Aktenzeichen M 10 K 18.24
BayAbfG Art. 3 Abs. 1, Art. 7 Abs. 2, Abs. 5
Hausmüllentsorgungssatzung § 5 Abs. 11 S. 2
Leitsatz
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Heranziehung zu Gebühren für die Mitnahme von Abfällen, die nicht in die vorgeschriebenen gebührenpflichtigen Kunststoffmüllsäcke verbracht werden und neben Hausmüllbehältern liegen, auf einer Schätzung der losen Müllmenge beruht, soweit diese von entsprechend qualifizierten Personen vorgenommen wird. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Die Klage ist als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig. Danach ist die Klage abweichend von § 68 VwGO, also ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig, wenn über einen Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Die Klage kann regelmäßig nicht vor Ablauf von drei Monaten seit Einlegung des Widerspruchs erhoben werden.
Die Klägerin hatte zunächst fristgerecht mit Schreiben vom 26. April 2017, bei der Beklagten eingegangen am 2. Mai 2017, gegen den Gebührenbescheid vom 13. April 2017 sinngemäß Widerspruch („Einspruch“) eingelegt. Über diesen Widerspruch wurde nicht entschieden. Das spätere Schreiben der Klägerin vom 11. Juni 2017 auf Nachfrage des AWM vom 7. Juni 2017 stellt nach Auffassung des Gerichts wie auch nach Klarstellung durch den Ehemann der Klägerin keine Rücknahme des eingelegten Widerspruchs dar. Vielmehr ist das Schreiben so zu verstehen, dass sich die Klägerin gerade die Möglichkeit einer Untätigkeitsklage offenhalten wollte für den Fall, dass keine zeitgerechte Entscheidung über den Widerspruchsbescheid erfolge.
Sachliche Gründe, warum über den eingelegten Widerspruch binnen sieben Monate, also bis zur Klageerhebung, nicht entschieden wurde, sind nicht vorgetragen. Die Klage ist damit zulässig.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da der angefochtene Gebührenbescheid der Beklagten vom 13. April 2017 rechtmäßig ist und damit die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Nach Art. 3 Abs. 1 Bayerisches Abfallwirtschaftsgesetz (BayAbfG) ist die Beklagte als kreisfreie Gemeinde für die in ihrem Gebiet anfallenden Abfälle öffentlich-rechtliche Entsorgungsträgerin im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Sie erhebt hierfür nach Art. 7 Abs. 2 BayAbfG Gebühren. Für die Gebührenerhebung gelten nach Art. 7 Abs. 5 BayAbfG im Wesentlichen die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes mit gewissen Maßgaben. Hierzu hat die Beklagte die Satzung über die Hausmüllentsorgungsgebühren der … (Hausmüllentsorgungsgebührensatzung) vom 11. Oktober 2004 in der hier anzuwendenden Fassung der Änderung vom 4. Januar 2017 erlassen. Gegen die Rechtmäßigkeit dieser Gebührensatzung wurden von der Klägerin keine Gründe vorgetragen. Das Gericht geht in ständiger Rechtsprechung von der Wirksamkeit der genannten Hausmüllentsorgungsgebührensatzung aus.
a) Nach § 5 Abs. 1 Satzung über die Hausmüllentsorgung der … (Hausmüllentsorgungssatzung) vom 12. Dezember 2001 in der hier anzuwendenden Fassung der Änderung vom 4. Januar 2017 ist der Hausmüll ausschließlich in Müllbehältern anzusammeln, die in ihrer Beschaffenheit und ihren Maßen bestimmten Anforderungen je nach Größe des Müllbehälters entsprechen müssen. Nach § 5 Abs. 4 Hausmüllentsorgungssatzung müssen Müll- und Wertstoffbehälter in so ausreichender Zahl aufgestellt werden, dass sie innerhalb des vorgesehenen Abfuhrzeitraums und bei kurzfristigen Störungen der städtischen Hausmüllentsorgung den gesamten auf dem Grundstück anfallenden Hausmüll ordnungsgemäß aufnehmen können.
Nach § 3 Abs. 1 Hausmüllentsorgungsgebührensatzung werden die Gebühren nach Art und Zahl der benutzten Müllbehälter, nach der Häufigkeit ihrer Abfuhr oder nach Gewicht einschließlich eines Transportzuschlags berechnet. Das Anwesen der Klägerin ist an die Müllentsorgung der Beklagten angeschlossen, entsprechende Müllbehälter sind aufgestellt und werden regelmäßig entleert. Über die hierfür anfallenden Gebühren besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
b) Nach § 5 Abs. 11 Satz 2 Hausmüllentsorgungssatzung müssen zusätzlich zu den genannten Müllbehältern bestimmte Müllsäcke verwendet werden, wenn der Hausmüllabfall in einem Grundstück aus besonderen Gründen kurzfristig das Fassungsvermögen der erforderlichen Müllbehälter übersteigt. Derartige Kunststoffmüllsäcke werden gegen eine Gebühr von 6,00 € pro Sack erworben (§ 3 Abs. 8 Hausmüllentsorgungsgebührensatzung).
c) Nach § 3 Abs. 9 Hausmüllentsorgungsgebührensatzung werden für die Mitnahme von Abfällen, die nicht in die vorgeschriebenen gebührenpflichtigen Kunststoffmüllsäcke verbracht werden und neben Hausmüllbehältern liegen, dem Gebührenschuldner Gebühren nach der Zahl der Kunststoffmüllsäcke berechnet, die zum Verladen notwendig wären; gleiches gilt bei einer Überfüllung des Behälters.
