Aktenzeichen 22 C 18.780
Leitsatz
1 Der Erwähnung eines Antrags im Tatbestand einer Entscheidung oder in der Niederschrift über eine mündliche Verhandlung als Voraussetzung für ein Ergänzungsverlangen im Sinn von § 321 ZPO (diese Bestimmung entspricht dem Kern ihres Regelungsgehalts nach der Vorschrift des § 120 VwGO) bedarf es dann nicht, wenn die inmitten stehende Entscheidung keinen Tatbestand enthält (Anschluss an BGH BeckRS 2005, 04305). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch in einer solchen Situation verbleibt es allerdings dabei, dass Beteiligte, die ein Ergänzungsverlangen nach § 120 VwGO stellen, auf diesem Weg keine Nachprüfung der inmitten stehenden Entscheidung daraufhin erlangen können, ob das Gericht ihr Rechtsschutzbegehren inhaltlich zutreffend ausgelegt hat. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 16 S7 17.250 2018-02-16 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe
I.
Der Beigeladene war Inhaber einer ihm von der Antragsgegnerin für das Lokal „M …-Bar“ erteilten, bis zum Ablauf des 28. Juni 2017 befristeten Gaststättenerlaubnis.
Nachdem die Antragsgegnerin diese Erlaubnis am 8. November 2016 für sofort vollziehbar erklärt hatte, reichte die Antragstellerin (es handelt sich bei ihr um die Wohnungseigentümergemeinschaft, in deren Gemeinschaftseigentum das Anwesen steht, in dem sich die Gaststätte befand) am 23. November 2016 beim Verwaltungsgericht einen sich auf diese Gaststättenerlaubnis beziehenden Antrag nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO ein. Hierbei wurde für sie – ebenso wie bei allen nachfolgend erwähnten Verfahrenshandlungen, soweit sie nicht dem Vertretungserfordernis nach § 67 Abs. 4 VwGO unterliegen – ein Herr G… tätig. Das Verwaltungsgericht lehnte diesen Antrag durch Beschluss vom 30. Dezember 2016 (M 16 SN 16.5289) als unzulässig ab.
Am 18. Januar 2017 ging beim Verwaltungsgericht ein vom Vortag stammendes Schreiben des Herrn G … ein, in dem die Antragstellerin u. a. unter Bezugnahme auf das Verfahren M 16 SN 16.5289 neben sechs weiteren Anträgen einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO anhängig machte. Das letztgenannte Rechtsschutzgesuch führte das Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen M 16 S7 17.250.
Am 27. Juni 2017 erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen eine bis zum Ablauf des 28. September 2017 befristete vorläufige Gaststättenerlaubnis für die M …-Bar. Am 14. September 2017 erklärte der Beigeladene gegenüber der Antragsgegnerin schriftlich, er nehme seinen Antrag auf Erteilung einer weiteren (endgültigen) Gaststättenerlaubnis zurück und werde die M …-Bar nach dem 28. September 2017 nicht mehr betreiben.
Über den Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO verhandelte das Verwaltungsgericht am 17. Oktober 2017 zusammen mit zwei von der Antragstellerin anhängig gemachten Klageverfahren mündlich. Am Vortag hatte Herr G … jeweils unter Bezugnahme auf alle drei zur Verhandlung anstehenden Streitsachen zwei vom 16. Oktober 2017 datierende Schriftsätze eingereicht. Die eine dieser Zuschriften beinhaltete ein gegen drei Gerichtsmitglieder gerichtetes Ablehnungsgesuch; das andere dieser Schreiben enthielt eine Mehrzahl von Sach- und sonstigen Anträgen.
Hinsichtlich der Antragstellung enthält die Niederschrift über die am 17. Oktober 2017 durchgeführte mündliche Verhandlung, soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Belang, folgende Aussage: „Der Bevollmächtigte der Klägerin stellt in den Verfahren M 16 K 15.4320 und M 16 S7 17.250 den Antrag aus dem Schriftsatz vom 16. Oktober 2017.“
Durch im Verfahren M 16 S7 17.250 ergangenen Beschluss vom 17. Oktober 2017 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Diese Entscheidung wurde Herrn G… zusammen mit den Urteilen, die das Verwaltungsgericht in den am gleichen Tag verhandelten Klageverfahren erlassen hatte, und der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 27. Oktober 2017 zugestellt.
