Aktenzeichen Au 6 E 18.30245
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 36, § 71 Abs. 5
Leitsatz
Geldstrafen als maßgebliches Mittel zur Ahndung kriminellen Unrechts sind sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch international als legitime Sanktionsform anerkannt und stellen für sich allein keine Verfolgung dar. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Kläger wendet sich mit einer Klage im Parallelverfahren (Au 6 K 18.30244) gegen die Ablehnung seines Asylfolgeantrages als unzulässig und begehrt mit dem vorliegenden Eilantrag die Mitteilung der Antragsgegnerin an die Ausländerbehörde, dass von deren Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG vorläufig kein Gebrauch gemacht werden darf bzw. eine bereits erfolgte Mitteilung widerrufen wird.
Der am … 1971 geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger türkischer Volkszugehörigkeit und sunnitischer Religionsangehörigkeit. Er reiste an einem nicht mehr feststellbaren Tag, spätestens jedoch am 21. Januar 2003 in die Bundesrepublik ein und beantragte am 29. Januar 2003 Asyl. Zum Anhörungstermin am 19. Februar 2003 erschien der Antragsteller nicht. Mit Bescheid vom 23. Juli 2003 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 1), stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 AuslG offensichtlich nicht vorlagen (Ziffer 2) und dass die Voraussetzungen des § 53 AuslG nicht vorlagen (Ziffer 3). Die Abschiebung in die Türkei wurde angedroht (Ziffer 4). Der Antragsteller habe eine Verfolgung im Heimatstaat nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere sei der Antragsteller unentschuldigt zum Anhörungstermin nicht erschienen und habe damit seine Mitwirkungspflichten gröblich verletzt. Eine konkrete Gefahr für den Antragsteller, der Folter oder einer anderen menschenrechtswidrigen Behandlung durch die türkischen Behörden im Fall einer Rückkehr unterzogen zu werden, sei nicht ersichtlich.
Der Antragsteller kam der Aufforderung, das Bundesgebiet bis zum 13. August 2003 zu verlassen, nicht nach. Ein Nachweis über eine erfolgte Ausreise wurde nicht vorgelegt. Da der Aufenthalt des Antragstellers seit dem 6. Februar 2003 unbekannt war, wurde er im Fahndungsbuch zur Festnahme ausgeschrieben (BAMF-Akte 2003 Bl. 76).
Am 13. Oktober 2016 beantragte der Antragsteller die Durchführung eines Folgeverfahrens. Schriftlich trug er vor, er sei vor ungefähr einem Monat wegen familiärer und politischer Konflikte über Bulgarien und Österreich in die Bundesrepublik eingereist. Er befürchte, bei einer Rückkehr in die Türkei getötet oder inhaftiert zu werden. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 7. Dezember 2016 (BAMF-Akte 2016 Bl. 50 ff.) und am 9. Februar 2017 (BAMF-Akte 2016 Bl. 79 ff.) gab der Antragsteller im Wesentlichen an, er sei schon 2002 bzw. 2003 in der Bundesrepublik gewesen, habe dann in die Türkei zurückkehren wollen, sei jedoch in Österreich aufgegriffen und wieder nach Deutschland gebracht worden. Von dort aus sei er in die Türkei abgeschoben worden. Im Jahr 2014 habe er sich zu Besuchszwecken 15 Tage in der Bundesrepublik aufgehalten. Ungefähr im August 2016 sei er dann über Bulgarien und Österreich mit Hilfe eines Schleusers wieder in die Bundesrepublik eingereist. Seit ungefähr drei Monaten sei er von seiner Ehefrau, die zusammen mit den vier gemeinsamen Kindern noch in der Westtürkei wohne, geschieden. Des Weiteren lebten noch seine Eltern, zwei Onkel väterlicherseits und drei