Sozialrecht

Invalidität nach Schulterprellung bei degenerativer Vorschädigung

Aktenzeichen  12 O 8259/17

Datum:
8.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 49948
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 178

 

Leitsatz

Erleidet der Versicherungsnehmer eine unfallbedingte Schulterprellung, die eine unfallunabhängige, das altersgerechte Ausmaß übersteigende bisher klinisch stumm verlaufene degenerative Vorschädigung der Schulter aktiviert hat, steht ihm keine weitere Invaliditätsleistung zu, wenn wegen der weit überwiegenden Mitwirkung der degenerativen Schulterbeschwerden eine unfallbedingte Invalidität von allenfalls 1% verbleibt und der Unfallversicherer nach diesem Prozentsatz bereits reguliert hat. (Rn. 25 – 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf EUR 58.710,00 festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf weitere Leistungen aus der Unfallversicherung.
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht München I nach § 215 Abs. 1 VVG örtlich zuständig.
II. Die Klage ist nicht begründet. Weitere Ansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Unfallversicherungsvertrag bestehen nicht.
1. Umfang und Bestand des Unfallversicherungsvertrages sowie die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen sind zwischen den Parteien unstreitig. Dem Vertrag liegt insbesondere eine Invaliditätsgrundsumme von EUR 309.000,00 zugrunde. Auch die Tatsache, dass der Kläger am 07.06.2014 beim Segeln einen Unfall erlitt, ist zwischen den Parteien unstreitig.
2. Eine unfallbedingte Invalidität hat der Kläger jedoch nicht nachgewiesen.
Dies steht fest auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. …. Dieser hat sich in seinem schriftlichen Gutachten vom 13.11.2017 zunächst ausführlich mit den vorliegenden ärztlichen Unterlagen befasst. Im Folgenden hat der Sachverständige die einzelnen beim Kläger vorliegenden Pathologien näher erläutert.
Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich der Schulter des Klägers, insbesondere der Rotatorenmanschette, degenerative Veränderungen vorliegen, die über das altersentsprechende Maß hinausgehen. Zur Verursachung einer von einem der Behandler des Klägers diagnostizierten Bizepssehnentendinitis sei der Unfallmechanismus schon nicht geeignet. Hinsichtlich einer beim Kläger vorliegenden AC-Gelenksarthrose, also einer Arthrose im Schultereckgelenk, führte der Sachverständige aus, dass eine Instabilität des Schultereckgelenkes durch eine AC-Gelenkssprengung beim Kläger nicht festgestellt worden sei. Eine Arthrose liege vor, der zwischen Unfall und Diagnose der Arthrose verstrichene Zeitraum sei jedoch zu kurz für die Entstehung einer posttraumatisch bedingten Arthrose. Bereits anlässlich eines MRT vom 08.07.2014 sei eine Arthrose festgestellt worden. Würde diese auf einem Trauma in Folge des Unfalles beruhen, hätte sie zu dem genannten Zeitpunkt noch nicht feststellbar sein dürfen. Ein Zusammenhang zwischen dem Unfall und der Schultereckgelenksarthrose des Klägers sei damit nicht nachweisbar.
Weiter seien bei dem Kläger Knorpelschäden am Schultergelenk festgestellt worden. Auch hinsichtlich dieser kam jedoch der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass sie nicht unfallbedingt entstanden seien. Wären die Knorpelschäden durch den Aufprall entstanden, hätte das MRT entsprechende Ödeme oder Einblutungen zeigen müssen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Auch ein Knochenmarksödem, das bei einer starken Kontusion, die geeignet gewesen wäre, Schäden am Knorpel herbeizuführen, zu erwarten gewesen wäre, sei beim Kläger nicht festgestellt worden. Vielmehr sei bei dem MRT nur ein geringer Gelenkserguss beschrieben. Eine entsprechende Traumatisierung des Gelenks sei daher nicht anzunehmen.
