Verwaltungsrecht

Gegenstandsloses Auswahlverfahren nach Entscheidung des Dienstherrn, das ausgeschriebene Amt nicht zu vergeben

Aktenzeichen  3 CE 18.504

Datum:
4.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11374
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123

 

Leitsatz

1 Das Erfordernis eines sachlichen Grundes, der den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG genügt, gilt nur dann, wenn die Stelle unverändert bestehen bleiben und auch vergeben werden soll. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Will der Dienstherr eine Stelle nicht mehr oder nicht mehr so vergeben, unterfällt diese Entscheidung allein seiner Organisationsgewalt und wird nicht durch subjektive Bewerbungsverfahrensrechte eines Bewerbers beschränkt. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 E 17.4628 2018-01-31 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 15.716,14 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, das Auswahlverfahren über die Stelle Leitung des Arbeitsgebiets „Steuerungsunterstützung“ im Organisationsreferat fortzuführen, zu Recht abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Bewerbungsverfahrensanspruch erlösche, wenn sich das Auswahlverfahren erledige, weil die Ämtervergabe nicht mehr stattfinden solle. Die in Art. 33 Abs. 2 GG normierten Auswahlgrundsätze seien auf eine Auswahlentscheidung bezogen. Dementsprechend sei der Bewerbungsverfahrensanspruch auf ein konkretes Stellenbesetzungsverfahren gerichtet und bestehe grundsätzlich nur, wenn eine Ernennung oder eine diese vorherbestimmende Dienstpostenvergabe vorgenommen werden solle. Entfalle der Bezugspunkt der Auswahlentscheidung, weil die Planstelle nicht mehr zur Verfügung stehe oder sich der Dienstherr in Ausübung seiner Organisationsgewalt entschieden habe, das ausgeschriebene Amt so nicht zu vergeben, werde das hierauf bezogene Auswahlverfahren gegenstandslos.
Der Antragsteller wendet ein, das Verwaltungsgericht habe nicht bedacht, dass die von ihm angeführte Organisationsgewalt des Antragsgegners ihre Grenzen habe, die sich unter anderem aus dem Leistungsgrundsatz und dem daraus abzuleitenden Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers bestimmten. Hätte es eine Behörde in der Hand, unter Berufung auf eine Organisationsgewalt den Bewerbungsverfahrensanspruch dadurch auszuhebeln, dass sie ohne nachvollziehbare sachliche Gründe behaupte, die ausgeschriebene Stelle solle „plötzlich“ nicht mehr besetzt werden, würde einer willkürlichen Praxis Tür und Tor geöffnet. Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Mai 2016 (2 VR 2/15 – BVerwGE 155, 152) ergebe sich nichts anderes, weil dessen Rn. 16 den Fall des Abbruchs vor der Auswahlentscheidung betreffe, während hier der Abbruch erst nach der – rechtswidrigen – Auswahlentscheidung erfolgt sei. Ein Auswahlverfahren könne vom Dienstherrn dann abgebrochen werden, wenn es fehlerhaft sei und nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen könne. Letzteres sei hier jedoch nicht der Fall. Genüge die Abbruchentscheidung diesen Vorgaben nicht, sei sie unwirksam und das in Gang gesetzte Auswahlverfahren nach dessen Maßgaben fortzuführen.
Damit kann der Antragsteller nicht durchdringen. Das Verwaltungsgericht hat die zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht missverstanden. Dort ist ausdrücklich angeführt, dass der Abbruch nicht die der Organisationsgewalt des Dienstherrn vorbehaltene Entscheidung darüber betrifft, ob und welche Ämter er schaffen und wie er seine Dienstposten zuschneiden will. Das vom Antragsteller aufgestellte Erfordernis eines sachlichen Grundes, der den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG genügt, gilt nur dann, wenn die Stelle unverändert bestehen bleiben und auch vergeben werden soll. Dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insoweit unmissverständlich ist, zeigen auch Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte (HessVGH, B.v. 5.9.2017 – 1 B 998/17 – NVwZ-RR 2018, 197; OVG NW, B.v. 5.2.2018 – 1 B 1146/17 – juris Rn. 8 ff.).
Will der Dienstherr eine Stelle nicht mehr oder nicht mehr so vergeben, unterfällt diese Entscheidung allein seiner Organisationsgewalt und wird nicht durch subjektive Bewerbungsverfahrensrechte eines Bewerbers beschränkt. Diese Fälle unterliegen vielmehr nach den zuletzt zitierten Entscheidungen allenfalls einem ungeschriebenen Missbrauchs- und Manipulationsverbot, das nur eine von einer Plausibilitätskontrolle zu unterscheidende Willkürprüfung nach sich zieht.
Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, stellt das Beschwerdevorbringen die angegriffene Entscheidung nicht tauglich in Frage. Die Behauptung des Antragsgegners, seine Entscheidung, das Stellenbesetzungsverfahren aufzuheben, sei vor der Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 25. August 2017 (M 5 E 17.1539) am 4. September 2017 gefallen und im Aktenvermerk vom 29. August dokumentiert worden, der am 1. September 2017 an den eigenen Prozessbevollmächtigten weitergeleitet worden sei, bestreitet der Antragsteller nur insoweit, als er in Zweifel zieht, dass die ursprünglich ausgewählte Bewerberin ihre Bewerbung nicht im Hinblick auf die zu erwartende Entscheidung des Verwaltungsgerichts zurückgenommen habe. Damit zeigt er keinen Missbrauch der Organisationsgewalt des Antragsgegners auf. Gleiches gilt für die rhetorische Frage, ob der Antragsgegner behaupten wolle, seine Referatsleiter seien unterbeschäftigt, wenn ihnen Aufgaben eines Arbeitsgebietsleiters mitübertragen würden, während Teilbereiche der ursprünglich ausgeschriebenen Stelle – ausgenommen Sachgebietsleitung – zunächst befristet mit einer Sachbearbeiterin (Wertigkeit EG11/ A 12) besetzt würden. Dass die damals ausgeschriebene Stelle (Wertigkeit A 13) unstreitig noch im Stellenplan des Antragsgegners enthalten ist, führt damit ebenfalls nicht dazu, dass die Organisationsentscheidung des Antragsgegners, die Stelle nicht mehr so zu besetzen, als vorgeschoben zu betrachten wäre. Hinreichende Anhaltspunkte für einen Missbrauch der Organisationsgewalt oder für eine Manipulation durch den Dienstherrn zu Lasten des Antragstellers bestehen nicht. Für den Fall einer Neuausschreibung der damals ausgeschriebenen Stelle könnte es zwar nahe liegen, den behaupteten Wegfall bzw. Neuzuschnitt einer Stelle als bloßen Vorwand zu sehen. In einem solchen Fall stände dem Antragsteller die Möglichkeit zur Verfügung, ein Abänderungsverfahren analog § 80 Abs. 7 VwGO durchzuführen oder die Missbrauchsbzw. Manipulationsabsicht im Rahmen des neuen Auswahlverfahrens geltend zu machen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Sätze 1 bis 3, § 47 GKG (wie Vorinstanz).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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