IT- und Medienrecht

Erlass einer einstweiligen Verfügung trotz Schutzschrift

Aktenzeichen  5 HK O 5426/18

Datum:
19.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
AG – 2018, 494
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AktG § 122 Abs. 3,§ 124a, § 125, § 131
FamFG § 40 Abs. 1,§ 375 Nr. 3
GKG § 48 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
InsO § 270 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die als Anlage KS&P 1 beigefügte Hauptversammlungseinladung unverzüglich gem. § 124a AktG über ihre Internetseite zugänglich zu machen.
II. Der Antragsgegnerin wird, vertreten durch den Vorstand, aufgegeben, unverzüglich innerhalb der Frist nach § 125 AktG die in Bezug auf die gemäß Anlage KS&P 1 einberufenen Hauptversammlung zu machenden Mitteilungen nach § 125 AktG zu versenden.
III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Der Streitwert wird auf € 6.000,– festgesetzt.

Gründe

1. Die einstweilige Verfügung war zu erlassen auch unter Berücksichtigung der in der Schutzschrift vorgetragenen Argumente.
a. Eine einstweilige Verfügung zur Vornahme einer Handlung, wie sie hier in Frage steht, wird jedenfalls dann für zulässig gehalten, wenn die geschuldete Handlung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes vorzunehmen ist und keine Aussicht besteht, innerhalb dieses Zeitraumes ein Urteil im ordentlichen Erkenntnisverfahren zu. Diese Sachlage ist hier gegeben. Nachdem die Antragsgegnerin der Aufforderung der Antragsteller zur Veröffentlichung und den Mitteilungen innerhalb der gesetzten Frist bis zum 10.4.2018 nicht nachgekommen ist, ist es ausgeschlossen, im Wege einer Leistungsklage angesichts der Notwendigkeit der Beachtung der von der ZPO gesetzten Fristen das Rechtsschutzziel zu erreichen, nachdem die Veröffentlichung nach §125 AktG mindestens 21 Tage vor der Hauptversammlung erfolgen muss (vgl. OG Frankfurt NJW 1975, 392, 393 für den vergleichbaren Fall von Gegenanträgen; Rieckers in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 125 Rdn. 45; Müller in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., § 125 Rdn. 35). Die Verpflichtung aus § 124 a AktG ist alsbald zu erfüllen – auch hier gilt, dass dies angesichts der Hauptversammlung am 18.5.2018 nicht ordnungsgemäß möglich wäre, wenn eine Hauptsacheklage angestrengt werden müsste. Anderenfalls würde der Normzweck der Informationspflichten im Vorfeld einer Hauptversammlung nicht erfüllt werden können. An diese Vorgabe des Amtsgerichts München in dem unternehmensrechtlichen Verfahren nach § 122 Abs. 3 AktG ist das erkennende Gericht gebunden. Dies ergibt sich aus dem Wesen des Ermächtigungsbeschlusses einschließlich des zu seinem Erlass führenden Verfahrens. Bei dem Verfahren nach § 122 Abs. 3 AktG handelt es sich um ein solches der freiwilligen Gerichtsbarkeit, weil es ein unternehmensrechtliches Verfahren im Sinne der §§ 375 Nr. 3 FamFG, 23 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 4 GKG ist. Dies hat zur Folge, dass ein Beschluss gemäß § 40 Abs. 1 FamFG mit Bekanntgabe an den Beteiligten wirksam wird, für den er bestimmt ist. Demgemäß muss nicht die Rechtskraft des Beschlusses abgewartet werden; ein Ausnahmefall nach § 40 Abs. 2 und Abs. 3 FamFG liegt ersichtlich nicht vor. Das Amtsgericht kann einen Beschluss nach § 122 Abs. 3 AktG nur dann erlassen, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen von ihm bejaht werden. Dieser Beschluss hat dann rechtsgestaltende Wirkung und kann nicht von der streitigen Gerichtsbarkeit in einem nachfolgenden streitigen Verfahren nach der ZPO anders beurteilt werden, solange der Beschuss nicht aufgehoben ist. (vgl. BayObLGZ 1986, 289, 293 f.; LG München I AG 2018, 206, 207; Noack/Zetzsche in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 122 Rdn. 124, Rieckers in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 122 Rdn. 68; Wagner ZZP 1992, 294, 303). Auch der Verstoß gegen Vorgaben der Insolvenzordnung wurde vom Amtsgericht München in diesem Verfahren geprüft. Inwieweit dies nachteilig für die Sanierungsbemühungen ist, ist von den Aktionären der Hauptversammlung zu entscheiden auf der Grundlage der ihnen gem. § 131 AktG erteilten Informationen.
b. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet, weil sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund bestehen.
(1) Der Verfügungsanspruch muss bejaht werden, weil die Verpflichtungen aus §§ 124 a, 125 AktG durchsetzbar sein müssen (vgl. Butzke in: Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 12. Das Amtsgericht München hat einen Beschluss nach § 122 Abs. 3 AktG erlassen, der auch ohne Rechtskraft Bindungswirkung entfaltet; der Beschwerde kommt keine aufschiebende Wirkung zu (vgl. Rieckers in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 122 Rdn. 59). Dann aber müssen auch die rechtlichen Schlussfolgerungen des Aktiengesetzes beachtet werden, wozu sowohl die Veröffentlichungen auf der Internetseite der Gesellschaft nach § 124 a AktG gehören wie auch die Mitteilungen nach § 125 AktG (vgl. Rieckers in Spindler/Stilz, AktG, a.a.O, § 124 a Rdn. 6 und § 125 Rdn. 6). Ebenso ist die Gesellschaft die richtige Antragsgegnerin, weil dem Insolvenzschuldner in dem Fall der Anordnung der Eigenverwaltung die Verwaltungs- und Verfügungsmacht über die Insolvenzmasse gem. § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO verbleibt; daraus folgt zugleich, dass er auch die Prozessführungsbefugnis behält (vgl. BGH ZIP 2007, 249, 250; BFH ZIP 2014, 894).
(2) Der Verfügungsgrund besteht, weil ohne die Einstweilige Verfügung die Informationspflichten leer laufen würden, wenn die Gesellschaft sie nicht freiwillig erfüllt und daher die Dringlichkeit zu bejahen ist.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
3. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus § 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

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