen – bestehen nicht. Mangels einer entsprechenden Rückwirkungsregelung ist das Beamtenversorgungsgesetz in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung als fortgeltendes Bundesrecht (vgl. Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG, § 108 Abs. 1 BeamtVG) anzuwenden (BVerwG, U.v. 26.11.2013 – 2 C 9.12 – juris Rn. 6). Im Übrigen ergeben sich für den konkreten Fall auch keine inhaltlichen Unterschiede zwischen der früheren und der aktuellen Rechtslage.
Gemäß § 30 BeamtVG wird einem Beamten, der einen Dienstunfall erlitten hat, Unfallfürsorge gewährt. Ein Anspruch auf Unfallfürsorgeleistungen setzt immer das Vorliegen eines Dienstunfalls im Sinne von § 31 BeamtVG voraus, d.h. ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist und einen Körperschaden verursacht hat.
Für die Frage der kausalen Verknüpfung zwischen Unfallereignis und (weiterem) Körperschaden ist die von der Rechtsprechung entwickelte Theorie der wesentlichen Verursachung bzw. der zumindest wesentlich mitwirkenden Teilursache maßgeblich. Hiernach sind (mit-)ursächlich für einen eingetretenen Körperschaden nur solche Bedingungen im natürlich-logischen Sinn, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei natürlicher Betrachtungsweise zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BVerwG, U.v. 25.2.2010 – 2 C 81.08 – juris Rn. 9). Als wesentliche Ursache kann auch ein Ereignis in Betracht kommen, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder beschleunigt, wenn ihm im Verhältnis zu den anderen denkbaren Ursachen nach natürlicher Betrachtungsweise eine überragende oder zumindest annähernd gleichwertige Bedeutung für den Eintritt des Schadens zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 7.5.1999 – 2 B 117.98 – juris Rn. 4). Umgekehrt ist das Unfallereignis dann nicht wesentliche Ursache für den Körperschaden, wenn das Ereignis von untergeordneter Bedeutung gewissermaßen der „letzte Tropfen“ war, der das „Fass zum Überlaufen“ brachte. Das Unfallereignis tritt dann im Verhältnis zu der schon gegebenen Bedingung (dem vorhandenen Leiden oder der Vorschädigung) derart zurück, dass die bereits gegebene Bedingung als allein maßgeblich anzusehen ist (BayVGH, B.v. 30.1.2018 – 3 ZB 15.148 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Die kausale Verknüpfung zwischen Unfallereignis und weiterem Körperschaden muss – wie auch die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung von Unfallfolgen – zur Überzeugung des Gerichts vorliegen. Der Beamte trägt das Feststellungsrisiko bzw. die materielle Beweislast, dass die behauptete Schädigungsfolge wesentlich auf den Dienstunfall und nicht etwa auf eine anlagebedingte Konstitution zurückzuführen ist. Ein Anspruch ist nur dann anzuerkennen, wenn der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Körperschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 4.4.2011 – 2 B 7.10 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 28.7.2016 – 3 B 15.563 – juris Rn. 33). Es besteht kein Grundsatz des Inhalts, dass die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ im Dienstunfallrecht als ausreichend angesehen werden kann (BVerwG, U.v. 22.10.1981 – 2 C 17.81 – juris Rn. 18).
