Medizinrecht

Höhe der Beitragserstattung nach Durchführung eines Versorgungsausgleichs

Aktenzeichen  L 19 R 412/17

Datum:
9.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2018, 1751
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VI § 210 Abs. 5
VAHRG § 4
VersAusglG § 37 Abs. 2
SGB VI § 210 Abs. 4 S. 1
VersAusglG § 37 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Als Anrecht im Sinne des § 37 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG ist nicht der Anspruch der ausgleichspflichtigen Person auf Beitragserstattung nach § 210 SGB VI anzusehen. (Rn. 21)

Verfahrensgang

S 16 R 258/16 2017-06-08 GeB SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 08.06.2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 08.06.2017 ist zulässig, aber unbegründet. Denn der Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 04.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Weitere 6.234,57 Euro an Beiträgen sind dem Kläger nicht zu erstatten.
Das Sozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beklagte mit Bescheid vom 04.09.2013 die Höhe der Beitragserstattung zutreffend berechnet hat. Ist ein Versorgungsausgleich – wie hier – zu Lasten des Versicherten durchgeführt worden, wird der zu erstattende Betrag um die Hälfte des Betrages gemindert, der bei Ende der Ehezeit als Beitrag für den zum Zeitpunkt der Beitragserstattung noch bestehenden Abschlag zu zahlen gewesen wäre (§ 210 Abs. 4 Satz 1 SGB VI). Nicht angegriffen wurde die Berechnung des Betrages, um den die Erstattung zu mindern war. Ergänzend ist hierzu noch auszuführen, dass im Zeitpunkt der Erstattung noch ein Abschlag von 2,2892 Entgeltpunkten bestand; durch Urteil vom 13.06.2002 wurde eine Rentenanwartschaft von monatlich 57,95 Euro bezogen auf den 31.01.2002 übertragen, der Rentenwert West vom 01.01.2002 bis 30.06.2002 war 25,31406 Euro. Die Beiträge, die für den noch bestehenden Abschlag zu zahlen wären, wurden nach Maßgabe des § 187 Abs. 3 Sätze 1, 2 SGB VI i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. Beitragssatzgesetz 2002 zutreffend berechnet.
Entgegen der Auffassung des Klägers verbleibt es auch bei dieser Minderung des Erstattungsbetrages, denn die von ihm angeführten Härtefallregelungen des § 4 VAHRG oder § 37 VersAusglG sind nicht anwendbar. Die Regelung des § 4 VAHRG scheidet schon aufgrund des zeitlichen Anwendungsbereiches dieser Vorschrift aus. Ein Antrag auf nachträgliche Anpassung des Versorgungsausgleiches ist nicht vor dem 01.09.2009 bei der Beklagten eingegangen (§ 49 VersAusglG). Ein solcher Antrag kann auch nicht in dem Antrag des Klägers auf Beitragserstattung vom 21.05.2013 gesehen werden, denn dieser war nicht auf die Anpassung des Versorgungsausgleiches gerichtet. Dieser bezog sich vielmehr auf die Erstattung von Beiträgen und damit auf die Auflösung des Versicherungsverhältnisses (s. § 210 Abs. 6 Satz 2 SGB VI).
Auch § 37 VersAusglG führt nicht zu der vom Kläger begehrten Rechtsfolge. Diese Vorschrift bestimmt: Ist die ausgleichsberechtigte Person gestorben, so wird ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt (Abs. 1 Satz 1). Beiträge, die zur Abwendung der Kürzung oder zur Begründung von Anrechten zugunsten der ausgleichsberechtigten Person gezahlt wurden, sind unter Anrechnung der gewährten Leistungen an die ausgleichspflichtige Person zurückzuzahlen (Abs. 1 Satz 2). Die Anpassung nach Absatz 1 findet nur statt, wenn die ausgleichsberechtigte Person die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat (Abs. 2).
