Verwaltungsrecht

Aufenthaltserlaubnis: Kein Duldungsanspruch eines Jugendlichen

Aktenzeichen  RO 9 E 18.317

Datum:
16.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 12804
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 25a Abs. 1, § 58 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 60a Abs. 2 S. 1, § 81 Abs. 3, Abs. 4
JGG § 1 Abs. 2
VwGO § 123 Abs. 1
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

1 Durch die Stellung des Antrags auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG entfällt die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht in der Regel nicht. Denn die Antragstellung aus dem Duldungsstatus heraus löst nicht die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG aus, sodass der Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig bleibt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Aus der Systematik des § 81 AufenthG folgt, dass neben den gesetzlich geregelten Fällen eines fingierten Aufenthaltsrechts bzw. einer fingierten Duldung, die gegebenenfalls nach § 80 Abs. 5 VwGO durchzusetzen ist, für eine im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu erstreitende Fortgeltung des Aufenthaltsrechts oder Duldung kein Raum ist. Andernfalls käme es zu einer der gesetzlichen Regelung zuwiderlaufenden Erweiterung der Wirkungen des § 81 AufenthG. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3 Grundsätzlich ist nach der gesetzlichen Systematik ein nicht durch § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG geschützter Ausländer zur Ausreise verpflichtet und kann darauf verwiesen werden, von dort aus das Verfahren weiter zu betreiben. Dabei kann die Durchsetzung der Verpflichtung zur Ausreise nicht schon als Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverfolgung angesehen werden (OVG NRW BeckRS 2016, 43590) (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Eilantrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller, Staatsangehörige der Russischen Föderation, reisten am 7. Juli 2013 auf dem Landweg von Polen kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 13. August 2013 Asylanträge. Einem Übernahmeersuchen stimmten die polnischen Behörden mit Schreiben vom 20. August 2013 zu. Mit Bescheid vom 22. August 2013 erklärte das Bundesamt die Asylanträge für unzulässig und ordnete die Abschiebung der Antragsteller nach Polen an. Hiergegen erhoben die Antragsteller am 1. Oktober 2013 zum Verwaltungsgericht Regensburg Klage (RO 9 K 13.30525) und stellten gleichzeitig einen Eilantrag. Mit Beschluss vom 4. November 2013 (RO 9 S 13.30524) lehnte das Verwaltungsgericht Regensburg den Eilantrag mit der Maßgabe ab, dass die angeordnete Abschiebung der Antragsteller nach Polen erst dann erfolgen darf, wenn die Reisefähigkeit der Ehefrau des Antragstellers zu 1) durch eine amtsärztliche Bescheinigung nachgewiesen ist. Nach Ablauf der Rücküberstellungsfrist wurde über die Asylanträge im nationalen Verfahren entschieden. Mit Bescheid vom 21. März 2016 wurden vom Bundesamt die Asylanträge als zurückgenommen angesehen und das Asylverfahren eingestellt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Den Antragstellern wurde die Abschiebung in die Russische Föderation angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Tage ab dem Tag der Abschiebung befristet. Eine hiergegen erhobene Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 9. Mai 2016 abgewiesen (RO 9 K 16.30621), deren gleichzeitig gestellter Eilantrag wurde bereits mit Beschluss vom 18. April 2016 abgelehnt (RO 9 S 16.30620). Mit Schriftsatz vom 21. April 2016 wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 10. November 2016 gab der Antragsteller zu 1) im Wesentlichen an, dass sie wegen der Krankheit seiner Ehefrau nach Deutschland gekommen seien. Diese sei bereits im Heimatland behandelt worden, die Kosten der Operationen seien von einer sozialen Organisation bezahlt worden. Im Bundesgebiet sei die Behandlung fortgesetzt worden. Mit Bescheid vom 3. Januar 2017 lehnte das Bundesamt die Asylanträge ab. Es erging erneut eine Abschiebungsandrohung sowie ein Einreise- und Aufenthaltsverbot. Die anschließenden Klage- und Eilverfahren wurden mit Beschlüssen des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. Februar 2017 eingestellt (RO 9 S 17.30152 und RO 9 K 17.30153). Ein weiteres Klageverfahren gegen den Bescheid vom 3. Januar 2017 wurde aufgrund beidseitiger Erledigungserklärungen nach Feststellung eines Abschiebungsverbot für die Ehefrau des Antragstellers zu 1) nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch Bescheid des Bundesamts vom 13. März 2017 eingestellt (RO 9 K 17.30166). Der Ehefrau des Antragstellers zu 1) wurde daraufhin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG befristet bis zum 18. Juni 2018 (Passablauf) erteilt, die Antragsteller erhielten Duldungen ebenfalls befristet bis zum 18. Juni 2018. Am 18. Januar 2018 ist die Ehefrau des Antragstellers zu 1) verstorben.