Mit Schreiben vom 9. November 2017, beim Verwaltungsgericht als Postexemplar eingegangen am Folgetag, beantragte Herr G… namens der Antragstellerin beim Verwaltungsgericht sowohl in Bezug auf die Streitsache M 16 S7 17.250 als auch die beiden vorerwähnten Klageverfahren
– die Berichtigung und Ergänzung der Niederschrift gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 164 ZPO,
– die „Berichtigung, Ergänzung / Klarstellung des Tatbestandes des Beschlusses / Urteils gemäß § 119 VwGO“ aufgrund mündlicher Verhandlung über diesen Antrag sowie
– die „Ergänzung des Beschlusses / Urteils gemäß § 120 VwGO wegen der o. g. übergangenen Anträge, Tatbestandsmängel, der Unterlassung der Durchführung der Inzidentkontrolle und der unterlassenen Befassung mit dem Zweck und der Begründetheit der Fortsetzungsfeststellungsklage“ ebenfalls aufgrund mündlicher Verhandlung über diesen Antrag.
Durch Beschluss vom 16. Februar 2018 berichtigte das Verwaltungsgericht die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2017 dahingehend, dass die darin enthaltene Angabe, „der Kläger persönlich“ sei in den drei seinerzeit verhandelten Verfahren erschienen, durch die Worte „der Bevollmächtigte der Klägerin“ ersetzt wurde. Im Übrigen lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Protokollberichtung ab.
Durch einen weiteren Beschluss vom 16. Februar 2018 lehnte das Verwaltungsgericht, bezogen auf das Verfahren M 16 S7 17.250, den Antrag auf Berichtigung der Sachverhaltsdarstellung ab.
Durch einen dritten Beschluss vom 16. Februar 2018 verwarf das Verwaltungsgericht den Antrag, den Beschluss vom 17. Oktober 2017 entsprechend § 120 i.V.m. § 122 Abs. 1 VwGO zu ergänzen. Ein solcher Antrag sei nur zulässig, wenn ein nicht erledigter Teil des Verfahrens so konkret aufgezeigt werde, dass die Möglichkeit der verlangten Ergänzung in Betracht gezogen werden könne. Die Antragstellerin verlange demgegenüber im Ergebnis die Richtigstellung einer von ihr für falsch gehaltenen Entscheidung; dazu diene das Verfahren nach § 120 VwGO nicht. Im weiteren Fortgang der Gründe dieses Beschlusses vom 16. Februar 2018 führte das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die am gleichen Tag im Verfahren nach § 119 i.V.m. § 122 Abs. 1 VwGO ergangene Entscheidung aus, die Antragstellerin nehme zu Unrecht an, von ihr gestellte Anträge seien nicht in die Sachverhaltsdarstellung des am 17. Oktober 2017 in der Streitsache M 16 S7 17.250 ergangenen Beschlusses aufgenommen worden.
Die drei am 16. Februar 2018 erlassenen Entscheidungen wurden Herrn G. am 2. März 2018 zugestellt.
Mit der Beschwerde, die die Antragstellerin am 16. März 2018 gegen den auf den Antrag nach § 120 VwGO hin ergangenen Beschluss eingelegt und der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat, beantragt sie:
1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 16. Februar 2018 – Az. M 16 S7 17.250 – wird aufgehoben.