Tanten mütterlicherseits in der Türkei. Er sei auf Baustellen im Betonbau beschäftigt gewesen, außerdem habe er in der väterlichen Landwirtschaft beim Anbau von Trauben gearbeitet. Da man ihn im Betonbau für wenig Geld hart habe arbeiten lassen, habe er sich ungefähr ein Jahr vor seiner Ausreise entschieden, nicht mehr im Betonbau zu arbeiten. Die Polizei habe immer nach ihm gesucht; er sei immer kontrolliert worden. Zwar habe er nicht bei großen Demonstrationen mitgemacht, aber immer seine Meinung über Erdoğan und die Kurdenpolitik gesagt, insbesondere acht- bis zehnmal über Lautsprecher. Nach einer Demonstration sei er nach Hause gegangen, dann seien vier Personen vom Geheimdienst gekommen. Er sei festgenommen und geschlagen worden, nach zwei Tagen hätten sie ihn freigelassen. Insgesamt sei er fünfmal festgenommen worden. Einmal sei er auch bei einem Verhör geflüchtet, dann sei auf ihn geschossen worden. Seine Ehefrau habe ihn wegen seines Einsatzes für die Kurden dann auch rausgeworfen und sich scheiden lassen. Auch Flugzettel gegen die Kurdenpolitik habe er verteilt. Des Weiteren habe er auch im Café seine Meinung gesagt, weswegen ihn eines Abends Zivilpolizisten mit verbunden Augen für zwei Tage mitgenommen und geschlagen hätten. Bei der letzten Verhaftung hätten ihn drei Zivilbeamte auf einem Berghügel an einen 25m tiefen Abgrund gebracht und ihn gefragt, was sein letztes Wort sei. Anstatt zu antworten, sei er weggerannt, dabei habe er 25 Schüsse gehört. Mit finanzieller Hilfe seines Onkels mütterlicherseits, der ihm 5.000 Euro geschenkt habe, sei er anschließend ausgereist. Dokumente über seine Festnahmen gebe es nicht. Des Weiteren würden sich einige Leute an seine Fersen heften, da er mit insgesamt 10.000 Euro bei verschiedenen Personen verschuldet sei. In den eineinhalb Monaten, in denen er sich unmittelbar vor seiner Ausreise in … aufgehalten habe, sei ihm nichts passiert. In Deutschland wünsche er sich eine Arbeitserlaubnis und dass er bei seiner Freundin bleiben dürfe, die er heiraten wolle.
Am 9. März 2017 ließ sich der Antragsteller einen türkischen Reisepass vom türkischen Generalkonsulat in München ausstellen.
Mit Bescheid vom 11. Mai 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Die Abschiebung in die Türkei wurde angedroht (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Die Voraussetzungen zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens lägen vor. Der Kläger habe indes eine begründete Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden nicht glaubhaft gemacht. Er sei nie ein exponierter Gegner der türkischen Regierung gewesen und habe keine herausgehobene politische Funktion begleitet. Die geltend gemachten Verfolgungshandlungen seien auch nach Vortrag des Antragstellers ausschließlich durch Zivilbeamte seines Heimatdorfes erfolgt. Es gebe keine Indizien dafür, dass gegen den Antragsteller ein Strafverfahren anhängig sei oder er aus sonstigen Gründen landesweit gesucht werde. Der Antragsteller gehe auch keinen exilpolitischen Aktivitäten nach. Die Voraussetzungen für subsidiären Schutz lägen ebenfalls nicht vor. Es sei nicht zu erwarten, dass dem Antragsteller als Rückkehrer Folter durch staatliche Stellen drohe. Abschiebungsverbote bestünden nicht. Zum einen sei der Antragsteller arbeitsfähig, zum anderen würden ihn seine Eltern und sein Onkel bei einer Rückkehr wie schon in der Vergangenheit finanziell unterstützen. Der Bescheid ist seit 28. November 2017 bestandskräftig.
