Aktenzeichen L 11 AS 165/17
SGG § 54
Leitsatz
Kein vorbeugender Folgenbeseitigungsanspruch möglich.
Wird im Klageverfahren aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs eine monatliche Zahlung für die Zukunft begehrt, wird insofern eine vorbeugende Leistungsklage erhoben. Hierfür bedarf es eines qualifizierten Rechtsschutzinteresses, das nicht gegeben ist, wenn der Betroffene auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
S 17 AS 83/16 2016-10-06 Urt SGBAYREUTH SG Bayreuth
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.10.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Es liegt ein wirksames Urteil des SG vor, das den Klägern ausweislich der Postzustellungsurkunden auch zugestellt worden ist. Die Übersendung von unbeglaubigten Protokollabschriften ändert daran nichts. Dass das Urteil des SG in der mündlichen Verhandlung am 06.10.2016 erlassen worden ist, wird durch die in den Akten des SG befindliche Niederschrift, die eine öffentliche Urkunde darstellt, bewiesen. Die Niederschrift ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefertigt und von der Vorsitzenden der 17. Kammer am SG sowie von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden (§ 122 SGG, §§ 159, 160 ZPO).
Die Kläger haben bislang keinen Antrag in der Sache gestellt, sondern vielmehr lediglich die Zurückverweisung des Verfahrens an das SG ohne Hauptverhandlung beantragt. Eine Zurückverweisung an das SG durch das Berufungsgericht kommt jedoch nur in den Fällen des § 159 Abs. 1 SGG in Betracht. Danach kann der Senat den Rechtsstreit an das SG zurückverweisen, wenn das SG selbst in der Sache nicht entschieden hat (§ 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG) oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und die Notwendigkeit einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme aufgrund des Mangels gegeben wäre (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Da aber eine Beweisaufnahme nicht notwendig und die Entscheidung des SG zutreffend ist, sieht der Senat keinen Anlass, die Sache an das SG zurückzuverweisen. Da keine Frist versäumt worden ist, bedurfte es auch keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Eine Feststellung der Nichtigkeit des „Abtrennungsbeschlusses des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.02.2016 in dem Verfahren S 17 AS 77/16“ kommt ebenfalls nicht in Betracht, da ein solcher Beschluss nicht vorliegt. Das SG hat die mit der Klageschrift vom 29.01.2016 geltend gemachten fünf Klageanträge nach Eingang in einzelnen Klageverfahren erfasst. Auch wenn es für die Trennung mehrerer in einer Klage erhobener Ansprüche eines zu begründenden Beschlusses bedarf (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 145 Abs. 1 ZPO), sind die Kläger im vorliegend gerichtskostenfreien Verfahren durch diese Auftrennung nicht beschwert. Das SG hat in den Klageverfahren S 17 AS 77/16 und S. 17 AS 80 bis 83/16 über sämtliche Begehren entschieden, so dass im Ergebnis jedenfalls auch ein möglicher Verfahrensfehler nicht dazu führen würde, dass die jeweiligen Entscheidungen darauf beruhen könnten.
Da die von den Klägern ausdrücklich gestellten Anträge damit ins Leere gehen, waren sie unter Berücksichtigung des Begehrens der Kläger nach § 123 SGG auszulegen (zur Auslegung: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl, § 123 Rn 3). Das SG kam zu der nachvollziehbaren Auslegung, den Klägern gehe es vorliegend (alleine) um eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 135 € monatlich aus einem FBA ab Klageerhebung. Dem schließt sich der Senat an, zumal die Kläger im Berufungsverfahren der Auslegung durch das SG nicht widersprochen und keine Umstände vorgebracht haben, die Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung begründen könnten.
Die Kläger haben keinen FBA gegen den Beklagten, der einen Zahlungsanspruch iHv monatlich 135 € seit Klageerhebung begründen könnte. Beim allgemeinen öffentlich-rechtlichen FBA handelt es sich um einen aus dem Richterrecht hergeleiteten Anspruch, mit dem die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff veränderten Zustandes im Wege der Naturalrestitution erreicht werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 10.08.1995 – 11 RAr 91/94 -, Urteil vom 29.05.1996 – 3 RK 26/95; Thüringer LSG, Beschluss vom 01.06.2017 – L 4 AS 851/16 B – alle zitiert nach Juris). Der Anspruch setzt damit voraus, dass durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht des Betroffenen ein rechtswidriger Zustand geschaffen wurde und dieser Zustand noch andauert (vgl. Thüringer LSG aaO mwN). Es geht dabei um die Rückgängigmachung der unmittelbaren Folgen einer rechtswidrigen Amtshandlung, insbesondere bei vollzogenen, rechtswidrigen Verwaltungsakten (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 27.05.2014 – B 8 SO 1/13 R – mwN – Juris).
Vorliegend fehlt es im Zeitpunkt der Klageerhebung an einem durch einen vollzogenen, rechtswidrigen Verwaltungsakt geschaffenen Zustand, da die Kläger die monatliche Pauschale von 135 € für die Zukunft begehren. Die Kläger erheben insofern letztlich eine vorbeugende Leistungsklage. Ebenso wie im Rahmen einer vorbeugenden Unterlassungsklage oder einer vorbeugenden Feststellungsklage bedarf es dafür aber eines qualifizierten Rechtsschutzinteresses, das nicht gegeben ist, wenn der Betroffene auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (vgl. zur vorbeugenden Unterlassungsklage: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 54 Rn 42a). Den Klägern ist es aber ohne weiteres zumutbar, sich mittels Widerspruch und Anfechtungsklage gegen (künftige) Sanktionsbescheide zu wehren. Sollten diese rechtswidrig sein, kann unter Einleitung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auch die Vollziehung der Leistungsabsenkung verhindert werden. Es bedarf damit nicht der Gewährung eines vorbeugenden Rechtsschutzes.
Die Kläger haben damit keinen FBA auf Zahlung von 135 € monatlich im Falle der Fortführung von Sanktionen nach Klageerhebung, so dass die Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.