Bereits am 9. Oktober 2017 beantragte der Antragsteller zu 1) für sich und die Antragsteller zu 2) bis 6) die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Mit Bescheid vom 1. Februar 2018 lehnte das Landratsamt Regensburg die Anträge ab. Für die Antragsteller zu 5) bis 7) wurde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG abgelehnt, da ein solcher Aufenthaltstitel nur für jugendliche oder heranwachsende geduldete Ausländer vorgesehen sei und Jugendlicher man nach § 1 Abs. 2 JGG mit 14 Jahren sei. Für die Antragstellerin zu 3) wurden die Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG verneint, da kein erfolgreicher Schulbesuch vorliege. Kriterien hierfür seien nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Regelmäßigkeit des Schulbesuchs und die Versetzungen in die nächste Klassenstufe. Die Antragstellerin zu 3) sei in die 7. Jahrgangsstufe (Schuljahr 2015/16) lediglich aus pädagogischen Gründen vorgerückt. In den Pflichtfächern Ethik, Deutsch als Zweitsprache, Englisch, Geschichte/Sozialkunde/Erdkunde und Arbeit-Wirtschaft-Technik habe sie jeweils nur die Note mangelhaft, in Mathematik die Note ungenügend erzielt. Im Schuljahr 2016/17 sei sie nicht in die nächste Jahrgangsstufe vorgerückt, da sie in den Fächern Mathematik, Englisch und Physik/Chemie/Biologie nur die Note ungenügend und in Arbeit-Wirtschaft-Technik die Note mangelhaft erzielt habe. Die Antragsteller zu 2) und 4) seien im Juli 2013 ohne gültige Visa in das Bundesgebiet eingereist. Im Rahmen des § 25a AufenthG seien grundsätzlich auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen aus § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG heranzuziehen, soweit sie nicht durch speziellere Regelungen verdrängt würden. Hiernach sei auch der Grundsatz der Visumpflicht mit einzubeziehen. Nach § 39 AufenthV könne der Aufenthaltstitel „über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus“ im Bundesgebiet eingeholt werden. In der Begründung zur Aufenthaltsverordnung würden hierzu als Beispiele § 5 Abs. 3 und § 10 Abs. 3 AufenthG genannt. § 10 Abs. 3 AufenthG enthalte für abgelehnte Asylbewerber jedoch keine Befreiung von der Visumpflicht. Das Visumverfahren sei bisher nicht nachgeholt worden. Der Antragsteller zu 1) erfülle weder die Voraussetzungen des § 25 AufenthG noch die des § 25b AufenthG. Er lebe seit knapp fünf Jahren im Bundesgebiet und sei auf Asylbewerberleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts angewiesen. Beziehungen zum Herkunftsland lägen vor, da er die Leiche seiner Ehefrau unmittelbar nach deren Tod dorthin habe überführen lassen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Bescheids Bezug genommen.
