Aktenzeichen 8 ZB 17.2498
Leitsatz
Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten ist regelmäßig kein Wiedereinsetzungsgrund. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 2 K 17.1131 2017-10-27 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.206,76 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig, weil der Kläger die Frist zur Begründung des Zulassungsantrags versäumt hat. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann ihm nicht gewährt werden.
Nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist. Diese Frist hat der Kläger versäumt. Ausweislich der Gerichtsakte ist das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrungversehene Urteil des Verwaltungsgerichts dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9. November 2017 zugestellt worden. Damit endete die Frist zur Begründung des (rechtzeitig gestellten) Zulassungsantrags mit Ablauf des 9. Januar 2018 (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Innerhalb dieser Frist ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof kein Begründungsschriftsatz eingegangen.
Das am 9. Januar 2018 in den Nachtbriefkasten des Verwaltungsgerichts München eingeworfene Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 8. Januar 2018 wahrt die Frist nicht (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO). Dieser Schriftsatz war von dort aufgrund richterlicher Verfügung vom 10. Januar 2018 am Folgetag an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof weitergeleitet worden, wo er erst am 15. Januar 2018 und damit nach Ablauf der Zulassungsbegründungsfrist einging.
Dem Kläger kann auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Nach § 60 Abs. 1 VwGO setzt eine Wiedereinsetzung voraus, dass jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Verschuldet ist die Fristversäumung, wenn der Beteiligte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und sachgemäß Prozessführenden geboten ist und die ihm subjektiv auch zuzumuten war (BVerwG, B.v. 5.12.2016 – 6 B 17.16 – juris Rn. 16 m.w.N.). Dabei ist ihm ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zuzurechnen (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). Die Wiedereinsetzungsgründe, d.h. sämtliche Umstände, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zu der Fristversäumnis gekommen ist, müssen bei einem Wiedereinsetzungsgesuch grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO dargelegt werden (BVerwG, B.v. 26.6.2017 – 1 B 113.17 u.a. – juris Rn. 5).
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat den Wiedereinsetzungsantrag zwar fristgerecht binnen eines Monats (§ 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 VwGO) gestellt, aber innerhalb dieser Frist keine Wiedereinsetzungsgründe vorgetragen. Soweit der Klägerbevollmächtigte angibt, dass der Schriftsatz vom 8. Januar 2018 „für die Maske Bayer. Verwaltungsgerichtshof diktiert“ gewesen sei und sich dies auch aus dem Inhalt des Schreibens ergebe, wird hierdurch nicht dargelegt, warum dieser Schriftsatz nicht beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht wurde, sondern beim unzuständigen Erstgericht, an das er im Übrigen auch adressiert gewesen war. Es fehlt jeglicher Vortrag dazu, dass die Fristversäumung auf einem Verschulden von Hilfspersonen des Klägerbevollmächtigten beruhen könnte und diesem insoweit kein eigenes Organisationsverschulden vorzuwerfen wäre. Nachdem das Schreiben vom 8. Januar 2018 am Abend des letzten Tages vor Ablauf der Zulassungsbegründungsfrist in den Nachtbriefkasten des Verwaltungsgerichts eingeworfen wurde, konnte der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch nicht davon ausgehen, dass dieser Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang des Gerichts noch vor Fristablauf an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof weitergeleitet wird (vgl. dazu BVerwG, B.v. 30.1.2018 – 9 B 20.17 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Im Übrigen beschränkt sich das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten darauf, wiederholt seine Arbeitsbelastung als Grund dafür darzustellen, warum noch keine Rücksprache mit dem Kläger erfolgen konnte, sowie um Fristverlängerung zu bitten. Gründe, welche Umstände ihn daran gehindert haben, den Schriftsatz vom 8. Januar 2018, mit dem der Zulassungsantrag begründet wurde, bis zum Ablauf des 9. Januar 2018 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen, wurden bis heute nicht dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht. Selbst wenn die vorgetragene hohe Arbeitsbelastung des Klägerbevollmächtigten als Begründung des Wiedereinsetzungsantrags auszulegen sein sollte, kann deshalb keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Denn Arbeitsüberlastung ist regelmäßig keine Wiedereinsetzungsgrund (BayVGH, B.v. 5.7.2017 – 15 ZB 17.50022 – juris Rn. 6 m.w.N.). Wenn ein Rechtsanwalt eine Prozessvertretung übernimmt, ist die Wahrung der prozessualen Fristen eine seiner wesentlichen Aufgaben, der er seine besondere Sorgfalt widmen muss; soweit ihm das nicht möglich ist, muss er die Übernahme des Mandats ablehnen oder es an einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt weiterleiten. Zum Ausschluss des Verschuldens wegen Arbeitsbelastung des Prozessbevollmächtigten bedarf es deshalb stets des Hinzutretens besonderer Umstände, die ebenfalls dazulegen und glaubhaft zu machen sind. Hierzu gehört der Vortrag, dass der Bevollmächtigte alles seinerseits Mögliche getan hat, um die Fristversäumung trotz Arbeitsüberlastung zu vermeiden (BVerwG, B.v. 12.1.2015 – 4 BN 18.14 – juris Rn. 10 m.w.N.).
Daran fehlt es hier. Der Klägerbevollmächtigte hat in keiner Weise dargetan, dass er bei sorgfältiger, den Fristenlauf berücksichtigender Planung nicht in der Lage gewesen wäre, die Zulassungsbegründungsfrist einzuhalten (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2017 – 15 ZB 17.50022 – juris Rn. 7). Die im Schreiben vom 20. März 2018 behauptete Erkrankung seiner Sekretärinnen kann die beantragte Wiedereinsetzung schon deshalb nicht begründen, weil dieser Umstand erst nach Ablauf der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 VwGO vorgetragen und zudem nicht als Ursache für die Fristversäumung, sondern lediglich als Grund für ein weiteres Fristverlängerungsgesuch angeführt wurde. Eine weitere Fristverlängerung war indes nicht veranlasst, weil die Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO als gesetzliche Frist nicht verlängerbar ist (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 224 Abs. 2 ZPO); hierauf hat der Senat den Klägerbevollmächtigten auch ausdrücklich hingewiesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG. Er setzt sich zusammen aus den im angefochtenen Bescheid festgesetzten Straßenreinigungskosten in Höhe von 1.201,76 Euro und der vom Kläger ebenfalls angegriffenen Verwaltungsgebühr, die die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren auf 5,00 Euro reduziert hat.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).