Steuerrecht

Gewerbeuntersagung – Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

Aktenzeichen  M 16 K 16.3528

Datum:
15.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 54733
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.  Die Klage wird abgewiesen.
II.  Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.  Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid vom 7. Juli 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheids ist § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO. Es sind nach Anmeldung des streitgegenständlichen Gewerbes Tatsachen eingetreten, die eine Unzuverlässigkeit des Klägers begründen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gewerbetreibender dann gewerberechtlich unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben wird. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146/80 – juris; BVerwG, B.v. 19.1.1994 – 1 B 5/94 – juris; BVerwG, B.v. 11.11.1996 – 1 B 226/96 – juris; BVerwG, B.v. 5.3.1997 – 1 B 56/97 – juris; BVerwG, B.v. 16.2.1998 – 1 B 26/98 – juris).
Eine Unzuverlässigkeit des Klägers folgt wohl nicht aus seinen Zahlungsrückständen gegenüber der BG Bau.
Statt einem wie im Bescheid vom 7. Juli 2016 geltend gemachten Zahlungsrückstand von Euro 7.839,65 bei der BG Bau bestand im Zeitpunkt des Bescheiderlasses wohl nach Aktenlage ein geringerer tatsächlicher Rückstand. Nach den Vollstreckungsankündigungen des Hauptzollamts Rosenheim schuldete der Kläger der BG Bau Beiträge in Höhe von Euro 5.311,11 und Euro 3.116,90. Der Kläger zahlte freiwillig im April 2016 Euro 1.346,55 an die BG Bau, dies bestätigt der Aktenvermerk der Beklagten vom 5. Juli 2016. Gleichzeitig zahlte der Kläger vor Erlass des Bescheides einmal Euro 1.062,22 und zweimal Euro 1.685,60 an das Hauptzollamt Rosenheim, um die Rückstände bei der BG Bau zu begleichen. Damit bestand offensichtlich nach Aktenlage am 7. Juli 2016 nur noch ein Rückstand in Höhe von rund Euro 2.650,00 bei der BG Bau. Jedenfalls war der Rückstand wesentlich geringer, als von der Beklagten angenommen. Zudem war ein Vollstreckungsaufschub zwischen dem Kläger und dem Hauptzollamt Rosenheim vereinbart worden.
Angesichts des auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellten Umfangs des vom Kläger betriebenen Gewerbes mit etwa 90 Angestellten kann aus einem im Vergleich dazu recht geringen Rückstand bei der BG Bau in Höhe von ca. Euro 2.650,00 eine Unzuverlässigkeit zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids eher nicht begründet werden.
Eine Unzuverlässigkeit des Klägers ergibt sich jedoch aus den Straftaten, die der seit dem 10. Juli 2017 rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 48 sachlich zusammentreffenden Fällen jeweils in Tateinheit mit einem weiteren Fall des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt zu Grunde liegen. Nach den in der Sache nicht bestrittenen Feststellungen des Amtsgerichts München hat der Kläger zwischen Dezember 2008 und November 2012 den zuständigen Einzugsstellen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge in Höhe von Euro 227.235,80 vorenthalten.
Der Bevollmächtigte des Klägers stellt zwar zutreffend fest, dass die Beklagte in ihrem Bescheid vom 7. Juli 2016 nicht auf die strafgerichtliche Entscheidung bzw. den zu Grunde liegenden Sachverhalt abstellte. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung ist jedoch die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses (vgl. BayVGH B.v. 1.10.2012 – 22 ZB 12.787 – juris Rn 16). Die Frage, ob ein angefochtener Verwaltungsakt materiell rechtmäßig oder rechtswidrig ist, richtet sich nach dem Recht, das geeignet ist, die getroffene Regelung zu rechtfertigen. Erweist sie sich aus anderen als im Bescheid angegebenen Gründen als rechtmäßig, ohne dass sie durch den Austausch der Begründung in ihrem Wesen geändert würde, dann ist der Verwaltungsakt im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht rechtswidrig (vgl. BVerwG, U.v. 31.3.2010 – 8 C 12/09 – juris Rn. 16). Das Gericht ist verpflichtet, zu prüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht in Einklang steht und dabei alle einschlägigen Rechtsvorschriften und – im Rahmen des § 86 VwGO – alle rechterheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, gleichgültig, ob diese von der Behörde zur Begründung des Verwaltungsakts angeführt worden sind oder nicht. Dies darf aber nicht zu einer Wesensänderung des angefochtenen Verwaltungsakts führen (vgl. BVerwG U.v. 21.11.1989 – 9 C 28/89 – juris Rn. 12).
Gemessen an diesen Maßgaben ist die Gewerbeuntersagung rechtmäßig. Die der strafrechtlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Tatsachen rechtfertigen bereits für sich genommen die Untersagung des Gewerbes des Klägers.
Das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt steht im Zusammenhang mit der gewerblichen Tätigkeit des Klägers. Die Taten erfolgten zudem in großer Zahl, nämlich in 48 sachlich zusammentreffenden Fällen jeweils in Tateinheit mit einem weiteren Fall. Zudem entstand ein nicht unerheblicher Schaden in Höhe von Euro 227.235,80. Alle Taten wurden vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids begangen. Durch diese Taten beweist der Kläger ein großes Maß an fehlendem Verantwortungsbewusstsein für seine Arbeitnehmer und für die soziale Gemeinschaft, welches zum Betrieb eines Gewerbes unerlässlich ist (vgl. VG München, U.v. 25.02.2013 – 16 K 12.1276 – juris; VG München, U.v. 07.07.2015 – M 16 K 14.3134 – juris). Eine positive Zukunftsprognose kann bei der Anzahl der Fälle des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und dem Zeitraum von mehreren Jahren, über den sich die Taten erstreckten, nicht gestellt werden. Auch eine Wesensänderung des Verwaltungsaktes findet nicht statt, da bei der Beurteilung der Unzuverlässigkeit einer Person sämtliche Aspekte berücksichtigt werden müssen, also eine Gesamtschau zu erstellen ist.
Die Zwangsmittelandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Gleiches gilt für die Kostenentscheidung und die Festlegung der Gebühr.
Die Klage waren daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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