Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Bemessung des Gebührenstreitwerts der Klage auf Herausgabe des Leasingobjektes

Aktenzeichen  32 W 412/18

Datum:
26.3.2018
Fundstelle:
NJOZ – 2019, 427
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 6, § 8, § 9, § 331 Abs. 3
GKG § 41 Abs. 1, § 66 Abs. 2 bis 6, § 68 Abs. 1 u. Abs. 3 S. 1 u. 2
RVG § 32 Abs. 2

 

Leitsatz

Für die Bemessung des Gebührenstreitwerts der Klage einer Leasinggeberin gegen den Leasingnehmer auf Herausgabe des Leasingobjektes nach unstreitig beendetem Leasingvertrag ist auf den Verkehrswert des Leasingobjektes zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage abzustellen, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG iVm § 6 ZPO, und nicht auf das Nutzungsentgelt für die Dauer der Überlassung von einem Jahr. (Rn. 7)

Verfahrensgang

9 O 4658/17 Fin 2018-02-06 Bes LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts München II vom 06.02.2018, Az. 9 O 4658/17 Fin, abgeändert:
Der Streitwert wird festgesetzt auf € 16.858,00.

Gründe

I.
Die Klägervertreterin wendet sich gegen die Festsetzung des Gebührenstreitwerts durch das Landgericht.
Mit der Klage vom 29.11.2017 verlangte die Klägerin die Herausgabe eines Fahrzeugs, das sie aufgrund des Leasingvertrages vom 21.02.2013 an den Beklagten überlassen hatte. Der Leasingvertrag endete am 02.09.2016. Der Beklagte gab das Fahrzeug nicht zurück.
Am 06.02.2018 erging Versäumnisurteil gegen den Beklagten, das rechtkräftig wurde. Zugleich setzte das Landgericht den Streitwert auf € 4.777,08 fest.
Mit Schriftsatz vom 20.02.2018 legte die Bevollmächtigte der Klägerin in eigenem Namen Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung ein, die sie ausführlich mit Schriftsatz vom 12.03.2018 begründete. Zwar sei § 41 Abs. 1 GKG auch auf die Miete beweglicher Sachen anwendbar. Es liege aber kein Streit über das Bestehen des Leasingvertrages vor, der Gebührenstreitwert richte sich nach § 6 ZPO.
Das Landgericht hat der Beschwerde in dem Beschluss vom 15.03.2018 nicht abgeholfen. Es liege im Sinne von § 41 Abs. 1 GKG auch dann ein Streit über das Bestehen eines Mietverhältnisses vor, wenn sich der Beklagte nicht einlasse und sich auch nicht aus dem Sachvortrag der Klageseite ergebe, warum der Beklagte das Mietobjekt nicht zurückgibt. Denn dann wäre immer bei Säumnislage iSv § 331 Abs. 3 ZPO von dem Wert des Mietobjekts auszugehen. Dies widerspreche gerade bei Immobilien den Intentionen des Gesetzgebers. Gesetzeszweck sei, aus sozialen Gründen den Streitwert im Vergleich zu §§ 8, 9 ZPO abzusenken.
II.
Die befristete Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss ist zulässig. Nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG kann der Rechtsanwalt aus eigenem Recht gegen die Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Werts Rechtsmittel einlegen. Statthaftes Rechtsmittel ist die Beschwerde, § 32 Abs. 2 RVG iVm § 68 Abs. 1, 66 Abs. 2 bis 6 GKG.
1. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Für die Bemessung des Gebührenstreitwerts der Klage einer Leasinggeberin gegen den Leasingnehmer auf Herausgabe des Leasingobjektes nach unstreitig beendetem Leasingvertrag ist auf den Verkehrswert des Leasingobjektes zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage abzustellen, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG iVm § 6 ZPO, und nicht auf das Nutzungsentgelt für die Dauer der Überlassung von einem Jahr (vgl. Senat MDR 2015, 984). Die Regelung in § 41 Abs. 2 GKG ist auf die Herausgabe beweglicher Sachen nicht entsprechend anzuwenden. Ein Streit über das Bestehen des Mietverhältnisses i.S.v. § 41 Abs. 1 GKG liegt nicht vor, wenn mangels Einlassung des Beklagten der Vortrag der Klageseite zur Beendigung des Mietverhältnisses unstreitig bleibt.
a) Der in § 41 Abs. 2 GKG enthaltene Privilegierungstatbestand für die Bemessung von Gerichtsgebühren bei Klagen auf Räumung von Grundstücken, Gebäuden oder Gebäudeteilen lässt sich auf Klage auf Herausgabe beweglicher Gegenstände nicht entsprechend anwenden.
Wie die Vorgängervorschrift § 16 GKG aF enthält § 41 GKG in den Absätzen 1, 2 und 5 aus sozialen Gründen Regelungen zur Begrenzung der Höhe des Gebührenstreitwertes. Ziel dieser Begrenzung ist es, Mieter nicht durch hohe Gerichtsgebühren davon abzuhalten, das Bestehen oder die Dauer eines Mietverhältnisses oder etwa die Berechtigung einer Räumung der bisher genutzten Wohnung gerichtlich prüfen zu lassen (BT-Drs. 15/1971 S. 154). Grundlage dieser Erwägung ist, dass der in der Regel hohe Wert des herauszugebenden Gegenstandes zu Kosten des Gerichtsverfahrens führt, die gerade die typischerweise wirtschaftlich weniger starken Mieter besonders belasten und deshalb von der Durchsetzung ihrer Rechte abhalten könnten. Die Annahme, dass der Mieter einer Wohnung typischerweise wirtschaftlich weniger schwach ist, kann damit gerechtfertigt werden, dass der Mieter andernfalls Eigentum erwerben würde. Dass der Gesetzgeber die Regelung auch auf die Räumung gewerblich genutzter Grundstücke erstreckt hat, ist unerheblich.
Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung liegen nicht vor. Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Die Lücke muss sich also aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem – dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zugrundeliegenden -Regelungsplan ergeben, wie er sich aus dem Gesetz selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung ergibt und aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann (BGH NZM 2016, 890).
Anders als bei der Miete von Grundstücken kann bei Leasing von beweglichen Gegenständen nicht davon ausgegangen werden, dass die Zugrundelegung des Wertes des Leasinggegenstandes regelmäßig zu so hohen Gerichtsgebühren führt, die den Leasingnehmer davon abhalten, die Berechtigung des Herausgabeverlangens des Leasinggebers gerichtlich überprüfen zu lassen. Vielmehr steht regelmäßig der Wert des Leasinggegenstandes im Hinblick auf die gerichtlichen Gebühren in einem angemessenen Verhältnis zu der zu erwartenden wirtschaftlichen Leistungskraft des Leasingnehmers. Denn schon die monatlichen Leasingraten stehen in einem anderen Verhältnis zum Wert des Leasinggegenstandes. Nicht selten steht der Leasingvertrag wirtschaftlich einem Mietkauf nahe.
b) Es liegt kein Streit über das Bestehen oder die Dauer eines Mietverhältnisses oder eines ähnlichen Nutzungsverhältnisses vor, wenn der Vortrag des Klägers, das Vertragsverhältnis, auf dem die Gebrauchsüberlassung beruhte, sei beendet, unstreitig bleibt.
Zwar richtet sich der Gebührenstreitwert bei einem Streit über das Bestehen eines Leasingvertrages gemäß § 41 Abs. 1 GKG nach dem Jahresbetrag des vereinbarten Leasingentgelts (BGH, Beschluss vom 26. August 2014 – VIII ZR 335/13 -, Rn. 18, juris). Der Vortrag der Klägerin, der Leasingvertrag habe am 02.09.2016 geendet, ist jedoch unstreitig geblieben.
Bei der Frage, ob § 41 Abs. 1 GKG anwendbar ist, kann grundsätzlich nicht allein auf den Klagevortrag abgestellt werden, da die Vorschrift nicht das Bestehen eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses voraussetzt, sondern nur den Streit darüber. Es ist ausreichend, wenn der Beklagte mit seiner Einlassung ein Miet-, Pacht- oder ähnliches Nutzungsverhältnis einwendet (Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rn. 3775). Daran fehlt es hier. Der Anwendungsbereich kann anders als nach der Auffassung des Landgerichtes auch nicht auf die Fälle ausgeweitet werden, in denen die Gründe dafür, dass der Beklagte den Mietgegenstand nicht herausgibt, nicht geklärt werden können. Denn die Mieter von Immobilien sind, was das Landgericht nicht beachtet hat, schon durch die Privilegierung in § 41 Abs. 2 GKG geschützt.
Entscheidend ist auch nicht, ob letzten Endes über das Eigentum oder über den Bestand eines Mietverhältnisses gestritten wird (so aber Meyer, GKG/FamFG 2018, § 41 Rn. 6). Denn § 6 Satz 1 ZPO stellt gerade nur auf den Besitz und nicht auf einen Streit um das Eigentum ab.
Ausgangspunkt ist vielmehr die Regelung in § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, nach der die allgemeinen Regeln gelten, sofern das GKG nicht Abweichendes bestimmt. Bei der Klage auf Herausgabe des Leasinggegenstandes nach unstreitig beendetem Leasingvertrag bemisst sich der Streit nicht nach §§ 8, 9 ZPO mit dem Entgelt für dreieinhalb Jahre, sondern mit dem Wert des Leasinggegenstandes. Denn es liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, die eine Anwendung der §§ 8, 9 ZPO rechtfertigen. Dies kann bei der Klage auf Herausgabe einer Immobilie von vornherein anders zu beurteilen sein, da auch ohne Vortrag des Klägers davon ausgegangen werden kann, dass der Mieter auf den Besitz der Immobilie als Wohnort oder als Grundlage seiner wirtschaftlichen Tätigkeit dringend angewiesen ist und damit der Wert der Gebrauchsmöglichkeit im Vordergrund steht.
Bei einer Klage auf Herausgabe eines Leasinggegenstandes ist § 6 Satz 1 ZPO für die Bemessung des Streitwertes heranzuziehen. Abzustellen ist auf den Verkehrswert zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage. Dieser Wert beträgt nach den Angaben der Klägerin € 16.858,00.
2. Wegen der Zulässigkeit der Beschwerde sind im Beschwerdeverfahren keine Gebühren entstanden; eine Kostenerstattung für Auslagen findet nicht statt (§ 68 Abs. 3 Satz 1 und 2 GKG).

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