Anlässlich des MRT vom 08.07.2014 sei auch eine Rotatorenmanschettenruptur im anterioren Bereich der Supraspinatussehne festgestellt worden. Allerdings sei bei der Operation des Klägers keine Ruptur der Supraspinatussehne dokumentiert worden. Ohnehin sei der Unfallmechanismus nicht geeignet, eine Rotatorenmanschettenruptur herbeizuführen.
Insgesamt sei durch den Unfall lediglich eine Prellung der Schulter verursacht worden, die auf eine degenerative Erkrankung des Klägers an der Schulter getroffen sei, die das durchschnittliche Altersmaß überschritten habe.
Der Sachverständige führte weiter aus, es sei grundsätzlich denkbar, dass beim Kläger, der zuvor keine Schulterbeschwerden beschrieben habe, eine stumme degenerative Schädigung vorgelegen habe. Allerdings seien anlässlich der MRT-Befundung keine eindeutigen Zeichen einer Aktivierung einer solchen stummen degenerativen Schädigung festgestellt worden. Das MRT habe nur einen leichten Erguss bei einer geringen Arthrose im ansonsten unauffälligen Schultergelenk beschrieben.
Selbst wenn man von der Aktivierung einer stummen Schädigung durch den Unfall ausgehe, verbleibe aufgrund der beim Kläger am 09.07.2015 und somit in zeitlicher Nähe zum maßgeblichen Bemessungszeitpunkt 14.12.2015 festgestellten Messwerte für die Schulterbeweglichkeit keine relevante Invalidität.
Alles zusammenfassend besteht nach Auffassung des Sachverständigen bei dem Kläger eine Invalidität der rechten Schulter außerhalb der Gliedertaxe deutlich unter 1 %. Unfallbedingt könne dabei bestenfalls die Aktivierung einer über das Altersmaß hinausgehende degenerativen Veränderung angenommen werden. Ohne diese vorbestehenden Schäden wäre die Prellung der Schulter mit Sicherheit folgenlos ausgeheilt. Der Mitwirkungsanteil degenerativer Vorschäden sei nach Auffassung des Sachverständigen mit mindestens 90 % anzusetzen. Eine relevante Invalidität des Klägers aufgrund des Unfalls vom 07.06.2014 verbleibe nicht.
Der Sachverständige bestätigte diese Einschätzung nochmals in seiner mündlichen Anhörung im Termin vom 17.04.2018. Dabei setzte er sich auch nochmals mit dem Unfallmechanismus auseinander. Er legte erneut dar, dass der Unfallmechanismus nicht geeignet sei, eine Rotatorenmanschettenruptur bei dem Kläger zu verursachen.
Die Ausführungen des Sachverständigen waren insgesamt gut verständlich, nachvollziehbar und überzeugend. Der Sachverständige ging von den richtigen Anknüpfungstatsachen aus. Er beantwortete auch in der mündlichen Anhörung vom 17.04.2018 sämtliche Fragen umfassend, verständlich und überzeugend.
Ergänzend ist zu bemerken, dass der Sachverständige bei der Anhörung auch glaubhaft dargelegt hat, dass ihm eine Beurteilung des Unfallmechanismus, der im Verfahren vorgetragen wurde, nicht nur aufgrund seiner medizinischen Kenntnisse, sondern auch auf Grund seiner persönlichen Befähigung als Katamaransegler möglich sei.
Das Gericht schließt sich den Ausführungen des gerichtsbekannt, zuverlässigen und erfahren Sachverständigen vollumfänglich an und macht sich diese zu Eigen.
3. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen steht damit fest, dass eine unfallbedingte Invalidität des Klägers, wenn überhaupt, nur im Bereich von weniger als 1 % nachgewiesen werden kann. Die Beklagte hat das Unfallereignis bereits auf der Basis einer 1 %igen Invalidität reguliert.
Weitere Ansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Unfallversicherungsvertrages bestehen damit nicht.
Die Nebenforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung. Die Klage war insgesamt abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO. Der Streitwert war gemäß § 3 ZPO festzusetzen. Er richtet sich nach dem Klageantrag.

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