Aktenzeichen M 3 K 15.2437
AGVwGO Art. 15
Leitsatz
Die Entscheidung über einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Ablegung von Prüfungen stellt keine personenbezogene Prüfungsentscheidung dar. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klage ist bereits unzulässig.
Die Klagefrist des § 74 VwGO wurde nicht eingehalten.
Nach § 74 VwGO müssen Anfechtungsklagen und Verpflichtungsklagen wegen Ablehnung von Anträgen auf Vornahme von Verwaltungsakten innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden, wenn nach § 68 VwGO ein Widerspruchsbescheid aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung nicht erforderlich ist. Eine derartige Bestimmung ist Art. 15 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 1992, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Juni 2015. Diese Ausnahme ist im vorliegenden Fall jedoch nicht einschlägig. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Nr. 6 AGVwGO sieht (nur) bei „personenbezogenen“ Prüfungsentscheidungen eine Wahlmöglichkeit des Betroffenen zwischen der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens und der unmittelbaren Klageerhebung vor (sog. fakultatives Widerspruchsverfahren). Danach entfällt das Vorverfahren nach § 68 VwGO, soweit es sich bei den Bescheiden vom 21. Oktober 2014 nicht um personenbezogene Prüfungsentscheidungen handelt, bei denen entweder Widerspruch eingelegt oder unmittelbar Klage erhoben werden könnte.
Die mit den Bescheiden vom 21. Oktober 2014 zum einen getroffene Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Frist zur Ablegung von Prüfungen stellt ebenso keine derartige personenbezogene Prüfungsentscheidung dar, wie die im weiteren getroffene Feststellung von wegen Fristüberschreitung als erstmals abgelegt und nicht bestanden geltenden Prüfungen sowie die schließlich getroffene Feststellung der endgültig nicht bestandenen Bachelorprüfung aufgrund des Überschreitens der Höchstzahl für das Ablegen von zweiten Wiederholungsprüfungen durch wegen Fristüberschreitung als abgelegt und nicht bestanden geltende Prüfungen.
Nach ständiger Rechtsprechung fallen Akte reiner Rechtsanwendung „ebenso wenig darunter wie Entscheidungen, die zwar im Zusammenhang mit Prüfungsverfahren ergehen, die jedoch nicht die eigentlich personenbezogene Beurteilung von Leistungen, Fähigkeiten, Wissen, Können oder Dispositionen auf der Grundlage einer Prüfung zum Gegenstand haben“ (BayVGH vom 1.3.2011 Az. 7 CE 11.376 m.w.N.). Infolgedessen kann auch eine Entscheidung über einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Ablegung von Prüfungen keine personenbezogene Prüfungsentscheidung darstellen, weil diese Entscheidung kein Teil einer personenbezogenen Beurteilung von einer Leistung, von Fähigkeiten, Wissen, Können oder Dispositionen auf der Grundlage einer Prüfung ist. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Entscheidung, die weit im Vorfeld der eigentlichen personenbezogenen Prüfung zu treffen ist. Die Prüfungsentscheidung im Rahmen der Bachelorprüfung ist nämlich ausschließlich die Bewertung der in der Prüfung selbst erbrachten Leistung, die gerade aufgrund der zwingenden Pflicht zur Gleichbehandlung aller Prüflinge ohne Ansehen der persönlichen Dispositionen des Prüflings zu treffen ist. Deshalb wurde in der Rechtsprechung auch eine Entscheidung über die Gewährung einer Prüfungsvergünstigung nicht als personenbezogene Prüfungsentscheidung angesehen (vgl. BayVGH vom 1.3.2011 Az. 7 CE 11.376). Entsprechendes muss im vorliegenden Fall gelten, da die hier zu beurteilende Entscheidung in Bezug auf die Meldefrist der Prüfung noch weiter vorgelagert ist als die Frage der Gewährung einer Prüfungsvergünstigung.
Auch handelt es sich bei der Entscheidung über das erstmalige Ablegen und Nichtbestehen einer Prüfung um keine personenbezogene Prüfungsentscheidung im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AGVwGO, weil die Entscheidung, ob die Frist zur Ablegung der Prüfung eingehalten wurde, keine Prüfungsentscheidung darstellt und auch ohne Ansehen der Person und ohne jegliche wertende Betrachtung einer persönlich erbrachten Prüfungsleistung getroffen werden kann.
