Verwaltungsrecht

Anforderungen an eine Anhörungsrüge

Aktenzeichen  11 ZB 18.988

Datum:
6.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14570
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 108 Abs. 2, § 149 Abs. 1 S. 2, § 152a Abs. 1, Abs. 6
GG Art. 103 Abs. 1
BV Art. 91 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar. Es handelt sich vielmehr um einen Rechtsbehelf, der dann greift, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich nicht mit ihm in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

11 ZB 18.344 2018-04-16 Bes VGHMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 16. April 2018 (11 ZB 18.344), mit dem der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 13. Dezember 2017 (M 6 K 16.5613) abgelehnt wurde, ist unbegründet. Der Senat hat bei der Ablehnung des Antrags den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör hinsichtlich der geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 VwGO).
Der Anspruch der Prozessbeteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, seine Entscheidung nur auf Tatsachen oder Beweisergebnisse zu stützen‚ zu denen sich die Beteiligten äußern konnten (§ 108 Abs. 2 VwGO), sowie ihre rechtzeitigen und möglicherweise erheblichen Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, soweit sie aus verfahrens- oder materiellrechtlichen Gründen nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben müssen oder können (BayVerfGH, E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 44 m.w.N.). Das rechtliche Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 91 Abs. 1 BV ist allerdings nur dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seinen Pflichten nicht nachgekommen ist.
Die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar. Es handelt sich vielmehr um einen Rechtsbehelf, der dann greift, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich nicht mit ihm in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht allerdings nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen. Ebenso wenig ist das Gericht gehalten, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst (stRspr; vgl. etwa BVerwG, B.v. 8.6.2010 – 5 B 53.09 – juris Rn. 2 und B.v. 3.7.2014 – 8 B 20.14 – juris Rn. 2 jeweils m.w.N.).
Den klägerischen Vortrag, eine Verunreinigung der Haare durch exogene Antragungen sei möglich und daher sei in jedem Fall der Nachweis von körpereigenen Abbausubstanzen erforderlich, hat der Senat nicht übersehen. Er ist nur entgegen der Ansicht des Klägers davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall Abbausubstanzen durch die vom Labor mitgeteilten Werte unterhalb der laborinternen cut-off-Werte nachgewiesen worden sind. Im Übrigen hat sich der Senat mit der Problematik der exogenen Antragungen auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass solche grundsätzlich möglich sind, aber ein substantiierter Vortrag erfolgen muss, woher diese Anhaftungen stammen sollen. Indem der Kläger vorträgt, er halte diese Auffassung für weltfremd, macht er deutlich, dass er im Grunde nicht einen Gehörsverstoß geltend macht, sondern die Rechtsauffassung des Senats im Beschluss vom 16. April 2018 in Zweifel zieht.
Die vom Kläger nunmehr in den Raum gestellte Frage, ob der Senat auch einen Konsum von Drogen als erwiesen ansehen würde, wenn zwar ein Substanznachweis über der Bestimmungsgrenze erfolgt, aber keine Abbauprodukte gefunden werden, stellte sich im vorliegenden Verfahren nicht, denn hier wurden nach Ansicht des Senats Abbauprodukte festgestellt. Ein Gehörsverstoß ist damit nicht dargetan.
Auch hinsichtlich der vom Senat durch Auslegung der Berufungszulassungsschrift ermittelten Frage, ob ein Substanznachweis über der Bestimmungsgrenze und ein Nachweis von Abbauprodukten unterhalb der laborinternen cut-off-Werte als Nachweis des Konsums ausreicht, ist Vortrag des Klägers nicht übersehen worden, sondern der Kläger hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen diese Frage grundsätzlich klärungsbedürftig sein soll. Der Kläger geht mit seiner Anhörungsrüge selbst davon aus, dass die CTU-Kriterien (Nr. 8.1 der Beurteilungskriterien – Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl. 2013, mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132] als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt, S. 244 ff.) als allgemein bekannt angesehen werden können. Diese enthalten zum einen keine Bestimmungsgrenzen bei Haaranalysen für Norcocain und Benzoylecgonin und zum anderen sind nach dem Kriterium CTU 1 Nr. 9 (Beurteilungskriterien, S. 265) beweissichere positive Befunde unterhalb der Mindestanforderungsgrenzen vom Labor mitzuteilen und als Konsumnachweise verwertbar. Der Kläger hätte sich also in seinem Zulassungsantrag damit auseinandersetzen müssen, aus welchen Gründen die vom Labor gemessenen, unterhalb der Mindestanforderungsgrenzen liegenden, aber gleichwohl als beweissichere positive Befunde mitgeteilten Werte abweichend von den CTU-Kriterien nicht verwertet werden können sollten. Dies hat er aber, ggf. wegen der unvollständig formulierten Fragestellung, nicht getan.
Die Begriffe cut-off bzw. Toleranzgrenze finden keine Verwendung in den Beurteilungskriterien. Nach den CTU-Kriterien ist eine Bestimmungsgrenze die niedrigste Konzentration eines Analyten in der Probenmatrix, die mit einer akzeptablen Präzision bestimmt werden kann (vgl. Anmerkung zu Tabelle 4, Beurteilungskriterien, S. 273). Davon zu unterscheiden ist eine Nachweisgrenze, die nur belegt, dass sich die gefundene Substanz tatsächlich in der Probe befindet, unabhängig von deren Konzentration. Zutreffend hat der Kläger in seinem Zulassungsantrag auf die Erläuterungen bei Wikipedia verwiesen, wonach ein cut-off-Wert einer Bestimmungsgrenze und nicht einer Nachweisgrenze entspricht. Damit sind beweissichere positive Funde von Norcocain und Benzoylecgonin in Haaranalysen nach Kriterium CTU 1 Nr. 9 der Beurteilungskriterien auch unterhalb des laborinternen cut-off-Werts verwertbar.
Der Antrag vom 8. Mai 2018 auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung, den das Gericht als Anregung auslegt, eine Entscheidung nach § 152a Abs. 6 i.V.m. § 149 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu treffen, hat sich mit der Zurückweisung der Anhörungsrüge erledigt.
Die Kosten der erfolglosen Anhörungsrüge sind gemäß § 154 Abs. 1 VwGO dem Kläger aufzuerlegen. Die Höhe der Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes; einer Streitwertfestsetzung bedarf es daher nicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).

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