Am 23. Mai 2017 beantragte der Antragsteller Unterstützung durch das Starthilfe Plus-Programm 2017 und erhielt Reisebeihilfe für die Rückreise. Am 26. Juni 2017 meldete die Zentrale Ausländerbehörde, dass der Antragsteller nicht am Flughafen erschienen sei, meldete den Antragsteller als nach unbekannt verzogen und schrieb ihn zur Aufenthaltsermittlung aus.
Am 23. Januar 2018 stellte der Antragsteller erneut einen Asylfolgeantrag und führte aus, er sei mit dem Pkw zurück in die Türkei gereist, nachdem er sein Flugticket verloren habe. Ungefähr vier Monate bis zum 6. November 2017 habe er in der Türkei gelebt und sei anschließend über Bulgarien und Österreich erneut in die Bundesrepublik eingereist, weil er seine in Deutschland lebende Freundin heiraten wolle. Außerdem habe er in der Türkei ein Schreiben bekommen, nach dem er eine Strafe zahlen müsse. Er habe Angst vor der türkischen Polizei und vor Präsident Erdoğans Parteiangehörigen, da diese nach ihm suchten.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 29. Januar 2018 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens als unzulässig (Nr. 1 des Bescheids) und auf Abänderung des Bescheides vom 11. Mai 2017 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG ab (Nr. 2). Zur Begründung ist u.a. ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass der Antragsteller nie aus der Bundesrepublik ausgereist sei. Der Antragsteller sei vielmehr untergetaucht und habe dann erneut einen Folgeantrag gestellt, ohne sich in der Zwischenzeit überhaupt in seinem Herkunftsland aufgehalten zu haben. Des Weiteren folge aus der Forderung zur Zahlung einer Geldstrafe keine Verfolgung durch den türkischen Staat. Auch der Vortrag, der Antragsteller habe Angst vor der türkischen Polizei und vor Erdoğans Parteiangehörigen sei pauschal und im Übrigen auch schon in den vorherigen Verfahren vorgetragen worden. Neue Beweismittel habe der Antragsteller nicht vorgelegt. Auch ein Widerruf des Bescheides im Ermessensweg komme nicht in Betracht, denn eine drohende Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK oder von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG drohe dem Antragsteller nicht. Als Weinbauer auf dem Grundbesitz seiner Eltern sei es dem Antragsteller bis zu seiner Ausreise gelungen, seinen Lebensunterhalt zu sichern, insofern sei nicht ersichtlich, warum der Antragsteller zu einer vergleichbaren Tätigkeit außer Stande sein sollte.
Der Antragsteller ließ hiergegen am 1. Februar 2018 Klage erheben (Az. Au 6 K 17.30244), über die noch nicht entschieden worden ist, und beantragen,
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 29. Januar 2018, Gz. … wird aufgehoben.
Der Antragsteller ließ am 1. Februar 2018 zudem beantragen,
Der Antragsgegnerin (Beklagte) wird untersagt, an die zuständige Ausländerbehörde eine Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG zu machen bzw. eine bereits gerichtete Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG bis zur rechtmäßigen Entscheidung über die Klage des Antragstellers bezüglich seines Asylverfahrens zu widerrufen.
Zur Begründung der Klage und des Antrags nahm der Antragsteller Bezug auf seinen Folgeantrag vom 23. Januar 2018.
Die Antragsgegnerin hat am 14. Februar 2018 und am 26. Februar 2018 ihre einschlägigen Verfahrensakten vorgelegt. Eine Antragstellung ist nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bleibt ohne Erfolg.
Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO, mit welcher der Antragsgegnerin aufgegeben werden soll, eine Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG zu unterlassen bzw. zu widerrufen.
