Bankrecht

Widerrufsbelehrung gemäß gesetzlichem Muster entspricht gesetzlichen Anforderungen

Aktenzeichen  8 U 7/18

Datum:
28.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 49844
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB aF § 347 Abs. 1 S. 1
BGB § 346 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Eine Widerrufsbelehrung, die dem Muster in Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB a. F. entspricht und insbesondere auch die einschlägigen Gestaltungshinweise beachtet, entspricht den gesetzlichen Anforderungen; sie ist daher einem Streit über ihre Gesetzmäßigkeit entzogen (Bestätigung von BGH, Urteil vom 15.08.2012 – Az. VIII ZR 378/11, BeckRS 2012, 17606). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nicht jede Anpassung des Mustertextes an die Gegebenheiten lässt die Wirkung des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a.F. entfallen. Erst wenn der Unternehmer das Muster einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzieht, die über das nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 4 EGBGB a.F. Erlaubte hinausgeht, verliert der Verwender die Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion. Dementsprechend lassen Anpassungen, die den gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB a.F. unschädlichen Abweichungen ihrer Qualität nach entsprechen, ohne die Deutlichkeit der Belehrung zu schmälern, die Gesetzlichkeitsfiktion unberührt (Bestätigung von BGH, Urteil vom 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BeckRS 2016, 17206 – Rn. 23, zu § 14 BGB-InfoV a. F.). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

