Aktenzeichen Au 3 K 17.137
GG Art. 12
BRZG § 51 Abs. 1, § 53
PBefG § 13 Abs. 1 Nr. 2
Leitsatz
Eine Tat und die Verurteilung dürfen dem Betroffenen im Rechtsverkehr jedenfalls solange vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet werden, solange die Eintragung in das Bundeszentralregister nicht getilgt oder tilgungsreif ist. Der Umstand, dass eine Verurteilung nicht mehr in das Führungszeugnis aufzunehmen ist, begründet kein Verwertungsverbot. (Rn. 28)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Das Landratsamt hat den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Genehmigung für den Gelegenheitsverkehr mit drei Taxen zu Recht abgelehnt. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 PBefG darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn u.a. die Leistungsfähigkeit des Betriebs gewährleistet ist (Nr. 1) und keine Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Antragstellers als Unternehmer dartun (Nr. 2). Diese Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.
1. Die finanzielle Leistungsfähigkeit des Klägers ist nicht gegeben.
Der Begriff der finanziellen Leistungsfähigkeit im Sinn des § 13 Abs. 1 Nr. 1 PBefG wird in § 2 Abs. 1 der Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr (PBZugV) näher konkretisiert. Danach ist die finanzielle Leistungsfähigkeit als gewährleistet anzusehen, wenn die finanziellen Mittel verfügbar sind, die zur Aufnahme und ordnungsgemäßen Führung des Betriebs erforderlich sind (§ 2 Abs. 1 Satz 1 PBZugV). Sie ist zu verneinen, wenn die Zahlungsfähigkeit nicht gewährleistet ist oder erhebliche Rückstände an Steuern oder an Beiträgen zur Sozialversicherung bestehen, die aus unternehmerischer Tätigkeit geschuldet werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 PBZugV).
Die fehlende Zahlungsfähigkeit des Klägers wird durch den rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – … vom 20. April 2017 belegt, durch den der Antrag der … vom 2. Dezember 2015 auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde. Die Ermittlungen des Amtsgerichts … haben ergeben, dass selbst ein die Kosten des Insolvenzverfahrens deckendes Vermögen des Klägers nicht vorhanden ist. Dies folgt aus dem vom Amtsgericht … eingeholten Sachverständigengutachten vom 20. Februar 2017 und den umfangreichen schriftlichen Angaben, die er im gerichtlichen Anhörungsverfahren am 14. April 2016 gemacht hat. Danach ist der Kläger zahlungsunfähig.
Zudem bestehen bei dem Kläger erhebliche Rückstände an Beiträgen zur Sozialversicherung, die aus seiner früheren Tätigkeit als Taxiunternehmer geschuldet werden. So hat er Rückstände gegenüber der … in Höhe von 17.540,- EUR (vgl. deren Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers vom 2.12.2015) und gegenüber der … in Höhe von 4.072,- EUR (vgl. Urteil des Amtsgerichts … vom 20.10.2014). Soweit er in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, er habe durch die ihn selbst belastenden Angaben im Strafverfahren nur seinen Sohn … vor einem Aufenthalt im Gefängnis („Knast“) bewahren wollen und nicht er selbst, sondern sein Sohn … habe damals das Taxiunternehmen geführt, handelt es sich zur Überzeugung des Gerichts um eine Schutzbehauptung.