2. Dem Antrag vom 9. November 2017 auf Ergänzung des Beschlusses vom 17. Oktober 2017 gemäß § 122 Abs. 1, § 120 Abs. 1 und 3 VwGO und auf Durchführung der mündlichen Verhandlung über diesen Antrag vor dem Gericht der Hauptsache wird stattgegeben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 15. Mai 2018 hat die Antragstellerin mitgeteilt, die in der Beschwerdeschrift enthaltene Erklärung, hilfsweise werde der Rechtsstreit für erledigt erklärt, werde „nicht weiter geltend gemacht“.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Einem Antrag auf Beschlussergänzung nach § 120 i.V.m. § 122 Abs. 1 VwGO ist grundsätzlich nur dann zu entsprechen, wenn bei der Entscheidung ein nach dem Tatbestand gestellter Sachantrag (vgl. zur gebotenen Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 120 VwGO auf solche Anträge Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 120 Rn. 3) oder die Kostenfolge übergangen wurde. Der unterbliebenen Berücksichtigung eines im Tatbestand erwähnten Sachantrags stehen zutreffender Ansicht zufolge (vgl. z.B. Clausing/Kimmel in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 120 Rn. 2; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 120 Rn. 3; Stuhlfauth in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 6. Aufl. 2014, § 120 Rn. 3) solche Anträge gleich, die in einer der Entscheidung vorausgegangenen mündlichen Verhandlung ausweislich der Sitzungsniederschrift gestellt wurden.
Der Erwähnung eines Antrags im Tatbestand einer Entscheidung oder in der Niederschrift über eine mündliche Verhandlung als Voraussetzung für ein Ergänzungsverlangen im Sinn von § 321 ZPO (diese Bestimmung entspricht dem Kern ihres Regelungsgehalts nach der Vorschrift des § 120 VwGO) bedarf es allerdings dann nicht, wenn die inmitten stehende Entscheidung keinen Tatbestand enthält (BGH, U.v. 16.2.2005 – VIII ZR 133/04 – juris Rn. 17). Der Verwaltungsgerichtshof erachtet diese Ausnahme vorliegend für einschlägig, da der am 17. Oktober 2017 im Verfahren M 16 S7 17.250 erlassene Beschluss keine „tatbestandsähnliche“ Sachverhaltsdarstellung (z.B. in Gestalt eines gesonderten Teils I der Beschlussgründe) aufweist. Da § 122 Abs. 1 VwGO nicht auf § 117 Abs. 2 Nr. 4 VwGO verweist, bedurfte es von Rechts wegen solcher Ausführungen auch nicht.
Auch in einer solchen Situation verbleibt es allerdings dabei, dass Beteiligte, die ein Ergänzungsverlangen nach § 120 VwGO stellen, auf diesem Weg keine Nachprüfung der inmitten stehenden Entscheidung daraufhin erlangen können, ob das Gericht ihr Rechtsschutzbegehren inhaltlich zutreffend ausgelegt hat. Denn § 120 VwGO regelt – auch in Verbindung mit § 122 Abs. 1 VwGO – nur den Fall des verdeckten (versehentlichen) Teilurteils bzw. Teilbeschlusses, d.h. diejenige prozessuale Konstellation, dass das Gericht weder absichtlich nur über einen Teil des Streitgegenstandes befunden hat (wie das beim Erlass eines „offenen“ Teilurteils nach § 110 VwGO geschieht), noch eine „subjektive Vollendentscheidung“ inmitten steht. Letzteres ist dann der Fall, wenn das Gericht das vor ihm anhängig gemachte Rechtsschutzbegehren zu eng ausgelegt und es deshalb nur aus seiner Sicht, nicht aber bei zutreffender Würdigung des Klagebzw. Antragsziels hierüber umfassend befunden hat. In einer solchen Situation muss der betroffene Beteiligte durch die Einlegung des ggf. eröffneten Rechtsmittels auf eine Korrektur der ergangenen Entscheidung hinwirken (vgl. zu alledem z.B. Rennert in Eyermann, 14. Aufl. 2014, § 120 Rn. 4; BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 22 ZB 17.1720 – juris Rn. 19).
Die letztgenannte Möglichkeit hat die Antragstellerin dadurch ausgeschöpft, dass sie gegen den Beschluss vom 17. Oktober 2017 Beschwerde eingelegt hat, die durch Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Mai 2018 (22 CS 17.2291) zurückgewiesen wurde. In der Randnummer 26 der Gründe dieser Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, die Antragstellerin habe entgegen der Obliegenheit, die sich für sie aus § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ergab, nicht aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht ihr im Verfahren M 16 S7 17.250 verfolgtes Rechtsschutzbegehren unzutreffend verstanden habe. Damit steht rechtskräftig fest, dass es sich bei dem Beschluss vom 17. Oktober 2017 nicht um eine auf fehlerhafter Auslegung des Antrags der Antragstellerin beruhende „subjektive Vollendentscheidung“ handelt.