Der Nachweis, dass die geltend gemachten Körperschäden wesentliche Folge des Dienstunfalls vom 15. September 2003 sind, konnte von der Klägerin nicht erbracht werden. Hierfür fehlt es an der notwendigen Kausalität zwischen dem Dienstunfallereignis und den gesundheitlichen Beschwerden der Klägerin, soweit sie (hinsichtlich der Schulterdistorsion) einen Behandlungszeitraum von drei Monaten nach dem Dienstunfall überschritten haben. Das streitgegenständliche Unfallereignis hat die von der Klägerin geltend gemachten Körperschäden nicht hervorgerufen, auch nicht im Sinn einer wesentlich mitwirkenden Teilursache. Das steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund des gerichtlich eingeholten fachorthopädischen Gutachtens von Prof. R. (Sachverständiger) vom 1. Mai 2017 nebst ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 1. Dezember 2017 sowie den Erläuterungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2018. Das Gutachten ist in sich stimmig, überzeugend und wirft keine Zweifelsfragen auf, die durch die Einschaltung (noch) eines weiteren Gutachters geklärt werden müssten. Auf Gutachten, Stellungnahme und Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird insgesamt Bezug genommen. Im Wesentlichen ergibt sich daraus Folgendes:
1.1 Der Sachverständige hat zur Überzeugung des Senats dargelegt, dass der Dienstunfall vom 15. September 2003 über die Bescheidslage hinaus (Bescheid vom 28.11.2003 i.d.F. des Bescheids vom 23.2.2005 und des Widerspruchsbescheids vom 10.3.2005: „Schulterdistorsion rechts“ mit einem dienstunfallbedingtem Heilbehandlungszeitraum bis drei Monate nach dem Unfallereignis) keine weiteren Schäden im Bereich der rechten Schulter der Klägerin verursacht hat. Diese sachverständige Einschätzung korreliert sowohl mit dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Klinikums I. von 16. Dezember 2004 als auch den gutachterlichen Feststellungen von Prof. M. im Verfahren 3 B 09.2896 vom 3. Juli 2010. Die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 20.3.2014 – 2 B 59.12 – juris Rn. 15), es spreche alles dafür, dass das Gutachten Prof. M. nicht auf dem allgemeinen Stand der Wissenschaft beruhe, bezieht sich nicht auf die Kausalitätsbeurteilung zwischen Dienstunfall und Schulterbeschwerden rechts. Eine vergleichende Berücksichtigung verbietet sich daher nicht.
Der Sachverständige führte aus, dass die Verursachung der Frozen Shoulder nicht wirklich bekannt sei. Ein Unfall könne diese auslösen, ebenso Stress, eine seelische Disposition oder auch die Operationen, die bei der Klägerin an den Bandscheiben der Halbwirbelsäule durchgeführt worden seien. Daher könne er einen Kausalzusammenhang zwischen Unfall und „Schulterdistorsion mit konsekutiver Bewegungseinschränkung im Sinne einer sekundären Frozen Shoulder“ nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bejahen. Er halte zwar wegen des zeitlichen Zusammenhangs eine sekundäre (traumatische) Frozen Shoulder für „überwiegend wahrscheinlich“, müsse dies aber vor dem Hintergrund, dass die Klägerin nach dem Dienstunfall 2003 im Januar 2004 vor dem Arztbesuch bei Dr. B. und ein weiteres Mal im März 2004 Tennis gespielt habe, wobei nach Angaben der Klägerin „die Schulter jedes Mal sehr schlecht gewesen sei“, einschränken. Auch bei einer Berücksichtigung der Möglichkeit, dass der Dienstunfall 2003 ein dynamisches Impingement begünstigt haben könne, folge keine sichere Zuordnung der Frozen Shoulder zum Dienstunfall. Bei intensivem Tennisspiel sei die Schultergelenkskapsel oft erweitert. Bei Wiederaufnahme des Spiels nach langer Trainingspause könne auch dadurch ein Impingement verursacht werden. Zu berücksichtigen sei insoweit auch, dass bei passionierten Tennisspielern – wie die Klägerin eine gewesen sei – deutlich häufiger Impingement-Syndrome zu verzeichnen seien, als im Bevölkerungsdurchschnitt. Diesen Ausführungen des Sachverständigen schließt sich der Senat an.