2. Es liegen Tatsachen vor, die die Unzuverlässigkeit des Klägers als Unternehmer dartun.
Der Begriff der Unzuverlässigkeit im Sinn des § 13 Abs. 1 Nr. 2 PBefG wird in § 1 Abs. 1 PBZugV näher konkretisiert. Danach gelten der Unternehmer und die zur Führung der Geschäfte bestellten Personen als zuverlässig, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei der Führung des Unternehmens die für den Straßenpersonenverkehr geltenden Vorschriften missachtet oder die Allgemeinheit bei dem Betrieb des Unternehmens geschädigt oder gefährdet werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PBZugV). Solche Anhaltspunkte sind insbesondere rechtskräftige Verurteilungen wegen schwerer Verstöße gegen strafrechtliche Vorschriften (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 PBZugV) und schwere Verstöße gegen Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes oder der auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsverordnungen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a PBZugV), gegen arbeits- oder sozialrechtliche Pflichten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b PBZugV) oder gegen abgabenrechtliche Pflichten, die sich aus unternehmerischer Tätigkeit ergeben (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. d PBZugV). Da für die berücksichtigungsfähigen Anhaltspunkte keine abschließende Regelung („insbesondere“) besteht, ist für die an dem Gesamtverhalten und der Persönlichkeit des Betroffenen auszurichtende Zuverlässigkeitsprognose maßgeblich, ob dieser willens und in der Lage ist, die einschlägigen Vorschriften zu beachten, wobei wegen der ihm anvertrauten Schutzgüter ein strenger Maßstab anzulegen ist und sich die Unzuverlässigkeit auch aus einer Häufung von im Einzelnen nicht so schwerwiegenden Verstößen ergeben kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.11.1970 – VII C 73.69 – BVerwGE 36, 288; BayVGH, B.v. 17.1.2018 – 11 CS 17.2555 – juris Rn. 8).
Die (letzte) rechtskräftige Verurteilung des Klägers, nämlich das Urteil des Amtsgerichts … vom 20. Oktober 2014, mit dem er wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 15 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 150,- Tagessätzen zu je 10,- EUR verurteilt wurde, ist zwar noch keine Verurteilung wegen schwerer Verstöße gegen strafrechtliche Vorschriften. Der Verurteilung liegen aber schwere Verstöße gegen abgabenrechtliche Pflichten aus unternehmerischer Tätigkeit zugrunde, durch die der betroffenen Krankenversicherung immer noch Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 4.072,- EUR vorenthalten werden.
Da die zehnjährige Tilgungsfrist für die genannte Verurteilung (vgl. § 46 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BZRG) nicht abgelaufen ist, besteht für die festgestellten Pflichtverstöße selbst dann kein Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG, wenn man die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG hier verneint. Zwar ist die Verurteilung vom 20. Oktober 2014 nicht mehr in das Führungszeugnis aufzunehmen, weil die hierfür nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa BZRG maßgebliche Dreijahresfrist mittlerweile abgelaufen ist, doch führt dies nicht zu einem Verwertungsverbot, sondern nach § 53 BZRG nur dazu, dass der Betroffene die Verurteilung und den ihr zugrunde liegenden Sachverhalt nicht mehr zu offenbaren braucht (vgl. SächsOVG, B.v. 17.10.2001 – 1 B 485/01 – juris Rn. 7; OVG RhPf, B.v. 7.3.2016 – 7 B 10052/16 – juris Rn. 9). Aus § 1 Abs. 3 PBZugV, der an die Stelle von § 1 Abs. 2 Satz 2 PBZugV a.F. getreten ist, ergibt sich nichts anderes. Aus dieser Bestimmung folgt nur, dass die Genehmigungsbehörde kein Recht auf unbeschränkte Auskunft hat. Dies wirkt sich aber nur auf die Offenbarungspflicht aus (vgl. § 53 Abs. 2 BRZG), führt jedoch nicht zu einem über § 51 Abs. 1 BZRG hinausgehenden Verwertungsverbot. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts Hamburg und des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. OVG Hamburg, B.v. 2.3.2007 – 1 Bs 340/06 – juris Rn. 3), der sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren angeschlossen hat (vgl. BayVGH, B.v. 17.1.2018 – 11 CS 17.2555 – juris Rn. 10), findet im Gesetz keine Stütze. In dem der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde liegenden Beschluss hatte die Kammer die Frage, ob Taten und Verurteilungen bereits dann nicht mehr verwertet werden dürfen, wenn sie nicht mehr in ein Führungszeugnis aufzunehmen sind, mangels Entscheidungserheblichkeit noch offengelassen (vgl. VG Augsburg, B.v. 30.11.2017 – Au 3 S 17.1561 – juris Rn. 40 „jedenfalls solange“). Auch führt die gegenteilige Auffassung angesichts der betroffenen Schutzgüter, wegen derer wie dargelegt ein strenger Maßstab anzulegen ist, zu unangemessen kurzen Verwertungszeiträumen.