Am 2. März 2018 erhoben die Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg (RO 9 K 18.318) und stellten gleichzeitig einen Eilantrag.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass zur Auslegung des § 25a AufenthG in Ermangelung bundeseinheitlicher Verwaltungsvorschriften auf die Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BAYVVAuslR) in der Fassung vom 3. März 2014 verwiesen werde. Zu § 25a Abs. 1 AufenthG sei danach festzustellen, dass der „erfolgreiche“ Schulbesuch lediglich voraussetze, dass der Schulabschluss (noch) erreicht werden könne. Über diese Frage solle gegebenenfalls eine Stellungnahme der Schule eingeholt werden (vgl. Nr. 1.25a.2). Einzelne Nichtversetzungen spielten dabei zwar grundsätzlich eine Rolle, seien aber nach hiesiger Auffassung nicht geeignet, die Erwartung auszulösen, dass die Schule nicht mit einem anerkannten Schulabschluss beendet werde. Andernfalls wäre die pädagogisch gebotene Wiederholung einer Schulklasse obsolet. Vielmehr müsse unterstellt werden, dass das Wiederholen einer Klassenstufe genau dem Zweck diene, dem Schüler im späteren Verlauf das Erreichen des Schulabschlusses zu ermöglichen. Im Hinblick auf die Antragsteller zu 2) und 4) sei die Rechtsauffassung des Antragsgegners überhaupt nicht mit der Intention des Gesetzgebers in Einklang zu bringen. Hierzu werde auf Nr. 1.25a.4 verwiesen: „Von der gesetzlichen Möglichkeit, vom Visumserfordernis abzusehen (vergleiche § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG), soll Gebrauch gemacht werden“. Da kein sicherungsfähiges Aufenthaltsrecht vorliege, werde davon ausgegangen, dass eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO angezeigt sei. Offen sei die Frage, ob der Soll-Anspruch gemäß § 60a Abs. 2b AufenthG einen Hauptantrag oder lediglich einen Eilantrag, gerichtet auf die weitere Aussetzung der Abschiebung begründen könne. Entsprechend sei vorsorglich auch Klage auf Ausstellung einer Duldung in diesem Sinne für die weiteren Familienangehörigen, also für den Antragsteller zu 1) sowie die weiteren minderjährigen Geschwister (Antragsteller zu 5) bis 7)) erhoben worden. Ihnen stehe im Falle eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG für die Antragsteller zu 2) bis 4) ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60 a Abs. 2b AufenthG zu.
Die Antragsteller beantragen,
gemäß § 123 VwGO im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegner zu verpflichten, bis zu einer Entscheidung über die Klage vom Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen abzusehen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag nach § 123 VwGO sei bereits unzulässig, da vorrangig gegen den Bescheid vom 2. März 2018 ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu stellen wäre. Zur Begründetheit wird zunächst auf die Ausführungen im Bescheid vom 1. Februar 2018 verwiesen. § 25a Abs. 1 AufenthG stelle lediglich eine Sollvorschrift dar. Der Antragsteller zu 2) habe sich in nachfolgenden Zeiträumen wie folgt im Bundesgebiet aufgehalten:
2. Dezember 2013 bis 31. März 2014 (Duldung zur Rücküberstellung nach Polen; Absicht, freiwillig auszureisen),
1. April 2014 bis 1. Juni 2014 (Duldung, Übergang in nationales Verfahren),
2. Juni 2014 bis 2. September 2014 (Gestattung),
3. September 2014 bis 16. November 2014 (ohne Besitz eines ausländerrechtlichen Dokuments),
17. November 2014 bis 12. März 2017 (Gestattung),
13. März 2017 bis 22. März 2017 (ohne Besitz eines ausländerrechtlichen Dokuments),
23. März 2017 bis heute (Duldung).
Mit Verfügung vom 2. März 2018 sei die Duldung widerrufen und eine Ausreiseaufforderung ausgesprochen worden. Der Sofortvollzug sei angeordnet worden. Der Antragsteller zu 2) sei seit 7. Juli 2013 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig, jedoch sei der Aufenthalt während zweier Zeiträume nicht legitimiert gewesen. Die Verwaltungsvorschriften (BayVVAuslR) führten zwar unter Nr. 1.25a.2 aus, dass kürzere Unterbrechungen unschädlich seien, jedoch seien diese Verwaltungsvorschriften nicht mehr anwendbar, da die Neuerungen des Änderungsgesetzes zum AufenthG 2015 keine Berücksichtigung gefunden hätten. Stattdessen müsse ausschließlich dem Gesetzestext gefolgt werden. Auch sei § 85 AufenthG nicht einschlägig. Unabhängig davon erfülle der Antragsteller zu 2) die geforderte Zeitdauer auch deshalb nicht, da es sich bei der Duldung vom 2. Dezember 2013 bis 31. März 2014 lediglich um eine Duldung zur Rücküberstellung nach Polen, mithin um eine verfahrensbezogene Duldung gehandelt habe. Eine solche Duldung führe aber nicht zu einem geduldeten Aufenthalt im Sinne vom § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Seit dem Schuljahr 2017/2018 besuche der Antragsteller zu 2) die Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung. Die Ausbildung habe am 12. September 2017 begonnen, am 24. Oktober 2017 sei eine Abmeldung erfolgt, am 23. November 2017 der Wiedereintritt. Die Ausbildung dauere bis Juli 2019. Ab Dezember 2017 seien Leistungen nach dem BAföG bewilligt worden. Bisher habe der Antragsteller zu 2) keine Nachweise über eine schulische Ausbildung oder einen Abschluss darüber beigebracht. Der Beginn eines Vollzeitunterrichts an einer Berufsschule reiche nicht allein als Kriterium für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG, zumal die Zukunftsprognose negativ ausfalle. Nach Rücksprache mit der Klassenleitung sei ein erfolgreicher Abschluss nach derzeitigem Leistungsstand ausgeschlossen. Die im Februar 2018 beendete Probezeit habe ohne Erfolg geendet. Neben dem Schulabschluss bzw. Schulbesuch sei eine Zukunftsprognose aufgrund der bisherigen Integrationsleistung zu erstellen. Der Besuch der Berufsschule und der Umstand, dass der Antragsteller zu 2) bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei, stellten lediglich den „Standard“ für einen 17-jährigen Jugendlichen dar. Sein schulisches Verhalten zeige aber, dass er geltende Regeln nicht akzeptiere. Ein langjähriger Prozess der Verwurzelung bestehe nicht, er sei kein sogenannter „faktischer Inländer“. Die Verwurzelung der Familie sei trotz fast fünfjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet weiterhin im Heimatland. So sei auch der Leichnam der verstorbenen Mutter dorthin überführt worden. Darüber hinaus lägen auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nicht vor, insbesondere sei das nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderliche Visumsverfahren nicht nachgeholt worden.
Für die Antragstellerin zu 3) würden die gleichen vorstehend aufgeführten Aufenthaltszeiten wie für den Antragsteller zu 2) gelten. Sie besuche die Mittelschule Wörth an der Donau und sei in der Jahrgangsstufe 7 (Schuljahr 2015/16) lediglich aus pädagogischen Gründen in die nächste Jahrgangsstufe vorgerückt. Im Anschluss an das Schuljahr 2016/17 sei sie wegen ungenügender Noten nicht weiter vorgerückt. Zwar könne die Wiederholung des letzten Schuljahres unschädlich sein, allerdings müsste dann der zu betrachtende Zeitraum auf fünf Schuljahre ausgeweitet werden. Im Übrigen gelte das bereits zum Antragsteller zu 2) Gesagte.
Für die Antragstellerin zu 4) würden die gleichen vorstehend aufgeführten Aufenthaltszeiten wie für den Antragsteller zu 2) gelten. Sie besuche bisher unterdurchschnittlich die Mittelschule Wörth an der Donau. Die Integrationsprognose falle für sie negativ aus. Im Übrigen gelte das zum Antragsteller zu 2) Gesagte.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen. Die Gerichtsakten der abgeschlossenen Asylverfahren RO 9 S 13.30524, RO 9 K 13.30525, RO 9 S 16.30620, RO 9 K 16.30621, RO 9 S 17.30152, RO 9 K 17.30153 und RO 9 K 17.30166 wurden beigezogen.