1.2 Der Sachverständige legte auch zur Überzeugung des Gerichts dar, dass es an der notwendigen Kausalität zwischen dem Dienstunfall 2003 und dem beklagten Körperschaden „chronisch rezidivierendes HWS-Syndrom mit Bandscheibenveränderungen an den Segmenten C 5/6 und C 6/7“ fehlt. Der Sachverständige verneinte strukturelle Schäden der Halswirbelsäule, weil Dr. B. in seinem Arztbrief vom 19. Januar 2004 (Bl. 38 der Dienstunfallakte II) als aktuellen Befund seiner Untersuchung vom 14. Januar 2004 festhielt: „HWS frei beweglich“. Damit sei – so der Sachverständige nachvollziehbar – ein Zusammenhang des Dienstunfalls 2003 mit späteren Beschwerden an der Halswirbelsäule wenig wahrscheinlich.
Der Sachverständige hat unter Auswertung der bei der Klägerin erhobenen ärztlichen Befunde [insbes. die am 15. März 2004 durchgeführte bildgebende Untersuchung (= CD „Uniklinikum R. Radiologie“)] eine Osteochondrose, eine degenerative Erkrankung des unteren Halswirbel-Drittels (Segment C5/6) festgestellt (so auch das fach-neurologische Gutachten der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. vom 19.1.2006, Bl. 3). Diese müsse sich über einen längeren Zeitraum entwickelt haben. Die Degeneration stehe in keinerlei Zusammenhang mit den Dienstunfällen 1996 und 1997. Insbesondere der Unfall 1996 habe die Degeneration nicht ausgelöst. Der Sachverständige hat dem Senat nachvollziehbar erläutert, dass zwischen dem Unfallereignis von Februar 1996 (das von der Klägerin als wesentliche Ursache ihrer jetzigen Beschwerden vermutet wird (vgl. Schriftsatz vom 30.6.2014, S. 3) und den degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule wegen einer (nur) Grad I HWS-Distorsion nach der Klassifikation von Rompe (Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, begründet von Gerhard Rompe und Arnold Erlenkämper, 11. Auflage 2013, Thieme-Verlag) kein Kausalzusammenhang bestehen könne. Er erläuterte, dass Rompe zwischen den Graden I bis III differenziere. Das sog. beschwerdefreie Intervall werde auch bei Rompe erwähnt. Es bleibe nur bei höhergradigen HWS-Distorsionen im Hintergrund. Der Grad I erfasse vorübergehende Schäden, die keinen morphologischen Schaden erkennen ließen und nach sechs bis zwölf Wochen ausheilten, wenn keine Degeneration vorliege. Alle Unfälle mit morphologischen und strukturellen Schäden an der Halswirbelsäule würden dem Grad II oder III zugeordnet. Die „Anhaltspunkte für die Begutachtung der Halswirbelsäulenverletzungen“ der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (Stand: 26. Februar 2004, vgl. Bl. 399 ff. der VGH-Akte 3 B 09.2896) stellten – so der Sachverständige – nicht mehr den aktuellen Stand der Begutachtung dar.
Der Sachverständige geht davon aus, dass ein Unfall mit der Folge einer Grad I HWS-Distorsion keine Degeneration der Halbwirbelsäule auslöst. Er führt weiter aus, dass der Schweregrad des Dienstunfalls nicht auf eine strukturelle Verletzung der Halswirbelsäule zum damaligen Zeitpunkt schließen lasse, wobei das Bild des Unfallautos nichts über erlittene Körperschäden oder Beschwerden aussage, da Unfallopfer von Totalschäden diese oft unverletzt überständen. Solche Distorsionen heilten – wie von der Klägerin selbst bei seiner Untersuchung bejaht – üblicherweise aus.