43 O 69/17 2017-12-11 Endurteil LGBAYREUTH LG Bayreuth

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 11.12.2017, Az.: 43 O 69/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
II. Der Senat beabsichtigt weiter, dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen und den Streitwert für das Berufungsverfahren festzusetzen auf 5.553,18 Euro.
III. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 23. April 2018.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über Ansprüche nach einem vom Kläger mit Schreiben vom 04.05.2015 erklärten Widerruf seiner auf den Abschluss eines Darlehensvertrages (Nettokreditbetrag: X Euro) gerichteten Willenserklärungen vom 18.10.2011; das Darlehen ist mittlerweile vollständig zurückgezahlt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrages sowie wegen der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht Bayreuth hat die auf Zahlung von X Euro nebst Zinsen sowie auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Widerruf sei verfristet und unwirksam, weil der Kläger wirksam belehrt worden sei. Die erteilte Belehrung sei hinreichend verständlich und deutlich; überdies habe die beklagtenseits verwendete (im Tatbestand des Ersturteils wiedergegebene) Belehrung dem maßgeblichen Muster nach Anlage 6 zu Art. 247 § 6 EGBGB in der zwischen dem 04.08.2011 und dem 12.06.2014 geltenden Fassung entsprochen, weshalb die Beklagte sich ohnehin auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen könne. Ergänzend wird auf das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 11.12.2017 (Bl. 93 ff. d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung und wiederholt und vertieft in seiner Berufungsbegründung vom 15.03.2018 (Bl. 135 ff. d.A.) seine schon erstinstanzlich vorgebrachten Argumente.
II.
Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 11.12.2017, Az.: 43 O 69/17, hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat erachtet die Klage in Übereinstimmung mit dem Landgericht Bayreuth als unbegründet.
Die vorliegend zur Anwendung gekommene Widerrufsbelehrung (Anlage K 1; Seite 4 des Kreditvertrages vom 18.10.2011) ist gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB in der zur Zeit des Vertragsschlusses geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.) als den gesetzlichen Anforderungen genügend zu behandeln, weil sie tatsächlich dem Muster in Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB a. F. entspricht, insbesondere auch die einschlägigen Gestaltungshinweise beachtet wurden, und sie daher einem Streit über ihre Gesetzmäßigkeit entzogen ist (BGH, Urteil vom 15.08.2012, Az. VIII ZR 378/11).
Hierzu und zu den Berufungseinwendungen des Klägers im Einzelnen:
1. Soweit der Kläger darlegt, die Beklagte sei nicht gezwungen gewesen, die Musterbelehrung zu verwenden und sie hätte auch entsprechend den Vorgaben aus Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB a.F. in selbst gewählten Formulierungen den Kläger über sein Widerrufsrecht und die Widerrufsfolgen belehren können, ist dies zwar zutreffend, allerdings steht es dem Darlehensgeber frei, Rechtssicherheit (für sich) gerade dadurch zu schaffen, dass er, wie vorliegend, den Mustertext für eine Widerrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge in Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB richtig und formgerecht verwendet (Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl., EG 247 § 6 Rn. 6).
2. Nicht jede Anpassung des Mustertextes an die Gegebenheiten lässt die Wirkung des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a.F. entfallen. Erst wenn der Unternehmer das Muster einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzieht, die über das nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 4 EGBGB a.F. Erlaubte hinausgeht, verliert der Verwender die Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion. Dementsprechend lassen Anpassungen, die den gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB a.F. unschädlichen Abweichungen ihrer Qualität nach entsprechen, ohne die Deutlichkeit der Belehrung zu schmälern, die Gesetzlichkeitsfiktion unberührt (BGH, Urteil vom 12.7.2016, XI ZR 564/15, zitiert nach juris, Rn. 23 zu § 14 BGB-InfoV a. F.).
3. Den vorgenannten Maßgaben entsprechend hat die Beklagte den Gestaltungshinweis Nr. 3 zum Muster für eine Widerrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, also jenen, der die Angabe des richtigen Widerrufsadressaten betrifft, beachtet und ist ihm beanstandungsfrei gefolgt.
Ladungsfähige Anschriften eines Unternehmers sind seine Geschäftsanschriften, individualisiert durch die Angabe u.a. des Ortes, der Postleitzahl, der Straße, der Hausnummer, also jene Postanschriften, unter denen die Rechtspartei tatsächlich (und zuverlässig) anzutreffen ist. Die Beklagte mag, worauf es nicht ankommt, auch eine Anschrift haben, die den Ort des Hauptsitzes in D. postalisch korrekt beschreibt. Eine ladungsfähige Anschrift der Beklagten ist aber jedenfalls auch jener Ort, an dem die Beklagte ihre Abteilung „Produktservice/Widerruf“ geschaffen hat. Der Kläger trägt nicht vor, dass und weshalb die Beklagte die unter ihrer Anschrift H., gerichtete Post nicht erreicht oder ihr dort nicht zugestellt werden kann oder dort Ladungsfähigkeit fehlt. Die bezeichnete Anschrift in H. ist eine von mehreren ladungsfähigen Anschriften der Beklagten und die Beklagte ist auch dort für den Kläger (und jede andere Person) zu erreichen. Es stand der Beklagten deshalb frei, eine unter mehreren Anschriften auszuwählen. Um unternehmensinterne Weiterleitungen zu vermeiden, ist es sogar sinnvoll und für den Widerrufswilligen ohnehin günstiger, jene Adresse zu wählen, unter der die „Abteilung Produktservice/Widerruf“ unmittelbar erreichbar ist. Indem die Beklagte so verfahren ist, hat sie die Angaben zum Widerrufsadressaten gerade an ihre internen Strukturen und Zuständigkeiten angepasst, was nicht nur zulässig, sondern sogar kundenfreundlich ist.
Die von dem Kläger behauptete Gefahr der Verwirrung unter den im Kreditvertragsformular benannten Adressen der Beklagten besteht tatsächlich nicht, denn zu der in die Widerrufsbelehrung als Widerrufsadressat aufgenommenen Adresse findet sich der ausdrückliche Hinweis, dass sich dort die „Abteilung Produktservice/Widerruf“ befindet.
4. Nach Maßgabe der oben aufgezeigten Grundsätze ist auch der Gestaltungshinweis Nr. 5 („Hier ist der genaue Zinsbetrag in Euro pro Tag einzufügen. “) beachtet worden.
Auch die Nennung eines Zinsbetrages in Höhe von „0,00 Euro“ ist eindeutig. Dass sich der von den Parteien (maximal) zugunsten des Verbrauchers (auf 0,00 Euro) vereinbarte Betrag nicht mehr entsprechend der Höhe der Valutierung verringern lässt, ist für jeden verständigen Verbraucher und Adressaten der Widerrufsbelehrung offensichtlich und zweifelsfrei erkennbar. Die Aufnahme der in der Musterbelehrung vorgesehenen Regelung, wonach die Höhe vom Grad der Valutierung abhängt, ist deshalb nicht verwirrend. Die behauptete Widersprüchlichkeit liegt ebenfalls nicht vor.
5. Die Angabe von „0,00 Euro“ ist auch deshalb beanstandungsfrei, weil sie die von den Parteien vereinbarte Höhe zutreffend wiedergibt.
Dass sich die Parteien für den Fall eines Widerrufs – abweichend von § 347 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 2 BGB, nach dem bei der Berechnung des im Fall des Widerrufs vom Darlehensnehmer zu leistende Wertersatzes die vertraglich bestimmte Gegenleistung, dies wäre vorliegend der Sollzinssatz von 12,29%, zugrunde zu legen ist – einigen konnten und auch geeinigt haben, hat das Landgericht zutreffend und beanstandungsfrei ausgeführt. Die Parteien konnten sich für den Fall eines Widerrufs von Seiten des Darlehensnehmers dahin vereinbaren, dass der Darlehensnehmer Wertersatz von 0%, mithin also kein Wertersatz, für die Nutzung schulden würde.
Es kommt deshalb zu keiner Unstimmigkeit zwischen der Darlehensverzinsung einerseits und der Höhe des eventuell im Widerrufsfall zu leistenden Wertersatzes für die Nutzung andererseits. Beide Zinsbeträge sind nur lediglich nicht identisch.
6. Auf die Frage, ob der Beklagten als Folge der vorzeitiger Darlehensrückführung die von ihr geforderte und erhaltene Vorfälligkeitsentschädigung zugestanden hat (vgl. Berufungsbegründung vom 15.03.2018, Seite 5 – 7), kommt es für die Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht an. Rechtsfolge einer in diesem Punkt eventuell unzureichenden Information wäre nicht, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt, vielmehr dass ggf. keine Vorfälligkeitsentschädigung geschuldet ist, wenn der Darlehensnehmer die Darlehensvaluta vorzeitig, d.h. vor den mit der Beklagten vereinbarten Fälligkeiten, zurückführt.
III.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), weil sie keine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit hat. Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ZPO), weil der Fall keine Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ZPO), weil dies nur dann der Fall ist, wenn es zu vermeiden gilt, dass Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat. Die Frage, wie Musterbelehrungen für eine Widerrufsinformation nach Artikel 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB zu gestalten sind, um die Wirkung des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a. F. entfallen, ist höchstrichterlich hinreichend geklärt. Auch aus sonstigen Gründen ist eine mündliche Verhandlung nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).
Die beabsichtigte Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf die bei einer Berufungsrücknahme erfolgende Gerichtsgebührenermäßigung (vgl. GKG KV Nr. 1220, 1222) wird hingewiesen.

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