Aktenzeichen 3 ZB 16.1615
BayBesG Art. 15 Abs. 2, § 36 Abs. 5
BGB § 818 Abs. 3, Abs. 4, § 819 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
BBesG § 40 Abs. 4
Leitsatz
1 Die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften bleibt bei dem Beklagten, so dass es darauf ankommt, wie die administrative Binnenvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt wurde und in welchem Umfang der Beklagte infolge dessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (sog. Selbstbindung der Verwaltung). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Verwaltung hat jederzeit das Recht, eine Verwaltungsvorschrift für die Zukunft abzuändern. Ein Vertrauen auf Fortbestand bestehender Verwaltungsvorschriften ist grundsätzlich nicht schutzwürdig. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3 Hat der Beamte ins Blaue hinein auf die Richtigkeit der Besoldungsmitteilungen vertraut und sich nicht darüber vergewissert, ob die Regelung des § 40 Abs. 4 BBesG/Art. 36 Abs. 5 BayBesG in seinem Fall einschlägig sein kann, hat er nicht ohne Fahrlässigkeit gehandelt. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 2 K 16.220 2016-06-30 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 2.447,84 Euro festgesetzt.
Gründe
Der auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage gegen den Rückforderungsbescheid des Landesamts für Finanzen vom 12. August 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2016 als unbegründet abgewiesen, da die Überzahlung rechtsgrundlos erfolgt sei und ein Rückforderungsanspruch nach Art. 15 Abs. 2 BayBesG i.V.m. §§ 812 ff. BGB bestehe.
a) Gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Klägerin könne sich nicht auf die Einrede der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB berufen, weil die Beweislasterleichterung der Nummer 15.2.7.1 BayVwVBes nach deren Satz 3 nicht greifen könne, weil der überzahlte Betrag für den nicht der Einrede der Verjährung unterliegenden Zeitraum 3.496,92 Euro betrage, wovon aufgrund der Billigkeitsentscheidung der Behörde 2.447,84 Euro zurückzuzahlen seien und mithin den Grenzbetrag von 1.000,00 Euro überschreite, wendet die Klägerin ein, dass Satz 3 der genannten Verwaltungsvorschrift erst durch die Bekanntmachung Nr. 2032-F des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 14. Januar 2014 betreffend die Zweite Änderung der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten (Az. 23-P 1502/1-022-31 763/13) eingefügt worden und mit Wirkung vom 1. März 2014 in Kraft getreten sei. Dementsprechend könne für die bis zum 28. Februar 2014 entstandene Überzahlung eine Entreicherung der Klägerin unterstellt werden. Für den Zeitraum vom 1. März 2014 bis zum 30. April 2015 (Ende des Zeitraums, in dem im Fall der Klägerin der Kinderanteil im Familienzuschlag trotz Teilzeitbeschäftigung voll ausbezahlt worden ist) sei die Verwaltungsvorschrift so auszulegen, dass die Beweislasterleichterung bei einem über 1.000,00 Euro liegenden Gesamtbetrag bis € 1.000,00 gelte und nur für den darüber liegenden Betrag ein substantiierter Tatsachenvortrag vonnöten wäre.
Damit kann die Klägerin nicht durchdringen, denn Verwaltungsvorschriften können als bloßes Innenrecht der Exekutive vom Richter nicht wie Rechtsnormen angewandt werden. Insoweit verbleibt die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften beim Beklagten, so dass es darauf ankommt, wie die administrative Binnenvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt wurde und in welchem Umfang der Beklagte infolge dessen durch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebunden ist (sog. Selbstbindung der Verwaltung; stRspr im Bereich des Förderrechts, vgl. BayVGH, B.v. 17.10.2010 – 4 ZB 10.1689 – juris Rn. 19 m.w.N.). Indes hat die Klägerin weder eine ihrem Sachvortrag entsprechende Behördenpraxis aufgezeigt, noch lässt sich – wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – der eindeutige Wortlaut der in Bezug genommenen Verwaltungsvorschrift im Sinne der Klägerin auslegen. Ihre Argumentation zur zeitlichen Anwendbarkeit der Verwaltungsvorschrift verkennt des Weiteren, dass die Verwaltung jederzeit das Recht hat, eine Verwaltungsvorschrift für die Zukunft abzuändern. Ein Vertrauen auf Fortbestand bestehender Verwaltungsvorschriften ist grundsätzlich nicht schutzwürdig (Möstl in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, § 20 III Rn. 21; Buchwald in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, § 71 BBesG Rn. 31). In Bezug auf die Verwaltungsvorschrift spielen Vertrauensschutzgesichtspunkte im Fall der Klägerin auch keine Rolle, da die Überzahlung erst nach der Änderung der Verwaltungsvorschrift aufgedeckt wurde.
b) Da das Verwaltungsgericht die Frage, ob die Klägerin verschärft haften würde (§ 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 BGB), offen gelassen hat, kann es auf den diesbezüglichen, der Rechtsauffassung des Beklagten widersprechenden Sachvortrag der Klägerin im Zulassungsverfahren nicht ankommen.
c) Soweit das Verwaltungsgericht auch die Billigkeitsentscheidung des Beklagten unbeanstandet gelassen hat, trägt die Klägerin vor, die Überzahlung der Behörde beruhe auf deren alleinigem Verschulden. Der gegen die Klägerin erhobene Vorwurf des fahrlässigen Handelns könne nicht nachvollzogen werden. Bei ihr als Steueramtsfrau hätten keine Zweifel an der Richtigkeit der Besoldung aufkommen müssen. Denn sie sei davon ausgegangen, dass die Stellenposition ihres geschiedenen Ehemanns für die Bemessung der Höhe des Kinderanteils im Familienzuschlag maßgeblich sei und dieser somit auf der Grundlage einer Vollzeitbeschäftigung berechnet werde.
Dieser Einwand, die Klägerin habe ohne jede Fahrlässigkeit gehandelt, trifft nicht zu. Zum einen hat die Klägerin ihrer „Überprüfung“ des ungekürzten Kinderanteils im Familienzuschlag unzutreffende tatsächliche Verhältnisse zugrunde gelegt (vgl. Klageerwiderung des Landesamts für Finanzen vom 11. Mai 2016, Seite 4 ). Zum anderen zeigt der Sachvortrag („sei davon ausgegangen, …“), dass sie ins Blaue hinein, auf die Richtigkeit der Besoldungsmitteilungen vertraut hat, und sich nicht darüber vergewissert hat, ob die Regelung des § 40 Abs. 4 BBesG/Art. 36 Abs. 5 BayBesG in ihrem Fall einschlägig sein kann.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).