Dies ist eine zulässige Regelung, die eine Schätzung der losen Müllmenge erfordert. Die Möglichkeit oder das Erfordernis einer Schätzung ist nach § 162 Abs. 1 AO gegeben, soweit die Besteuerungsgrundlagen – hier: Gebührenfestsetzungsgrundlagen – nicht ermittelt oder berechnet werden können. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Die Schätzung bei zusätzlichem losen Müll, der nicht mehr in die aufgestellten Müllbehälter hinein passt (Überfüllung) oder neben den vollen Müllbehältern gelagert wird, ist ein zulässiges und verhältnismäßiges Verfahren zur Feststellung der zusätzlichen Müllmenge, die abtransportiert und verwertet wird und für welche eben weitere Gebühren anfallen.
Eine exakte Feststellung des zusätzlichen Müllvolumens außerhalb der gefüllten stationären Müllbehälter wäre zwar durch eine Verwiegung des Zusatzmülls oder durch ein Einfüllen in mitgeführte Müllsäcke durch die Einsammelpartie möglich. Dieses Verfahren würde jedoch erheblichen zusätzlichen Zeitaufwand bei der Mülleinsammlung bedeuten, welcher zum einen den Tagesabfuhrplan der jeweiligen Mülleinsammelpartie durcheinanderbringen und zum anderen bei den Personalkosten gebührenerhöhend wirken würde. Insoweit ist es nicht zu beanstanden, eine schnelle und kostengünstige Feststellung durch eine Schätzung des Zusatzmülls durchzuführen, soweit diese von entsprechend qualifizierten Personen vorgenommen wird.
Nach den Feststellungen der Beklagten waren am 17. März 2017 die auf dem klägerischen Grundstück vorhandenen Restmüllbehälter überfüllt. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund des vom zuständigen Vorarbeiters der Mülleinsammelpartie hierzu am 17. März 2017 ausgefüllten Hinweiszettels (angekreuzt wurde: Müll auf dem Einsammelgefäß [Überfüllung]) sowie des Vortrags dieses Vorarbeiters in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2018.
Der Vorarbeiter hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft und nachvollziehbar ausgeführt, er sei seit etwa 10 Jahren in der Müllabfuhr tätig. Er habe häufiger mit losem Müll zu tun. Er müsse als Vorarbeiter (seit etwa einem Jahr) öfters die Menge des losen Mülls schätzen. Er könne sich noch an die Abfuhr beim klägerischen Anwesen am 17. März 2017 erinnern, seiner Schätzung nach seien es etwa die Menge von 4 Müllsäcken neben den schon vollen Containern gewesen; es könne auch zu viel Müll im Container gewesen sein, wie auf dem Zettel vom 17. März 2017 angekreuzt. Eine entsprechende Qualifikation durch langjährige Berufserfahrung, bei der auch zumindest zuletzt immer wieder die Schätzung von zusätzlichen Müllmengen gehört, hat der Vorarbeiter der zuständigen Müllsammelpartie vorzuweisen.
Soweit die Klägerin vorträgt, der Hausmeister des streitgegenständlichen Anwesens habe keinen zusätzlichen Müll festgestellt, der zu schätzen gewesen wäre, ist dem nicht weiter nachzugehen. Soweit der Hausmeister dafür angeboten wird, dass sich unmittelbar vor der turnusmäßigen Leerung der vorhandenen Restmüllbehälter kein weiterer Restmüll lose neben oder auf den überfüllten Behälter befunden hätte, ist dies zu unsubstantiiert. Ein anderer Verfahrensablauf wäre nur schlüssig dargelegt, wenn der Hausmeister bei der Leerung anwesend gewesen wäre und dabei festgestellt hätte, dass kein zusätzlicher Müll neben den aufgestellten Restmüllbehältern oder über die zulässige Befüllung der Restmüllbehälter hinaus vorhanden gewesen wäre. Selbst wenn sich der Hausmeister kurz vor der Leerung noch versichert hätte, dass kein zusätzlicher Müll am Restmüllbehälterstandplatz vorhanden war, könnte doch eine weitere Müllablage unmittelbar vor dem Leerungszeitpunkt erfolgt sein.
Der Klägerin steht es im Übrigen frei, für den gelegentlichen Anfall von Müllmengen, welche die Kapazität der aufgestellten Müllbehälter überschreitet, entsprechende Müllsäcke zur Befüllung durch ihre Mieter vorzuhalten, wodurch dann über die Anzahl der (kostenpflichtig erworbenen) Säcke auch eine exakte Gebührenzuordnung erfolgt.
3. Damit ist die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.