II.
Der Eilantrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO ist statthaft, da für die Antragsteller auch nach eigenem Vorbringen die Voraussetzungen des § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG nicht vorliegen, so dass durch die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keine Fiktionswirkung eingetreten ist. Durch die Stellung des Antrags auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG entfällt die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht in der Regel nicht. Denn die Antragstellung aus dem Duldungsstatus heraus löst nicht die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG aus, sodass der Ausländer nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig bleibt. Danach besteht keine Rechtsposition, die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gesichert werden könnte (§ 123 Abs. 5 VwGO). Ein solcher Eilantrag kann nur auf die vorläufige Aussetzung der Abschiebung gerichtet sein, da der Erlass einer „einstweiligen Aufenthaltserlaubnis“ eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache darstellen würde. Der Statthaftigkeit des Antrags auf einstweilige Anordnung steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner die für die Antragsteller bis zum 18. Juni 2018 befristeten Duldungen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit Bescheid vom 2. März 2018 mit sofortiger Wirkung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung widerrufen hat. Die Wirksamkeit dieses Widerrufs hat – wie von Antragstellerseite richtig gesehen – Bedeutung für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes.
Aus der Systematik des § 81 AufenthG folgt, dass neben den gesetzlich geregelten Fällen eines fingierten Aufenthaltsrechts bzw. einer fingierten Duldung, die gegebenenfalls nach § 80 Abs. 5 VwGO durchzusetzen ist, für eine im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu erstreitende Fortgeltung des Aufenthaltsrechts oder Duldung kein Raum ist. Andernfalls käme es zu einer der gesetzlichen Regelung zuwiderlaufenden Erweiterung der Wirkungen des § 81 AufenthG (OVG Berlin-Brandenburg v. 5.2.2015 – 2 S 5/15 – juris). Grundsätzlich ist vielmehr nach der gesetzlichen Systematik ein nicht durch § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG geschützter Ausländer zur Ausreise verpflichtet und kann darauf verwiesen werden, von dort aus das Verfahren weiter zu betreiben. Dabei kann die Durchsetzung der Verpflichtung zur Ausreise nicht schon als Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverfolgung angesehen werden (OVG NRW v. 11.1.2016 -17 B 890/15 – juris).
Ein nach § 123 Abs. 1 VwGO sicherungsfähiger Anspruch kann sich von daher grundsätzlich nur aus der rechtlichen oder tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung ergeben (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Während zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse im Falle der Durchführung eines Asylverfahrens nur bei positiver Entscheidung des Bundesamts über das Bestehen von Abschiebungshindernissen einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung gegenüber der Ausländerbehörde nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG begründen, ergibt sich aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten auch im Anschluss an eine mögliche bestandskräftigen negative Entscheidung des Bundesamts ein Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis oder Duldung.
Aufgrund des Bescheides vom 2. März 2018 besteht für die Antragsteller jedenfalls ein Anordnungsgrund, ein Anordnungsanspruch ist im vorliegenden Fall nach summarischer Überprüfung allerdings nicht gegeben. Für die Antragsteller steht eine Unmöglichkeit der Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht im Raum. Eine Gefährdung der familiären Lebensgemeinschaft können die Antragsteller nicht für sich reklamieren, da sämtliche Familienmitglieder vollziehbar ausreisepflichtig sind und die Ausreise für alle vorgesehen ist. Eine Reiseunfähigkeit im engeren wie auch im weiteren Sinne im Falle der Abschiebung steht für die Antragsteller ebenfalls nicht im Raum. Eine aufenthaltsrechtliche Schutzwirkung können die Antragsteller im Hinblick auf ihr Privatleben als im Bundesgebiet aufgrund eines langjährigen Aufenthalts verwurzelte Ausländer aus Art. 8 EMRK nicht ableiten. Eine solche Schutzwirkung käme allenfalls in Betracht, wenn ein Ausländer in so hohem Maße aufgrund seiner Lebensumstände in Deutschland verwurzelt ist, dass er aufgrund einer abgeschlossenen und gelungenen Integration faktisch in so erheblichem Maße vom Aufenthalt im Bundesgebiet abhängig ist, dass ihm ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit schlechterdings nicht mehr zugemutet werden kann. Für die Antragsteller lässt sich trotz einer Aufenthaltsdauer seit 7. Juli 2013 im Bundesgebiet nicht von einer abgeschlossenen und gelungenen Integration sprechen, für die Antragsteller zu 2) bis 7) auch angesichts des Fehlens einer abgeschlossenen Schul- und Berufsausbildung.