1. Der auslegungsbedürftige Antrag ist zulässig.
Soweit sich der Antragsteller gegen Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides richtet, ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, soweit sich der Antrag auf Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides bezieht, ist hingegen ein Antrag nach § 123 VwGO statthaft. Der Antrag ist dementsprechend auszulegen (§ 88 VwGO).
a) Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens im Rahmen eines Folgeantrags, die nach aktueller Rechtslage als Unzulässigkeitsentscheidung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ergeht, ist in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage anzugreifen (unter Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung: BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – NVwZ 2017, 1625 – juris Rn. 16).
Insoweit kommt bei allen Entscheidungen nach § 29 Abs. 1 AsylG auch kein eingeschränkter, auf die Durchführung eines Asylverfahrens beschränkter Verpflichtungsantrag in Betracht, weil das Bundesamt hierzu nach Aufhebung der Entscheidung über die Unzulässigkeit automatisch verpflichtet ist (BVerwG, U.v. 1.6.2017 – 1 C 9/17 – NVwZ 2017, 1625 – juris Rn. 15; U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – NVwZ 2017, 1625 – juris Rn. 19). Eine Unzulässigkeitsentscheidung verschlechtert die Rechtsstellung des Antragstellers, weil damit ohne inhaltliche Prüfung festgestellt wird, dass sein Asylvorbringen nicht zur Schutzgewährung führt und darüber hinaus auch im Falle eines weiteren Asylantrags abgeschnitten wird (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – NVwZ 2017, 1625 – juris Rn. 16). Des Weiteren darf ein Antragsteller bis zur Mitteilung des Bundesamts an die Ausländerbehörde nach § 71 Abs. 5 AsylG nicht abgeschoben werden, so dass ihm bis zur Entscheidung des Bundesamts, ob ein neues Asylverfahren einzuleiten ist, auf Antrag eine Duldung erteilt werden muss (Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 71 AsylG, Rn. 15). Mit der Ablehnung des Antrags als unzulässig entfällt damit auch ein Duldungsgrund; auch hierin liegt eine belastende Entscheidung, gegen die eine Anfechtungsklage statthaft ist.
Da in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft ist, ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft (so unter Verweis auf die neue Rspr. des BVerwG ausführlich VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris Rn. 11 ff.; VG Dresden, B.v. 11.9.2017 – 13 L 1004/17.A – juris Rn. 17 ff.; VG Würzburg, B.v. 10.10.2017 – W 8 E 17.33483 – juris Rn. 8 ff.; vgl. auch Schönenbroicher/Dickten in BeckOK Ausländerrecht, 16. Ed. Stand 1.11.2017, § 71 AsylG, Rn. 36, 36.1). Die Anfechtungsklage entfaltet keine aufschiebende Wirkung, da § 71 Abs. 4 AsylG auf § 36 AsylG verweist und damit kein Fall des § 38 AsylG vorliegt (§ 75 Abs. 1 AsylG). Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nach § 123 Abs. 5 VwGO der vorrangige Rechtsbehelf. Der Antrag richtet sich auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig; die Hilfskonstruktion eines gegen die Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 VwGO gerichteten Antrags nach § 123 VwGO ist nicht erforderlich.
b) Demgegenüber ist die Feststellung nach Ziffer 2 des Bescheids, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen, in der Hauptsache weiterhin (hilfsweise) durch eine Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung zu stellen (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – NVwZ 2017, 1625 – juris Rn. 20; vgl. auch Berlit, 20.2.2017 – jurisPR-BVerwG 4/2017, Anm. 2 D).
Denn insoweit hat sich das Bundesamt nach § 31 Abs. 3 AsylG sachlich mit dem Schutzbegehren zu befassen (BVerwG, a.a.O.). Da in der Hauptsache damit die (hilfsweise) Verpflichtungsklage statthaft ist, kommt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur ein Antrag nach § 123 VwGO in Betracht. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dem Bundesamt aufzugeben, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung des betroffenen Ausländers bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf. Auf die Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG kann hingegen nicht abgestellt werden, da diese allein den Folgeantrag nach § 71 AsylG betrifft (VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris Rn. 17 ff.; VG Dresden, B.v. 11.9.2017 – 13 L 1004/17.A – juris Rn. 25; VG Würzburg, B.v. 10.10.2017 – W 8 E 17.33483 – juris Rn. 11 ff.).