Die dem Urteil des Amtsgerichts … vom 20. Oktober 2014 zugrundeliegenden Rechtsverstöße lassen nicht zuletzt deshalb Rückschlüsse auf eine persönlichkeitsbedingte Neigung des Klägers zur Missachtung einschlägiger Rechtsvorschriften zu, weil er bereits im Zeitraum vom 1. Oktober 2003 bis 23. Oktober 2007 ein entsprechendes Verhalten gezeigt hat, indem er seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der … in Höhe von insgesamt 17.540,- EUR nicht nachgekommen ist. Zudem hat der Kläger dadurch schwer gegen sozialrechtliche Pflichten verstoßen, dass er einen angestellten Taxifahrer nicht (mehr) bei der … angemeldet hat, obwohl dieser – wie von der Taxizentrale dokumentiert – in den Monaten Januar, Februar und April 2015 für ihn als Taxifahrer gearbeitet hat.
Des Weiteren hat der Kläger in gravierender Weise gegen Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes verstoßen, indem er nach dem 31. Mai 2015 weiterhin Personen gegen Entgelt mit Kraftfahrzeugen befördert hat, obwohl er zu dieser Zeit nicht mehr die hierfür erforderliche Genehmigung hatte. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund des Schreibens der Taxenzentrale … e.G. vom 24. Juni 2015, des Schreibens der … e.G. vom 28. Juli 2016 und der Schreiben des Polizeireviers … vom 2. September 2016 und 6. Dezember 2016. Von besonderer Bedeutung ist hierbei, dass der Kläger am 26. November 2016 bei einer Verkehrskontrolle gegenüber der Streifenwagenbesatzung eingeräumt hat, ab und an gegen eine (geringe) Gebühr Personen zu befördern. Zwar hat er dies nach Belehrung durch die Polizei bestritten und geäußert, er habe nach seinen Kindern schauen wollen, doch handelt es sich hierbei unter Berücksichtigung der Beobachtungen der Polizeibeamten um eine Schutzbehauptung. Unerheblich ist, dass das Landratsamt insoweit kein Ordnungswidrigkeitenverfahren durchgeführt hat. Wie bereits der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 PBZugV zeigt, kommt es allein darauf an, dass die Rechtsverstöße objektiv vorliegen. Ob vorwerfbar gehandelt wurde, ist nur im Ordnungswidrigkeitenrecht von Bedeutung (§ 11 Abs. 2, § 12 OWiG). Das Genehmigungsverfahren und das Ordnungswidrigkeitenverfahren dienen unterschiedlichen Zwecken. Während das Genehmigungsverfahren zukunftsbezogen der Gefahrenabwehr und -prävention dient, geht es in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren vergangenheitsbezogen um die Ahndung von Verstößen gegen bußgeldbewehrte Rechtsvorschriften. Ein Vorrang des Ordnungswidrigkeitenverfahrens gegenüber dem Genehmigungsverfahren besteht daher nicht, zumal der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz dem Rechtsschutz durch die ordentlichen Gerichte gleichwertig ist.
Die dargelegten Rechtsverstöße reichen aus, um die Unzuverlässigkeit des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung darzutun, so dass es auf die weiteren in dem Bescheid vom 2. September 2015 und in dem Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2017 aufgeführten Rechtsverstöße nicht mehr ankommt. Daher kann insbesondere offenbleiben, ob die Verurteilung vom 2. Mai 2007 wegen Betrugs nach Ablauf der zehnjährigen Tilgungsfrist (§ 46 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BZRG) im vorliegenden Verfahren noch verwertet werden darf, weil nach § 51 Abs. 2 BZRG Entscheidungen von Verwaltungsbehörden, die im Zusammenhang mit der Tat und der Verurteilung ergangen sind, vom Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG unberührt bleiben.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO).
Die Kostenentscheidung war gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.