Weiter bleibt darauf hinzuweisen, dass sich für die Antragsteller kein Duldungsanspruch daraus ableiten lässt, dass die Aussetzung der Abschiebung als Vorstufe oder Ersatz für die Beantragung eines Aufenthaltsrechts oder einen gerichtlichen Eilrechtsschutz im Verfahren über die Erteilung eines Aufenthaltstitels angesehen wird (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 60a AufenthG Rn. 52 m.w.N.). Darüber hinaus ist im summarischen Verfahren auch nicht erkennbar geworden, dass den Antragstellern zu 2) bis 4) ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels fehlerhaft versagt wurde und bei korrekter Ermessensausübung der Aufenthaltstitel erteilt werden müsste und ohne die Erteilung einer Duldung aber gefährdet wäre (a.a.O. Rn. 54). Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG wird für die Antragsteller zu 2) bis 4) als im Zeitpunkt der Antragstellung geduldete Ausländer nicht in Betracht kommen, da sie zu dem für die Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt dieses Beschlusses bereits nicht die Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllen, wonach sich ein jugendlicher oder heranwachsender geduldeter Ausländer seit vier Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhalten muss. Zu den Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet ist für die Antragsteller zu 2) bis 4) festzustellen, dass ihr Aufenthalt erstmals seit der Asylantragstellung am 13. August 2013 bis zur Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts vom 22. August 2013 gestattet war (§ 67 Abs. 1 Nr. 5 AsylVfG). Der anschließende Gestattungszeitraum liegt zwischen dem 4. Mai 2014 (Durchführung des nationalen Asylverfahrens) und dem 18. April 2016 (Ablehnung des Eilantrags durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. April 2016 (RO 9 S 16.30620); § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylG). Zwischen dem anschließend mit Schriftsatz vom 21. April 2016 beantragten Wiederaufnahmeverfahren bis zu den Einstellungsbeschlüssen vom 14. Februar 2017 (RO 9 S 17.30152 und RO 9 K 17.30153) liegt ein weiterer Gestattungszeitraum. Der Duldungszeitraum im Anschluss an die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 AufenthG für die zwischenzeitlich verstorbene Mutter der Antragsteller zu 2) bis 7) mit Bescheid des Bundesamts vom 23. März 2017 bis zum Widerruf mit sofortiger Wirkung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Bescheid vom 2. März 2018 reicht in der Summe mit den drei vorausgegangenen Gestattungszeiträumen nicht aus, den von § 25a Abs. 1 Nr. 1 AufenthG geforderten Vierjahreszeitraum zu erfüllen, und zwar unabhängig davon, ob die Gestattung- und Duldungszeiträume von Zeiträumen nicht legitimierten Aufenthalts bzw. rein verfahrensbezogenen Duldungszeiträumen (sog. Verfahrensduldung; vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17. 8. 2016 – 18 B 696/16 – juris) unterbrochen wurden. Auf das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 AufenthG kommt es danach nicht mehr entscheidungserheblich an. In der Folge scheidet auch die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2b AufenthG für den Antragsteller zu 1) und die Antragsteller zu 5) bis 7) aus.
Danach war der Eilantrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.

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