Aktenzeichen 10 Ns 419 Js 69302/17
StPO § 473 Abs. 1, Abs. 4
Leitsatz
Ein Diebstahl mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB liegt nicht vor, da der vom Angeklagten mitgeführte und zur Entfernung des Sicherungsettikets verwendete Seitenschneider seiner objektiven Beschaffenheit nach nicht geeignet ist, im Falle seines Einsatzes gegen Personen erhebliche Verletzungen herbeizuführen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
433 Ds 419 Js 69302/17 2018-02-26 Urt AGNUERNBERG AG Nürnberg
Tenor
I. Die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 26.02.2018 wird als unbegründet verworfen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Berufungsverfahren fallen der Staatskasse zur Last. Sollten durch die Berufung des Angeklagten ausscheidbare Kosten entstanden sein, trägt diese der Angeklagte.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Nürnberg hat den Angeklagten mit Urteil vom 26.02.2018 wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,00 € verurteilt.
Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 26.02.2018, bei Gericht eingegangen am selben Tage, zunächst Revision eingelegt und ihr Rechtsmittel sodann – nachdem der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 28.02.2018, eingegangen bei Gericht am 01.03.2018, Berufung eingelegt hatte – mit Schreiben vom 16.03.2018 als Berufung bezeichnet und begründet. Ziel der Berufung der Staatsanwaltschaft war es, eine Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB zu erreichen, weil der Angeklagte bei der Tat einen Seitenschneider bei sich geführt hat.
Die Berufung des Angeklagten wurde in der Berufungshauptverhandlung vom 09.05.2018 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft zurückgenommen.
Die Berufung der Staatsanwaltschaft blieb ohne Erfolg.
II.
Der am 30.03.1985 geborene Angeklagte ist rumänischer Staatsangehöriger und lebt seit mehreren Jahren in Deutschland. Seine in Rumänien absolvierte Ausbildung zum Telefontechniker ist in Deutschland bislang nicht anerkannt. Infolge dessen hält sich der Angeklagte zeitweise mit Aushilfsjobs in der Gastronomie über Wasser, derzeit ist er arbeitslos und empfängt Hartz-IV-Leistungen.
Der Angeklagte besucht derzeit einen Deutschkurs und beabsichtigt nach der erhofften Anerkennung seiner in Rumänien abgeschlossenen Ausbildung zum Techniker eine Beschäftigung in seinem erlernten Beruf.
Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
III.
Am 11.11.2017 gegen 14:30 Uhr entwendete der Angeklagte in den Geschäftsräumen der Firma TK M., Äußere B. Straße … in 90491 Nürnberg ein Paar Turnschuhe sowie eine Damenuhr im Gesamtwert vom 54,98 €, um die Waren ohne zu bezahlen für sich zu behalten. Mittels eines mitgeführten Seitenschneiders entfernte der Angeklagte die Warensicherung von den Turnschuhen. Der Seitenschneider ist 73 Gramm schwer und hat eine Gesamtlänge von ca. 11,5 cm, wovon ca. 8,5 cm auf die leicht gebogenen mit Gummi überzogenen Griffe entfallen. Das eigentliche Schneidwerkzeug hat eine Klingenlänge von 14 mm. Aufgrund einer zwischen den Zangenschenkeln angebrachten Feder befinden sich diese Klingen stets im teilweise geöffneten Zustand (Spannweite ca. 1 cm). Werden die Zangenschenkel auseinander gedrückt, ergibt sich eine maximale Spannweite von 2 cm, zum Schließen der Klingen müssen die Zangenschenkel zusammen gedrückt werden. Im geöffneten Zustand sind die Klingen an der vorderen Spitze nicht abgerundet, wird der Seitenschneider in der Hand gehalten und dabei die Klingen geschlossen, bilden sie eine abgerundete Spitze.
IV.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten und dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister.
Die Feststellungen zur Tat gründen sich auf das umfassende Geständnis des Angeklagten und die ausführliche in Augenscheinnahme des Seitenschneiders.
V.
Der Angeklagte hat sich damit schuldig gemacht des Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB. Ein Diebstahl mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB liegt nicht vor, da der vom Angeklagten mitgeführte und zur Entfernung des Sicherungsettikets verwendete Seitenschneider seiner objektiven Beschaffenheit nach nicht geeignet ist, im Falle seines Einsatzes gegen Personen erhebliche Verletzungen herbeizuführen.
Die 16. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg – Fürth hat sich in einem Beschluss vom 11.12.2017 – Aktenzeichen 16 Kls 412 Js 64048/17 – (Beck RS 2017, 138922) ausführlich mit der Frage, ob ein bei einem Diebstahl mitgeführter Seitenschneider mit einer Gesamtlänge von ca. 13 cm und einem Gewicht von ca. 180 Gramm ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB darstellt befasst und dies verneint.
Die hier entscheidende Kammer erachtet die dortigen Ausführungen als voll überzeugend und schließt sich ihnen an.
Als Schlagwerkzeug ist der vorliegende Seitenschneider, der in einer Männerhand nahezu vollständig verschwindet, aufgrund seiner geringen Größe und des geringen Gewichtes völlig ungeeignet. Auch als Stichwerkzeug ist er nicht ernsthaft verwendbar. Um einen gezielten Stich durchzuführen, muss der Seitenschneider fest in der Hand liegen, was nur dann der Fall ist, wenn die Klingen geschlossen sind, dann vorne eine abgerundete Spitze bilden und nur in einem geringen Umfang aus der Hand ragen. Ernsthafte Verletzungen lassen sich hierdurch nicht verursachen.
Mit den Klingen lassen sich zwar Gegenstände durchtrennen – dies entspricht der Funktion des Seitenschneiders – es erscheint aber nicht möglich einem Menschen ernsthafte Schnittverletzungen zuzufügen, weil hierfür die geringe Klingenlänge des zierlichen Werkzeugs nicht ausreicht.
VI.
Bei der Strafzumessung hat die Kammer sich im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten lassen:
Zugunsten des Angeklagten sprach sein Geständnis, der relativ geringe Wert der Diebesbeute und der Umstand, dass diese zurück gegeben werden konnten. Zudem ist der Angeklagte nicht vorbestraft.
Zulasten des Angeklagten wirkte sich aus, dass er sich mit einem Werkzeug zur Überwindung von Diebstahlssicherungen ausgestattet hatte und dieses bei den entwendeten Turnschuhen auch einsetzte.
Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte erschien eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen als tat- und schuldangemessen. Die Tagessatzhöhe war entsprechend der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten auf 15,00 € festzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, Abs. 4 StPO.