Statthafter Rechtsbehelf ist damit bei Bescheiden wie den vorliegenden, da das Vorverfahren nach § 68 VwGO entfällt (Art. 15 Abs. 2 AGVwGO), ausschließlich die Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage, die gem. § 74 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 VwGO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden muss. Da die streitgegenständlichen Bescheide vom 21. Oktober 2014 gegen Postzustellungsurkunde am 23. Oktober 2014 zugestellt worden sind, begann die Monatsfrist zur Klageerhebung gem. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB am 24. Oktober 2014 und endete gem. § 188 Abs. 2 BGB am 23. November 2014 um 24.00 Uhr. Die erst am 11. Juni 2015 bei Gericht eingegangene Klage ist daher verspätet erhoben.
Vorliegend gilt auch nicht die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da die Bescheide alle mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrungversehen waren, die als einziges statthaftes Rechtsmittel die Klage bezeichnete.
Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO sind nicht ersichtlich, weil die Klägerin die Frist zur Klageerhebung nicht „ohne Verschulden“ versäumt hat. Sie hat nämlich die Sorgfalt außer Acht gelassen, die für einen gewissenhaften und sachgemäß Prozessführenden geboten ist und die ihr nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war. Die Bescheide vom 21. Oktober 2014 waren jeweils mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehen. Dennoch erhob die Klägerin nicht gemäß der Rechtsbehelfsbelehrung:innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts Klage, sondern legte Widerspruch ein. Die durch die Nichtbeachtung der in der Rechtsbehelfsbelehrung:enthaltenen Angaben verursachte Versäumung der Klagefrist ist somit verschuldet. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin wurde sie über die Rechtsbehelfsbelehrung:en in den Bescheiden hinaus nach ihren ersten Einwendungen gegen die Exmatrikulation (und damit wohl auch gegen das endgültige Nichtbestehen des Bachelorprüfung) mit Schreiben vom 24. Oktober 2014 von der Beklagten mit deren Schreiben vom 27. Oktober 2014 nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass gegen den diesbezüglichen Bescheid entsprechend seiner Rechtsbehelfsbelehrung:innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erhoben werden kann.
Der Mangel der nicht eingehaltenen Klagefrist wurde auch nicht dadurch geheilt, dass die Beklagte auf das nochmalige Schreiben der Klägerin vom 4. November 2014 hin, das von der Beklagten als Widerspruch gewertet wurde, mit Schreiben vom 11. Dezember 2014 mitteilte, dass dem Widerspruch nicht stattgegeben werden könne und ihr nochmals mitteilte, dass der Grund dafür darin liege, dass die zulässige Zahl an Wiederholungsprüfungen im Sommersemester 2014 überschritten worden sei. Damit hat sich die Beklagte gegenüber der Klägerin zum einen nicht in der Sache eingelassen. Dass sie weiterhin an der Auffassung festhielt, dass die Klage der einzige statthafte Rechtsbehelf ist, zeigt sich schon darin, dass in der Folge der gegen die Bescheide eingelegte Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2015 als unzulässig zurückgewiesen wurde und lediglich darüber hinaus auch ausgeführt wurde, dass der Widerspruch auch unbegründet gewesen wäre, da die Bescheide rechtmäßig seien.
Darüber hinaus ist die vom Bevollmächtigten der Klägerin insoweit zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorliegend nicht einschlägig, da sich diese allein darauf bezieht, dass bei der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr ein nicht fristgerecht eingelegter Widerspruch berücksichtigt werden darf, wenn sich die Verwaltungsbehörde trotz der Verfristung auf eine Entscheidung in der Sache eingelassen hat. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 20. Juni 1988, Az. 6 C 24/87, besagt lediglich, dass in einem Widerspruchsverfahren, das (nur) das Verhältnis zwischen der Behörde und dem durch den Verwaltungsakt Betroffenen berührt, die Widerspruchsbehörde auch über einen verspäteten Widerspruch sachlich entscheiden und damit den Weg zur verwaltungsgerichtlichen Sachprüfung eröffnen darf. Diese Entscheidung betrifft einen völlig anderen Fall als den hier vorliegenden und ist deshalb vorliegend – auch nicht analog – anwendbar. Im vorliegenden Fall wurde nicht die Widerspruchsfrist versäumt, sondern es wurde infolge der bloßen Einlegung eines nicht statthaften Rechtsbehelfs (Widerspruch) die fristgerechte Einlegung des einzig statthaften Rechtsbehelfs (Klage) versäumt. Bei dieser Fallkonstellation obliegt es nicht der Verwaltungsbehörde, den Weg zur verwaltungsgerichtlichen Sachprüfung zu eröffnen, sondern dieser Weg ist aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 74 VwGO nicht mehr gegeben.
Aus den dargestellten Gründen war die Klage daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO als unzulässig abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.