Arbeitsrecht

Voraussetzungen der Förderung einer weiteren Ausbildung nach zwei bereits abgeschlossenen berufsqualifizierenden Ausbildungen

Aktenzeichen  W 3 K 17.533

Datum:
11.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 21644
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG § 2, § 3, § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 5
BAföGVwV Nr. 7.2.18

 

Leitsatz

1 Eine weitere Ausbildung führt iSv § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BAföG eine erste Ausbildung nur bei einer Identität des materiellen Wissenssachgebietes in derselben Richtung fachlich weiter (wie BVerwG BeckRS 2010, 48589). (Rn. 16) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Eine weitere Ausbildung wird in der Verwaltungspraxis zu § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 BAföG ausnahmsweise dann gefördert, wenn bereits zwei berufsqualifizierende Abschlüsse vorliegen und der erste der berufsqualifizierenden Abschlüsse unabdingbare Voraussetzung für den zweiten Abschluss war. (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Der berufsqualifizierende Abschluss als Sozialassistent bildet keine unabdingbare Voraussetzung für die Ausbildung als Erzieher.  (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Wenn ein Student vor Aufnahme seines Studiums bereits zwei berufsqualifizierende Ausbildungen abgeschlossen hat, ist eine Förderung nach § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 BAföG nicht möglich (BVerwG BeckRS 2017, 103261). (Rn. 19) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 § 7 Abs. 2 S. 2 BAföG hat nicht die Funktion eines Auffangtatbestands, der die in § 7 Abs. 2 S. 1 BAföG aufgeführten Sachverhalte aus Gründen der Billigkeit ergänzt oder erweitert (wie BVerwG BeckRS 2008, 37333) (Rn. 20) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung für sein Studium an der Musikhochschule Würzburg. Der Bescheid des Studentenwerks vom 3. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) vom 31. Mai 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach § 7 Abs. 1 BAföG wird Ausbildungsförderung zumindest für drei Schul- oder Studienjahre berufsbildender Ausbildung i.S.d. §§ 2, 3 BAföG bis zu einem daran anschließenden berufsqualifizierenden Abschluss geleistet. Auf die Mindestförderungszeit i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG werden alle Zeiten einer förderungsfähigen berufsbildenden Ausbildung angerechnet, unabhängig davon, ob sie zu einem berufsqualifizierenden Abschluss geführt haben oder ob die Ausbildung mit öffentlichen Mitteln gefördert worden ist (BVerwG, U.v. 17.3.1983 – 5 C 27/81 – juris Rn. 7). Hiervon ausgehend war der Grundanspruch des § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG nach den Ausbildungen des Klägers zum staatlich geprüften Sozialassistenten und zum staatlich geprüften Erzieher verbraucht.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Förderung seines Studiums an der Musikhochschule Würzburg als weitere Ausbildung gemäß § 7 Abs. 2 BAföG. Die Voraussetzungen der Förderung einer weiteren Ausbildung nach den hier allein in Betracht kommenden § 7 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3, 4b und 5 BAföG und § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG liegen nicht vor.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG, weil das Studium der Elementaren Musikpädagogik nicht in derselben Richtung fachlich weiterführt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 24.6.1982 – 5 C 23/81 – juris Rn. 7) führt eine weitere Ausbildung eine erste Ausbildung nur bei der Identität des materiellen Wissenssachgebietes in derselben Richtung fachlich weiter i.S.d. § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG. Eine solche Identität des Wissenssachgebietes Elementare Musikpädagogik mit dem materiellen Wissenssachgebiet der vorangegangenen Ausbildung als Erzieher liegt ersichtlich nicht vor.
Auch ein Anspruch auf Förderung einer weiteren Ausbildung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4b BAföG besteht nicht. Nach dieser Vorschrift wird für eine einzige weitere Ausbildung Förderung längstens bis zu einem berufsqualifizierenden Abschluss geleistet, wenn der Auszubildende die Zugangsvoraussetzungen für die zu fördernde weitere Ausbildung an einer der in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4a BAföG genannten Ausbildungsstätten oder durch eine Nichtschülerprüfung oder eine Zugangsprüfung zu einer Hochschule erworben hat. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil der Kläger die Zugangsvoraussetzung zur Musikhochschule (Fachhochschulreife) bereits 2006 vor Beginn seiner berufsqualifizierenden Ausbildungen erworben hat.
Auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG liegen nicht vor. Zielrichtung dieser Vorschrift ist eine Gleichbehandlung der Absolventen von Berufsfachschulen und Berufsfachschulklassen, deren Besuch einen berufsqualifizierenden Abschluss nicht voraussetzt, mit den Absolventen einer Ausbildung in Betrieben und überbetrieblichen Einrichtungen (Steinweg in Ramsauer/Stallbaum, Kommentar zum BAföG, 6. Aufl. 2016, § 7 Rn. 90 ff.). Auch die Ausnahmeregelung nach Nr. 7.2.18 BAföGVwV liegt nicht vor. Die Verwaltungspraxis sieht hier vor, dass ausnahmsweise eine weitere Ausbildung gefördert werden kann, obwohl bereits zwei berufsqualifizierende Abschlüsse vorliegen, wenn der erste der berufsqualifizierenden Abschlüsse unabdingbare Voraussetzung für den zweiten berufsqualifizierenden Abschluss war. Entgegen der Auffassung des Klägers ist dies vorliegend aber nicht der Fall. Der berufsqualifizierende Abschluss als Sozialassistent war keine unabdingbare Voraussetzung für die Ausbildung als Erzieher, auch wenn beide Abschlüsse an der gleichen Schule absolviert wurden. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn der einzig mögliche Weg die Erzieherausbildung zu absolvieren darin bestehen würde, vorher einen berufsqualifizierenden Abschluss als Sozialassistent zu erwerben. Dies ist indes nicht der Fall. Nach der Website der Evangelischen Fachschule Osnabrück (Bl. 22 der Behördenakte) ist Voraussetzung für die Zulassung zur Erzieherausbildung entweder 1. ein erfolgreicher Abschluss als staatlich geprüfter Sozialassistent oder 2. ein berufliches Gymnasium Sozialpädagogik und Praxisanteil oder 3. ein pädagogischer Hochschulabschluss und Praxisanteil oder 4. der Abschluss als Heilerziehungspfleger.
Somit ist ein Zugang zur Erzieherausbildung nicht ausschließlich („unabdingbar“) mit dem Abschluss als Sozialassistent, sondern auch auf anderen Wegen möglich. Insbesondere stehen auch Wege offen, bei deren Beschreiten keine zwei berufsqualifizierenden Abschlüsse erworben werden müssen. Zudem hat die Abschlussprüfung als staatlich geprüfter Sozialassistent auch eine eigenständige berufsqualifizierende Bedeutung im sozial-pflegerischen Bereich, z.B. in der Kinder- und Jugendarbeit, in der Pflege oder in der Behindertenarbeit. Wenn ein Student vor Aufnahme seines Studiums bereits zwei berufsqualifizierende Ausbildungen abgeschlossen hat, ist eine Förderung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG nicht möglich (BVerwG, B.v. 16.2.2017 – 5 B 57.16 – juris Rn. 8 – gleiche Fallkonstellation wie vorliegend –; OVG Bautzen, U.v. 14.9.2017 – 1 A 388/16 – juris Rn. 18). Soweit der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 19. Dezember 2007 (10 TG 2266/07) angenommen hat, dass der Abschluss als staatlich geprüfter Sozialassistent eine unabdingbare Voraussetzung für die Ausbildung zum Erzieher sei, vermag das erkennende Gericht dieser Auffassung nicht zu folgen.
Schließlich ist auch die Verneinung eines Fördertatbestandes aus § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG durch den Beklagten nicht zu beanstanden. Diese Bestimmung stellt auf die besonderen Umstände des Einzelfalles ab, somit darf es nicht um eine Situation gehen, die eine Vielzahl von Auszubildenden in gleicher Weise betrifft. Insbesondere hat die Vorschrift nicht die Funktion eines Auffangtatbestandes, der die in § 7 Abs. 2 Satz 1 BAföG aufgeführten Sachverhalte aus Gründen der Billigkeit ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, U.v. 15.8.2008 – 5 C 18/07 – juris Rn. 22). Diese Regelung kommt vielmehr nur in besonderen Ausnahmefällen zum Tragen, etwa wenn der Auszubildende sich eine bereits abgeschlossene Berufsausbildung nicht mehr zunutze machen kann oder wenn er die Qualifikation für einen Beruf erwerben will, die durch den erfolgreichen Abschluss einer förderfähigen Ausbildung allein nicht erreicht werden kann. Maßgeblich sind insoweit nicht die subjektiven Vorstellungen des Klägers, sondern das objektive Erfordernis mehrerer Ausbildungen. Dass ein Mehr an Ausbildungen nützlich, sinnvoll und geeignet ist, die Ausübung des Berufes zu erleichtern, reicht hingegen nicht aus (vgl. OVG Bremen, B.v. 23.6.2010 – 2 B 144/10 – juris Rn. 6).
Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2, 1. Halbsatz VwGO abzuweisen.

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