Für eine Ergänzung des letztgenannten Beschlusses nach § 120 i.V.m. § 122 Abs. 1 VwGO wäre mithin nur dann Raum, wenn sich feststellen ließe, dass die Antragstellerin in dem unter dem Aktenzeichen M 16 S7 17.250 geführten Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO „objektiv“ – d.h. unabhängig von der Frage nach der zutreffenden Auslegung ihres Rechtsschutzbegehrens – einen Antrag gestellt hat, über den im Beschluss vom 17. Oktober 2017 nicht befunden wurde. Das Verwaltungsgericht ging in dem vorliegend mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss vom 16. Februar 2018 zutreffend davon aus, dass dies nicht der Fall ist.
Herr G. als im ersten Rechtszug tätiger Bevollmächtigter der Antragstellerin hat ausweislich der Niederschrift über die am 17. Oktober 2017 durchgeführte mündliche Verhandlung in den Verfahren M 16 K 15.4320 und M 16 S7 17.250 (jeweils) nur einen einzigen, im Schriftsatz vom 16. Oktober 2017 enthaltenen Antrag gestellt. Dies folgt aus der Tatsache, dass die Sitzungsniederschrift insoweit den Singular gebraucht, ferner daraus, dass Herrn G. – ebenfalls ausweislich der Sitzungsniederschrift – die Antragstellung vorgelesen wurde und er sie genehmigt hat, und dass der Antrag auf Protokollberichtigung bzw. -ergänzung insoweit ohne Erfolg blieb.
Bei diesem einen Antrag kann es sich, da dem Verfahren M 16 S7 17.250 ein Rechtsschutzbegehren nach § 80 Abs. 7 VwGO zugrunde lag, sachgesetzlich nur um den Antrag gehandelt haben, der unter der Gliederungsziffer I.b desjenigen Schriftsatzes vom 16. Oktober 2017 in Erscheinung tritt, der nicht die von Herrn G. gestellten Ablehnungsgesuche zum Inhalt hatte. Dieser Antrag lautete:
„Es wird festgestellt, dass
…
die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Gaststättenerlaubnisse durch die Beklagte ebenso willkürlich zumindest aber rechtswidrig erfolgt ist“.
Denn von allen Anträgen, die Herr G. in diesem Schreiben vom 16. Oktober 2017 formuliert hat, befasst sich allein der vorstehend wiedergegebene mit der sofortigen Vollziehbarkeit von Verwaltungsakten und damit mit einer Materie, die – vorbehaltlich weiterer Zulässigkeitserfordernisse – abstrakt überhaupt Gegenstand eines Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO sein kann.
Über diesen einen Antrag hat das Verwaltungsgericht im Beschluss vom 17. Oktober 2017 befunden, so dass eine Ergänzung dieser Entscheidung gemäß § 120 i.V.m. § 122 Abs. 1 VwGO nicht veranlasst ist. Da die im letzterwähnten Schriftsatz vom 16. Oktober 2017 hilfsweise abgegebene Erledigterklärung prozessual unbeachtlich ist (vgl. dazu BayVGH, B.v. 8.5.2018 – 22 CS 17.2291 – Rn. 21 f.), ergibt sich eine Unvollständigkeit des Beschlusses vom 17. Oktober 2017 auch nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht jene Erklärung nicht aufgegriffen hat.
