Steuerrecht

Einkommensgrenze für Elterngeld – Einkünfte aus Kapitalvermögen sind steuerbares Einkommen

Aktenzeichen  S 46 EG 87/17

Datum:
9.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2238
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 32d Abs. 1
SGB III § 328 Abs. 3
BEEG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 26 Abs. 2

 

Leitsatz

Zum zu versteuernden Einkommen nach § 1 Abs. 8 BEEG zählen auch die gesondert mit der Abgeltungssteuer nach § 32d Abs. 1 EStG versteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen. (Rn. 26)

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 21. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2017 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Die Klage ist aber unbegründet, weil der strittige Bescheid dem Gesetz entspricht und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt ist.
Der Leistungsanspruch besteht nicht, weil die sog. „Millionärsgrenze“ des § 1 Abs. 8 BEEG von 500.000,- Euro vom Elternpaar überschritten wird. Bei dieser Grenze sind auch Einkünfte aus Kapitalvermögen, die gemäß § 32d Abs. 1 EStG mit der Abschlagsteuer versteuert werden, als Einkommen zu berücksichtigen. Rechtsgrundlage der strittigen abschließenden Entscheidung ist § 8 Abs. 3 Nr. 1 BEEG i.V.m. § 26 Abs. 2 BEEG i.V.m. § 328 Abs. 3 SGB III.
1. Streitgegenstand ist der Bescheid vom 21.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.06.2017, indem die vorläufige Bewilligung durch eine endgültige Festsetzung ersetzt wurde und eine Erstattung in Höhe von 18.116,12 Euro gefordert wurde. Diese Entscheidung beinhaltet drei Verfügungen: die Beseitigung der Vorläufigkeit, die abschließende Festsetzung der Höhe der Leistung und die Erstattung der überzahlten Leistung (BSG, Urteil vom 26.03.2014, B 10 EG 13/13 R, Rn. 11 bei Juris).
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die abschließende Festsetzung der Höhe der Leistung auf null und die Erstattungsverfügung. Statthaft ist eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG. Die Klage ist aber nicht begründet, weil der geltend gemachte Leistungsanspruch nicht besteht.
2. Anwendbar ist das BEEG in der Fassung des Elterngeld-Plus-Gesetzes vom 18.12.2014. Dieses ist für Geburten ab 01.07.2015 anwendbar, vgl. § 27 dieses Gesetzes.
3. Nach § 1 Abs. 8 BEEG entfällt ein Anspruch auf Elterngeld, wenn die berechtigte Person im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG in Höhe von mehr als 250.000,- Euro erzielt hat. Wenn der andere Elternteil, wie hier der Ehemann der Klägerin, die Voraussetzung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BEEG erfüllt, also mit dem Kind in einem Haushalt lebt, ist die Grenze eine Summe von zu versteuerndem Einkommen beider Personen von 500.000,- Euro.
Das Kalenderjahr 2015 ist der letzte abgeschlossene Veranlagungszeitraum für die Einkommensteuer vor der Geburt der Tochter am xx.04.2016. Das zu versteuernde Einkommen der beiden Elternteile beträgt in diesem Jahr 596.408,- Euro und übersteigt diese Grenze. Die Klägerin ist deshalb von Leistungen ausgeschlossen. Der Beklagte hatte das Elterngeld in der abschließenden Entscheidung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 BEEG i.V.m. § 26 Abs. 2 BEEG i.V.m. § 328 Abs. 3 SGB III auf null festzusetzen und die Erstattung der ausbezahlten Leistungen zu fordern.
§ 1 Abs. 8 BEEG legt fest, dass der Anspruch auf Elterngeld entfällt, wenn Elternpaare im letzten Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG in Höhe von mehr als 500.000,- Euro haben.
§ 2 Abs. 5 EStG lautet:
„Das Einkommen, vermindert um die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 und um die sonstigen vom Einkommen abzuziehenden Beträge, ist das zu versteuernde Einkommen; dieses bildet die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer. Knüpfen andere Gesetze an den Begriff des zu versteuernden Einkommens an, ist für deren Zweck das Einkommen in allen Fällen des § 32 um die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 [Kinderfreibeträge] zu vermindern.“