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist unbegründet.
Es bestehen keine ernsthaften Zweifel nach § 36 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 71 Abs. 4 AsylG an der Rechtmäßigkeit von Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids (vgl. zum Prüfungsmaßstab VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris Rn. 21). Auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Bundesamts wird in vollem Umfang Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis Abs. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegen. Ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG setzt voraus, dass sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich – nach Abschluss des früheren Asylverfahrens – zu Gunsten des Betroffenen geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung über sein Asylbegehren herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). § 51 Abs. 1 VwVfG fordert einen schlüssigen Sachvortrag, der nicht von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtung ungeeignet sein darf, zur Asylberechtigung (Art. 16a GG) oder zur Zuerkennung des internationalen Schutzes (§§ 3 ff., 4 AsylG) zu verhelfen. Es genügt schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe (BVerfG, B.v. 3.3.2000 – 2 BvR 39/98 – juris Rn. 32 m.w.N.). Außerdem ist der Antrag gemäß § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen und er den Antrag binnen drei Monaten nach Kenntnis des Grundes für das Wiederaufgreifen gestellt hat. Die Voraussetzungen des § 51 VwVfG liegen im vorliegenden Verfahren nicht vor.
a) Eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zu Gunsten des Betroffenen im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist nicht schlüssig vorgetragen worden.
(1) Der Antragsteller hat nicht schlüssig vorgetragen, dass ihm in der Türkei wegen einer Änderung der Sachlage Verfolgung drohe und er aus diesem Grund möglicherweise Asylberechtigter oder Flüchtling wäre.
Der hierzu vorgetragene Sachverhalt beschränkt sich auf zwei Sätze, nach denen der Antragsteller ein Schreiben erhalten habe, dass er eine Strafe zahlen müsse und Angst vor der türkischen Polizei sowie Erdoğans Parteiangehörigen habe. Der Vortrag ist äußerst pauschal, vage und ohne jegliche Konkretisierung, sodass eine Verfolgung des Antragstellers in der Türkei nicht schlüssig dargelegt wurde. Insbesondere begründet die Zahlung einer Geldstrafe ohne besondere Anhaltspunkte keine Verfolgungshandlung durch den türkischen Staat. Geldstrafen als maßgebliches Mittel zur Ahndung kriminellen Unrechts sind sowohl in der Bundesrepublik als auch international als legitime Sanktionsform anerkannt und stellen für sich allein keine Verfolgung dar. Der Vortrag, Angst vor der Polizei sowie Erdoğans Parteiangehörigen zu haben, ist als rein subjektives Empfinden ohne nähere Anhaltspunkte, auf welchen objektiven Gegebenheiten diese Angst beruht, ebenfalls nicht geeignet, eine Verfolgung schlüssig darzulegen. Soweit diese Angst auf den Vorkommnissen bis zur Ausreise der Antragstellers im Jahr 2016 beruhen sollte, handelt es sich nicht um neue Tatsachen, da die behaupteten Verfolgungshandlungen, insbesondere die Festnahmen und Misshandlungen durch die örtliche Polizei, schon im bestandskräftigen Bescheid des Bundesamts vom 11. Mai 2017 berücksichtigt wurden. Weitere konkrete Maßnahmen der örtlichen Polizei nach seiner behaupteten Rückkehr in die Türkei im Jahr 2017 hat der Antragsteller weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Im Übrigen bestehen auch erhebliche Zweifel daran, dass der Antragsteller überhaupt seit der Ablehnung seines Asylantrags mit Bescheid vom 11. Mai 2017 aus der Bundesrepublik ausgereist ist. Zwar hat er sich schon vor Bescheidserlass einen türkischen Reisepass ausstellen lassen und bekam im Rahmen des Starthilfe Plus-Programms ein Flugticket. Indes ist der Antragsteller nie zum Abflugtermin erschienen. Sein Vortrag, dass er das Flugticket verloren habe und auf dem Landweg in die Türkei eingereist sei, erscheint konstruiert. Der Antragsteller konnte auch keinerlei Nachweise beibringen, dass er zwischenzeitlich die Bundesrepublik verlassen hat, in die Türkei eingereist ist und sich dort aufgehalten hat. Insbesondere auch in Hinblick auf seine Heiratsabsicht, die der Antragsteller im Rahmen seines Folgeantrags stärker betonte als die angeblichen Verfolgungshandlungen und in Hinblick auf seine seit 2003 andauernden Versuche, einen Aufenthalt in der Bundesrepublik zu sichern, ist davon auszugehen, dass der Antragsteller nach der Ablehnung seines Asylantrags im Mai 2017 lediglich in der Bundesrepublik untertauchte, bevor er erneut einen Folgeantrag stellte.