2. Muss die Beschwerde aber bereits aus den dargestellten Gründen erfolglos bleiben, kann auch aus vorliegendem Anlass – ebenso wie bereits im Beschluss vom 8. Mai 2018 (22 CS 17.2291 – Rn. 36 – 40) auf sich beruhen, ob das sich aus § 67 Abs. 4 Satz 1 bis 3 VwGO ergebende Vertretungserfordernis gewahrt ist (vgl. zu der Möglichkeit, diese Frage dann dahinstehen zu lassen, wenn ein dem Vertretungserfordernis unterfallender Rechtsbehelf jedenfalls aus anderen Gründen keinen Erfolg haben kann, BVerwG, B.v. 6.8.1987 – 7 B 151.87 – juris Rn. 3). Die Beschwerdeschrift vom 16. März 2018 trägt zwar – ebenso wie die vom 15. Mai 2018 stammende Replik der Antragstellerin auf die Beschwerdeerwiderung der Antragsgegnerin – den Briefkopf von Rechtsanwälten und die Unterschrift eines Angehörigen dieses Berufsstandes. Das Erfordernis, sich vor bestimmten Gerichten durch Rechtsanwälte oder andere postulationsfähige Personen vertreten zu lassen, ist jedoch auch dann nicht gewahrt, wenn Schriftsätze zwar durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet wurden, sie jedoch nicht „aus sich heraus“ (BSG, B.v. 17.10.1984 – 9b BU 46/84 – juris Rn. 5) erkennen lassen, dass der postulationsfähige Prozessbevollmächtigte selbst den Streitstoff gesichtet, geprüft und rechtlich durchdrungen bzw. durchgearbeitet hat (BVerwG, B.v. 6.9.1965 – VI C 57.63 – BVerwGE 22, 38/39 f.; BVerwG, B.v. 19.7.1977 – 8 CB 84.76 – Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 47; BFH, B.v. 14.5.1982 – VI R 197/81 – juris Rn. 8; BSG, B.v. 17.10.1984 – 9b BU 46/84 – juris Rn. 5; BFH, B.v. 10.9.1985 – VIII R 263/83 – juris Rn. 17; B.v. 6.5.1986 – III R 270/84 – juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 6.8.1987 – 7 B 151/87 – juris Rn. 2; BFH, B.v. 27.11.1991 – III B 566/90 – juris Rn. 25; BVerwG, B.v. 11.2.1992 – 7 B 16.92 – juris Rn. 1; B.v. 19.8.1993 – 6 B 42.93 – Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 81; B.v. 11.12.2012 – 8 B 58.12 – Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 74). Das Gebot der eigenständigen Sichtung, Prüfung und Durcharbeitung des Streitstoffs wird nicht nur dann missachtet, wenn die postulationsfähige Person eine von dritter Seite – namentlich durch den Mandanten selbst – verfasste Schrift ausdrücklich (z.B. durch eine Bezugnahme hierauf) lediglich „weitergibt“; ein Verstoß gegen das Vertretungserfordernis liegt vielmehr auch dann vor, wenn die Ausführungen der nicht postulationsfähigen Person unter dem Briefkopf eines Rechtsanwalts in Erscheinung treten und durch dessen Unterschrift abgeschlossen werden, aufgrund der Diktion oder des Inhalts des Texts jedoch feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte sie „ohne erkennbare eigenständige Würdigung“ (BayVGH, B.v. 4.10.2011 – 7 ZB 11.2240 – BayVBl 2012, 186) unverändert übernommen hat. Ein dahingehender Schluss ist namentlich dann gerechtfertigt, wenn in solchen Schriftsätzen enthaltene Ausführungen in juristischer Hinsicht abwegig und unhaltbar sind oder aus ihnen hervorgeht, dass dem Verfasser die für ein bestimmtes Rechtsmittel geltenden Begründungsanforderungen nicht geläufig sind (BVerwG, B.v. 6.9.1965 – VI C 57.63 – BVerwGE 22, 38/40; BSG, B.v. 17.10.1984 – 9b BU 46/84 – juris Rn. 5; BFH, B.v. 10.9.1985 – VIII R 263/83 – juris Rn. 18 – 20; B.v. 6.5.1986 – III R 270/84 – juris Rn. 13).