Der Sachverständige hat bei dieser Einschätzung die Befunderhebungen des die Klägerin seit dem 22. Februar 1996 behandelnden Orthopäden Dr. A. (Attest vom 15. April 1996: deutliche Bewegungseinschränkung der HWS, insbesondere der Rechtsrotation bei 20 Grad, deutlicher Druckschmerz im Bereich der Trapeziusränder sowie der seitlichen Nackenstränge) berücksichtigt (S. 3 seines Gutachtens) und sich damit auseinandergesetzt. Bei einer Schmerzausstrahlung in den Arm müsse keine Nerven- oder Wurzelkompression vorliegen. Zu 80% der Fälle bestehe ein solcher Ausstrahlungsschmerz ohne entsprechende Kompression, wie etwa bei der Cervikobrachialgie. Weil Dr. A. keinen sensomotorischen Ausfall habe feststellen können, könne er einen Nervenschaden definitiv ausschließen, zumal Dr. A. festgestellt habe, dass mit Dauerschäden nicht zu rechnen sei.
Der Sachverständige hat ferner die Feststellungen desjenigen Arztes berücksichtigt, der die Klägerin am 14. und 15. Februar 1996 behandelt hat (vgl. Bl. 17 der Dienstunfallakte I) und hielt an seinen Feststellungen auch unter Berücksichtigung des fachorthopädischen Gutachtens des Klinikums I. vom 16. Dezember 2004, fest. Diese sachverständige Einschätzung stimmt zudem mit dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Klinikums I. von 16. Dezember 2004 überein.
Aufgrund der Erläuterungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung steht für den Senat auch fest, dass die anerkannten Körperschäden der Dienstunfälle 1996 und 1997 zum Zeitpunkt des hier streitgegenständlichen Dienstunfalls vom 15. September 2003 als ausgeheilt zu betrachten waren.
2. Es ist daher nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass die von der Klägerin geltend gemachten Schäden im Bereich der rechten Schulter bzw. der Halswirbelsäule durch den Dienstunfall 2003 oder die Dienstunfälle 1996 und 1997 verursacht worden sind. Soweit – umgekehrt – nicht mit der letzten Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein Körperschaden dienstunfallbedingt ist, also nur die bloße Möglichkeit besteht, genügt dies im Dienstunfallrecht für den Kausalitätsnachweis nicht. Nach Auffassung des Senats ist die Frage des Kausalzusammenhangs zwischen Unfallgeschehen und Körperschäden unter Ausschöpfung aller verfügbaren Mittel geklärt. Ein – wie von der Klägerin angeregt – unfallanalytisches Gutachten hält der Senat nicht für erforderlich, da es keine weitere Sachaufklärung leisten könnte. Nach Aussage des Sachverständigen kommt ein unfallanalytisches Gutachten zur weiteren Sachaufklärung nur in Betracht, wenn das Bestehen einer HWS-Distorsion in Zweifel gezogen werde. Gegenüber dem zeitnah erhobenen klinischen Befund könne ein solches Gutachten hier keine zusätzlichen Anhaltspunkte bringen. Da nach alledem davon auszugehen ist, dass die Körperschäden, die bei der Klägerin drei Monate nach dem Unfallereignis vom 15. September 2003 bestanden, nicht dienstunfallbedingt sind, erfolgte die chirotherapeutische Behandlung durch Dr. T. am 11. März 2004 auch nicht zur Beseitigung von Dienstunfallfolgen. Etwaige gesundheitliche Beeinträchtigungen durch diese Behandlung gelten somit nicht als Folge eines Dienstunfalls (§ 31 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG).
3. Die Rückforderung der vorläufig geleisteten Zahlungen in Höhe von 11.656,68 € ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Entfällt die Anerkennung eines Unfalls als Dienstunfall i.S.d. § 31 Abs. 1 BeamtVG, so ist auch die Rückforderung von vorläufig erstatteten Heilbehandlungskosten gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG, die unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass das Schadensereignis nicht als Dienstunfall anerkannt werden könne, geleistet wurden, rechtmäßig. Ebenso folgt aus der fehlenden Dienstunfallanerkennung, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Heilbehandlungskosten nach § 31 Abs. 2 Nr. 2, § 33 BeamtVG hat.
4. Die Berufung der Klägerin war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO sowie des § 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 BRRG nicht vorliegen.

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