Medizinrecht

Keine Kostenerstattung für ambulante Liposuktion

Aktenzeichen  L 20 KR 212/16

Datum:
28.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 45330
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 13 Abs. 3 S. 1, Abs. 3a

 

Leitsatz

1. Eine Leistung im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 ist dann unaufschiebbar, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Ausführung so dringlich war, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 15 KR 477/13 2016-04-12 GeB SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 12.04.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung auf der Grundlage von § 13 Abs. 3a SGB V oder § 13 Abs. 3 SGB V für die durchgeführten ambulanten Liposuktionen in Höhe von 6.560,06 €.
Der Senat verweist insoweit auf die Entscheidungsgründe im Gerichtsbescheid des SG Bayreuth gemäß § 153 Abs. 2 SGG.
Ergänzend zum Berufungsvorbringen der Klägerin, dass § 13 Abs. 3a SGB V auch auf Anträge anzuwenden sei, die vor dem Inkrafttreten eingegangen wären, ist Folgendes festzustellen: Das BSG hat in verschiedenen Entscheidungen, darunter vom 11.07.2017, B 1 KR 1/17 R, vom 26.09.2017, B 1 KR 6/17 R, vom 11.07.2017, B 1 KR 26/16 R, jeweils folgende Formulierung verwandt: „Nach dem maßgeblichen intertemporalen Recht (vgl. hierzu z.B. BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr. 13, Rn. 15; BSGE SozR 4-2500 § 275 Nr. 4 Rn. 13 ff mwN) greift die Regelung lediglich für Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen, die Berechtigte ab dem 26.02.2013 stellen (vgl. BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 33, Rn. 9).” Nach Ansicht des Senats ist damit klar und eindeutig vom BSG ausgedrückt worden, dass nur Anträge, die nach dem 26.02.2013 bei den Krankenkassen gestellt worden (zugegangen sind), auch vom Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V erfasst werden. Dabei ist im vorliegenden Fall auf den Antrag der Klägerin vom 21.01.2013 (Eingang bei der Beklagten am 23.01.2013) abzustellen und nicht auf den „Nachtrag zum Antrag“ vom 21.03.2013. Dieser „Nachtrag“ enthielt lediglich die angeforderten Dokumentationen und weitere Unterlagen. Voraussetzung für einen fiktionsfähigen Antrag im Sinne des § 13 Abs. 3a SGB V ist, dass der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf der Grundlage des Antrags begehrte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hinreichend bestimmt ist (vgl. BSG vom 11.07.2017, B 1 KR 1/17 R, BSG vom 26.09.2017, B 1 KR 6/17 R). Im vorliegenden Fall genügte der Antrag auf Kostenübernahme vom 21.01.2013 schon diesen Anforderungen. Dem Antrag war eindeutig zu entnehmen, dass die Kostenübernahme für zwei ambulante Liposuktionen an den Armen und Beinen/Hüften begehrt werde.
Soweit die Klägerin darauf abstellt, es bestehe ein Anspruch gemäß § 13 Abs. 3 SGB V, da die Beklagte eine unaufschiebbare Leistung nicht habe rechtzeitig erbringen können, liegt schon keine Unaufschiebbarkeit in diesem Sinne vor. Eine Leistung im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 ist dann unaufschiebbar, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Ausführung so dringlich war, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten (BSG vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R Rn. 15).
Alternative 1 kann in diesem Sinne schon nicht erfüllt sein, denn die Klägerin hat ja die Entscheidung der Krankenkasse abgewartet.
Soweit die Klägerin darauf abstellt, das Bewertungsverfahren zur Liposuktion sei zu spät eingeleitet worden, macht die Klägerin damit wohl ein Systemversagen geltend. Dazu ist Folgendes zu sagen: Mit Beschluss vom 20.07.2017 hat der GBA das Bewertungsverfahren zur Liposuktion bei Lipödem sowohl für die vertragsärztliche Versorgung als auch für die Krankenhausbehandlung bis 30.09.2022 ausgesetzt. Im Vorfeld kam der GBA nach Auswertung der bislang vorliegenden Studien zum Ergebnis, dass die Evidenzlage zum Nutzen der Liposuktion nicht hinreichend ist. Nach dem Aussetzungsbeschluss im Rahmen der Nutzenbewertung der Liposuktion beim Lipödem hat der GBA am 18.01.2018 nach § 137e Abs. 1 SGB V die Richtlinie für eine Erprobungsstudie beschlossen und damit die Grundlage für eine randomisierte kontrollierte Studie festgelegt.
Nach dem Gesichtspunkt des Systemversagens ist eine Leistungsübernahme bzw. Erstattung möglich, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode durch den GBA darauf zurückzuführen ist, dass das erforderliche Verfahren beim GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist (BSG vom 26.09.2006, B 1 KR 3/06 R).
Allerdings ist nicht ersichtlich, dass der GBA pflichtwidrig das Verfahren zu spät eingeleitet hätte, da die Methode durchaus nicht unstrittig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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