Zwar ist der geschiedenen Ehefrau des Klägers aus den übertragenen Anwartschaften vor ihrem Tod eine Leistung nicht gewährt worden. Insoweit wären die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VersAusglG erfüllt. Allerdings folgt hieraus nicht, dass die Beitragserstattung des ausgleichspflichtigen Klägers nicht mehr auf Grund des Versorgungsausgleiches gekürzt wird. Denn § 37 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG bestimmt ausschließlich als Rechtsfolge, dass ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person nicht länger gekürzt wird. Dies setzt voraus, dass bereits der Versicherungsfall bei der ausgleichspflichtigen Person eingetreten ist, der Kläger also Rentenleistungen aus seiner Versicherung bezieht. § 37 VersAusglG normiert den bisher in § 4 VAHRG geregelten Härtefall, der einer Forderung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entsprach, nachträglich eintretenden grundrechtswidrigen Auswirkungen des Versorgungsausgleiches zu begegnen (Urteil vom 28.02.1980 – 1 BvL 17/77 u.a. – juris). Das BVerfG hat ausgeführt, dass die grundrechtswidrigen Auswirkungen insbesondere gegeben seien, wenn die ausgleichspflichtige Person eine spürbare Kürzung ihrer Rentenansprüche hinnehmen müsse, ohne dass sich andererseits der Erwerb eines selbstständigen Versicherungsschutzes angemessen für die ausgleichsberechtigte Person auswirke (BVerfG aaO). Vor Eintritt des Versicherungsfalls, der Rentengewährung an den Ausgleichsverpflichteten, wirkt sich aber die Härte des Versorgungsausgleiches nicht aus, vielmehr ist erst die nach Eintritt des Versicherungsfalls dem Ausgleichsverpflichteten gewährte Rente nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleiches zu kürzen (vgl. zu § 4 VAHRG: BSG Urteil vom 08.11.1989 – 1 RA 61/87 – juris).
Im Übrigen bezieht sich die Formulierung in § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB VI „Anrecht der ausgleichspflichtigen Person … nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleiches gekürzt“ nicht auf eine Rückgängigmachung der Entscheidung des Familiengerichtes zum Versorgungsausgleich. Eine Rückübertragung der durch das Urteil des A-Gerichtes B-Stadt – Familiengericht – vom 13.06.2002 auf das Rentenkonto der geschiedenen Ehefrau übertragenen Rentenanwartschaften (Entgeltpunkte) findet nicht statt. Vielmehr verbleibt es bei der Gestaltungswirkung dieses Urteils. Im Fall der Erfüllung der Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 VersAusglG wird aber diese Gestaltungswirkung ausgesetzt, so dass die Kürzung der Anwartschaften (Entgeltpunkte) hinsichtlich der Berechnung der Rentenhöhe der ausgleichspflichtigen Person als nicht erfolgt gilt. Insoweit hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, dass als Anrecht im Sinne des § 37 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG die (übertragenen) Rentenanwartschaften und nicht der Anspruch der ausgleichspflichtigen Person auf Beitragserstattung anzusehen sind. Bei der Beitragserstattung wird der Auszahlungsbetrag auch nicht aufgrund von Entgeltpunkten, sondern aufgrund der vom Versicherten getragenen Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung ermittelt.
Die Höhe der Erstattung hängt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht vom Zufall ab. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass ein Antrag auf Beitragserstattung zeitlich nach einer Anpassung gem. § 37 VersAusglG den Ausschluss der Beitragserstattung nach § 210 Abs. 5 SGB VI zur Folge hätte. Im Fall der Rentengewährung könnte der Kläger nur die dann später gezahlten Beiträge erstattet verlangen.
Eine analoge Anwendung der Anpassungsregelung des § 37 VersAusglG scheidet aus. Der Charakter der Anpassungsregelungen in §§ 32 ff VersAusglG als Ausnahmen vom Grundsatz der Kürzung von Anrechten aufgrund des Versorgungsausgleiches sprechen dagegen, ihren Anwendungsbereich durch eine entsprechende Anwendung zu erweitern (vgl. zum VAHRG: BVerwG Urteil vom 24.11.1994 – 2 C 14/93 – juris).
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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