Dass Herr G… der Urheber der Schriftsätze der Antragstellerbevollmächtigten vom 16. März 2018 und vom 15. Mai 2018 ist, folgt aus einem Vergleich der Wortwahl, des Satzbaus sowie des sonstigen Sprachstils dieser Zuschriften mit den Schreiben, die den Briefkopf und die Unterschrift von Herrn G… tragen und die sich in großer Zahl in den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten befinden. Denn die stilistischen und typografischen Eigentümlichkeiten, die für die von Herrn G. stammenden Schreiben kennzeichnend sind, finden sich auch in den beiden vorgenannten Zuschriften in vergleichbarer Art und Menge. Dies gilt z.B. für die ungewöhnliche Häufung von Begriffspaaren, wobei zwischen die einzelnen Ausdrücke zumeist ein (vom vorangehenden und vom nachfolgenden Wort oft durch Leerstellen abgesetzter) Schrägstrich eingefügt wird (vgl. aus der Zuschrift vom 15.5.2018 etwa „Feststellung / Beweiserhebung“, „Eil- / Nebenverfahren“, „recht- / gesetzmäßiger Betrieb“, „Betreiber / Inhaber“, „Erlaubnisse / Genehmigungen“ u.v.a.m.). Die Autorenschaft des Herrn G. bezeugen ferner die auffallend zahlreichen, zum Teil außerordentlich langen Satzperioden, die sich nicht selten über zehn oder mehr Zeilen hinweg erstrecken und deren Lesbarkeit zusätzlich dadurch erheblich erschwert wird, dass sie eine Vielzahl von Parenthesen sowie von zum Teil ineinander verschachtelten Nebensätzen enthalten. Ein Extrembeispiel stellt insofern der erste Satz des Abschnitts II in der Beschwerdeschrift vom 16. März 2018 dar, der sich – wenn auch mit Untergliederungen – über mehr als eine Schreibmaschinenseite hinweg erstreckt. Der Annahme, die anwaltlichen Bevollmächtigten der Antragstellerin hätten diesen Schriftsatz selbst durchgearbeitet, steht nicht zuletzt entgegen, dass sie in diesem Fall wohl nicht hätten übersehen können, dass das einleitende Satzfragment des Abschnitts II.b (es besteht aus den Worten „die Beklagte fortgesetzt unzutreffend“) über kein Prädikat verfügt, so dass diese Aussage letztlich unverständlich bleibt; an dieses Satzfragment schließen sich nicht weniger als fünf Nebensätze an, ohne dass die einleitende Wendung jemals einem syntaktischen Abschluss zugeführt wurde. Dass Herr G. den von ihm formulierten Gedankenakkumulationen des Öfteren nicht die Gestalt einer sowohl grammatikalisch als auch inhaltlich kohärenten Aussage zu verleihen vermag, ohne dass die anwaltlichen Bevollmächtigten der Antragstellerin zumindest derart evidente Fehlleistungen zum Anlass für ein korrigierendes Eingreifen genommen haben, verdeutlicht beispielhaft ferner die folgende, auf Seite 2 der Zuschrift vom 15. Mai 2018 enthaltene Textpassage:
„Denn das der Klägerin nach der ständigen Bundesverwaltungsgerichtes, bereits von Anfang an der gesetzlich garantierte Anspruch auf die beantragte Inzidentkontrolle in Bezug auf die Feststellung, dass die behauptete und als Grundlage für sämtliche Gaststätten-Erlaubnisse verwendete MK1-Festsetzung bereits vor fast 50 Jahren funktionslos geworden war und deshalb für das Anwesen der Klägerin ein faktisches WA / Allgemeines Wohngebiet zugunsten der Wohnungseigentümer bereits von Amts wegen zu berücksichtigen ist, kann und wird noch nicht einmal von der Beklagten bestritten.“
Zwar ist nichts dagegen zu erinnern, wenn Rechtsanwälte (zumal dann, wenn sie – wie hier – erst im zweiten Rechtszug beauftragt werden) für ihren schriftlichen Vortrag auf Ausarbeitungen des Mandanten oder eines in der Vorinstanz tätig gewordenen, selbst nicht postulationsfähigen Bevollmächtigten zurückgreifen. Das entbindet sie jedoch nicht von der Pflicht, solche Beiträge zu sichten, sie auf ihre tatsächliche und rechtliche Tauglichkeit hin zu überprüfen und im Rahmen der geschuldeten Durcharbeitung des Streitstoffs unbrauchbare Bestandteile aus den ihnen zur Verfügung gestellten Entwürfen auszusondern. Dass die anwaltlichen Bevollmächtigten der Antragstellerin diesen Pflichten nicht nachgekommen sind, folgt zusätzlich zu