Die Klägerin folgert aus den beiden Vorschriften, dass für die Millionärsgrenze nach § 1 Abs. 8 BEEG nur das zu versteuernde Einkommen anzusetzen ist, das der tariflichen Einkommensteuer unterliegt. Deshalb seien Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der Abschlagsteuer nach § 32d Abs. 1 EStG und damit nicht der tariflichen Einkommensteuer unterliegen, hier nicht zu berücksichtigen. Für diese Ansicht spricht die Bezugnahme auf § 2 Abs. 5 EStG, ferner dass der Gesetzgeber nicht auf § 2 Abs. 5a EStG verwiesen hat und dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung (Haushaltsbegleitgesetz, BT-Drucksache 17/3452, Seite 8) auch auf die Grenze für den Spitzensteuersatz in § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG, mithin auf den Einkommensteuertarif, verwiesen hatte.
Diese Rechtsansicht vermag jedoch nicht zu überzeugen.
§ 1 Abs. 8 BEEG stellt auf den Begriff des „zu versteuernden Einkommens“ in § 2 Abs. 5 EStG ab, nicht auf die weitere Unterscheidung, welches Einkommen der tariflichen Einkommensteuer unterliegt und welches Einkommen nicht. Diese Unterscheidung erfolgt auch erst in § 2 Abs. 5b EStG, wonach Rechtsnormen des EStG, die an den Begriff des zu versteuernden Einkommens anknüpfen, Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 EStG nicht einzubeziehen haben. Insoweit ist der zweite Halbsatz in § 2 Abs. 5 Satz 1 EStG, dass das zu versteuernde Einkommen die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer bildet, kein Regelungsgegenstand, auf den sich § 1 Abs. 8 BEEG bezieht.
Auch die Absicht des Gesetzgebers, Bezieher besonders hoher Einkommen von der Leistung auszuschließen, spricht gegen die Auslegung der Klägerin. Der Gesetzgeber wollte insbesondere nicht Einkünfte aus Kapitalvermögen privilegieren. Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung (a.a.O.), die ausdrücklich feststellt, dass diese Einkommensgrenze auch Einkünfte aus Kapital oder Miete erfassen soll.
Die Bezugnahme der Gesetzesbegründung auf § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG diente allein der Begründung der Höhe der Millionärsgrenze. Nach der damaligen Fassung dieser Norm setzte der Spitzensteuersatz bei einem Einkommen von 250.401,- Euro ein, bzw. dem doppelten Betrag bei zusammenveranlagten Ehegatten. Der Gesetzgeber wollte mit diesem Hinweis nur die Wahl der Höhe der Einkommensgrenze von 250.000,- bzw. 500.000,- Euro begründen und etwa nicht den Einkommensbegriff einschränken.
Für die Einbeziehung der Kapitalerträge, die der Abschlagsteuer unterliegen, spricht auch der Inhalt von § 2 Abs. 5a EStG. Diese Vorschrift legt fest, dass außersteuerliche Rechtsnormen, wie das BEEG, beim zu versteuernden Einkommen die Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nach § 32d Abs. 1 EStG pauschal versteuert werden, zu berücksichtigen haben. Mit dieser Regelung machte der Gesetzgeber deutlich, dass die Nichtberücksichtigung dieser Kapitaleinkünfte beim zu versteuernden Einkommen allein im Rahmen des Einkommensteuergesetzes in Betracht kommt. Um entgegen dieser Regelung die Nichtberücksichtigung auch auf das BEEG zu erstrecken, hätte der Gesetzgeber des BEEG dies ausdrücklich festlegen müssen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass auch gesondert mit der Abgeltungssteuer nach § 32d Abs. 1 EStG versteuerte Einkünfte aus Kapitalvermögen bei der „Millionärsgrenze“ des § 1 Abs. 8 BEEG zu berücksichtigen sind. Sie sind im Rahmen der außersteuerlichen Rechtsnormen des BEEG Teil des zu versteuernden Einkommens nach § 2 Abs. 5 EStG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG

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