(2) Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass wegen einer Änderung der Sach-und Rechtslage dem Antragsteller subsidiärer Schutz zuzusprechen wäre.
Insofern hat der Antragsteller nichts vorgetragen, aus dem sich die Voraussetzungen des § 4 AsylG ergeben könnte. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit Bezug genommen. Insbesondere hat der Antragsteller auch nicht vorgetragen, woraus sich die Änderung der Sach- und Rechtslage im Vergleich zur Lage in der Türkei seit Bestandskraft des Bescheids vom 11. Mai 2017 am 28. November 2018 ergeben könnte.
b) Ebenso liegt kein neues Beweismittel im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vor, das eine für den Antragsteller günstigere Entscheidung über sein Asylbegehren herbeigeführt haben würde.
Ein Beweismittel ist neu (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG), wenn es während des vorangegangenen Verfahrens entweder noch nicht existierte oder dem Asylbewerber nicht bekannt oder von ihm ohne Verschulden nicht beizubringen war (BVerwG, U.v. 21.4.1982 – 8 C 75/80 – NJW 1982, 2204). Erforderlich ist aber stets, dass sich das Beweismittel auf den im ersten Verfahren entschiedenen Sachverhalt bezieht, weil es anderenfalls keine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Ein solches Beweismittel hat der Antragsteller nicht vorgelegt. Insbesondere hat er das behauptete Schreiben, nach dem ihm eine Geldstrafe droht, genauso nicht vorgelegt wie Nachweise darüber, dass er überhaupt die Bundesrepublik verlassen hat.
c) Für Wiederaufnahmegründe im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG fehlt es an jeglichem Vortrag.
3. Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Feststellung, dass nationale Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Insoweit wird in vollem Umfang auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend wird ausgeführt:
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK setzt voraus, dass der Betroffene im Falle einer Rückkehr einer besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt wäre. Dies ist insbesondere auch dann der Fall, wenn es dem Betroffenen nicht (mehr) gelingen würde, seine elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – Asylmagazin 2015, 197).
Diese Gefahr besteht für den Antragsteller nicht. Wie das Bundesamt zutreffend im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt hat, kann der Antragsteller zum einen auf ein familiäres Netzwerk zurückgreifen und zum anderen eigener Erwerbsarbeit nachgehen und so seine Existenzgrundlage sichern. Der 1971 geborene Antragsteller hat den größten Teil seines Lebens in der Türkei verbracht und konnte seinen Lebensunterhalt bisher als Bauarbeiter und durch Arbeit in der väterlichen Landwirtschaft sicherstellen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller eine Existenzsicherung nicht mehr möglich sein sollte. Der Wunsch des Antragstellers, in der Nähe seiner Freundin zu leben, knüpft an ein im Inland bestehendes Verhältnis an und kann bereits deshalb kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot begründen.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83 b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).