den bereits vorstehend dargestellten Umständen aus der Tatsache, dass die Beschwerdebegründung vom 16. März 2018 zum weitaus überwiegenden Teil Ausführungen enthält, die keinen Bezug zum möglichen Inhalt eines Ergänzungsantrags nach § 120 (i.V.m. § 122 Abs. 1) VwGO und einer sich hierauf beziehenden Beschwerde aufweisen. Dieser Schriftsatz befasst sich im Wesentlichen nur in seinem Abschnitt I und im Vorspann hierzu mit der vorliegend allein entscheidungserheblichen Frage, ob die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen ist, es sei kein (nicht erst im Weg der Auslegung zu ermittelnder, sondern von der Beschwerdeführerin eindeutig und offensichtlich gestellter) Antrag unverbeschieden geblieben. In den weiteren Teilen der Beschwerdebegründung wird demgegenüber schwerpunktmäßig dargestellt, warum die Rechtsschutzbegehren, die die Antragstellerin zum Gegenstand zahlreicher Klage- und Eilverfahren gemacht hat, zulässig und begründet seien; ferner übt Herr G. umfänglich Kritik an der Haltung, die die Antragsgegnerin in diesen Auseinandersetzungen eingenommen habe, sowie an der Handhabung dieser Verfahren durch das Verwaltungsgericht und an von dort aus erlassenen Entscheidungen. Der Sache nach hat er damit die Begründung der Beschwerde gegen einen Beschluss, in dem einem Ergänzungsantrag nach § 120 i.V.m. § 122 Abs. 1 VwGO nicht entsprochen wurde, ungeachtet des eng umgrenzten Streitgegenstands eines solchen Verfahrens zum Anlass genommen, um dem Rechtsmittelgericht in gewissem Sinn eine Gesamtdarstellung des sachlichen Konflikts zu unterbreiten, der u. a. dem Verfahren M 16 S7 17.250 zugrunde lag. Ein solcher Akt des „Herzausschüttens“ erscheint zwar aus der Sicht eines Laien verständlich, der – wie bei Herrn G. nach Aktenlage der Fall – als Bewohner des im Gemeinschaftseigentum der Antragstellerin stehenden Anwesens u. U. selbst von den Auswirkungen darin betriebener Gaststätten betroffen ist. Zugleich manifestiert sich in der fehlenden Professionalität einer solchen Beschwerdebegründung jedoch, dass der Rechtsanwalt, der sie unterzeichnet hat, die ihm nach dem Sinn und Zweck des Vertretungsgebots zukommenden Funktionen nicht wahrgenommen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht gleichwohl davon ab, die vorliegende Beschwerdeentscheidung tragend auf den Gesichtspunkt der Umgehung des gesetzlichen Vertretungserfordernisses zu stützen. Denn das vom Gesetzgeber mit der Schaffung des § 67 Abs. 4 VwGO verfolgte Anliegen, die Verfahren vor den Oberverwaltungsgerichten zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu versachlichen (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 67 Rn. 28), würde durch die Auseinandersetzungen, die mit praktischer Sicherheit zu erwarten wären, wenn der Verwaltungsgerichtshof eine Verwerfung der Beschwerde wegen eines Verstoßes gegen § 67 Abs. 4 VwGO in Aussicht nähme und die Antragstellerin deshalb hierzu zunächst angehört werden müsste, wesentlich stärker beeinträchtigt, als das bei einer Zurückweisung dieses Rechtsmittels als unbegründet der Fall ist. Der Senat behält es sich jedoch vor, seine Entscheidung in den weiteren vor ihm anhängigen Verfahren der Antragstellerin dann auf den Aspekt der Missachtung des gesetzlichen Vertretungserfordernisses zu stützen, falls die dort eingereichten Rechtsmittelbegründungen ebenfalls einen derartigen Schluss zulassen und die Klägerin bzw. Antragstellerin die insoweit inmitten stehenden Besorgnisse nicht durchgreifend entkräftet.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit im Sinn der letztgenannten Vorschrift, dass der Beigeladene etwaige im Beschwerdeverfahren entstandene Kosten selbst trägt, da er in diesem Rechtszug keinen Antrag gestellt hat und er damit seinerseits kein Kostenrisiko eingegangen ist.
4. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da in einem Beschwerdeverfahren der inmitten stehenden Art keine streitwertabhängigen Gerichtskostentatbestände verwirklicht werden.