Aktenzeichen 15 B 15.1220
GKG § 52 Abs. 1
Leitsatz
Nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen kann es billigem Ermessen gemäß § 161 Abs. 2 VwGO entsprechen, der Behörde die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wenn sie zwar dem Klagebegehren aufgrund einer nachgeholten Mitwirkungshandlung des Klägers abhilft, sie aber die erforderlichen Umstände bereits zuvor aufgrund ihrer behördlichen Aufklärungspflicht hätte ermitteln können und das erledigende Ereignis erst nach der mündlichen Verhandlung eintritt. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 5 K 12.758 2013-11-14 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 14. November 2013 ist wirkungslos geworden.
III. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt der Beklagte.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1. Der Berichterstatter ist – trotz der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2017 – für die vorliegende Entscheidung gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VwGO zuständig, da aufgrund der mündlichen Verhandlung keine abschließende Sachentscheidung durch den Senat ergangen ist. Der Senat hat wegen der am Tag nach der mündlichen Verhandlung erfolgten Ankündigung des Beklagten, eine abhelfende Entscheidung zu erlassen (Schriftsatz vom 20. Dezember 2017), von einer Sachentscheidung bewusst abgesehen (vgl. Schreiben des Gerichts an den Klägerbevollmächtigten vom 27. Dezember 2017). Die vorliegende Entscheidung ergeht daher nicht aufgrund der mündlichen Verhandlung. Im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung befindet sich das gerichtliche Verfahren vielmehr wieder im Stadium des vorbereitenden Verfahrens gem. § 87a Abs. 1 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2000 – 15 B 97.2746 – NVwZ-RR 2001, 543 f.; Brink in Posser/Wolff, VwGO, 2. Aufl. 2014, § 87a Rn. 4; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 87a Rn. 5).
2. Das Verfahren ist aufgrund der übereinstimmenden Erledigterklärungen der Parteien (Schriftsätze des Beklagten vom 20. Dezember 2017 und der Kläger vom 30. Januar 2018) beendet und einzustellen; das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 14. November 2013 ist wirkungslos geworden (§ 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entsprechend).
3. Die Kostenentscheidung ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands des Rechtsstreits zu treffen. Bei dieser Bewertung ist auch eine durch das Nachgeben einer Partei bewirkte Herbeiführung des erledigenden Ereignisses einzubeziehen (vgl. BVerwG, B.v. 24.10.2006 – 9 A 23.06 – juris; B.v. 11.1.2010 – 10 C 6.09 – juris; BayVGH, B.v. 23.3.2003 – 20 N 02.2591 – juris Rn. 2; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 161 Rn. 18). Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen. Denn dieser hat durch Erlass der von den Klägern begehrten Abbrucherlaubnis (Bescheid des Landratsamts Dillingen a.d. Donau vom 11. Januar 2018; ergänzt durch Bescheid vom 16. Januar 2016) das erledigende Ereignis selbst herbeigeführt und daher durch eigenen Willensentschluss die Erledigung veranlasst. Den Hinweis des Beklagten, dass die Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2017 ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse vollumfänglich offen gelegt hätten, sodass vorher eine hierauf aufbauende Ermessensentscheidung nicht möglich gewesen sei, hält das Gericht nicht für ausschlaggebend. Denn zum einen hätte der Beklagte ohne Weiteres im Rahmen seiner behördlichen Aufklärungspflicht (Art. 24 BayVwVfG) die Möglichkeit gehabt, von sich aus die die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger – die sich auf ihr Unvermögen zur Finanzierung einer Sanierungsmaßnahme berufen hatten – im Detail aufzuklären, wenn er diese schon vorher für seine Entscheidung als ausschlaggebend angesehen hätte. Zum andern hat der Beklagte durch Erlass der vom Kläger begehrten Abbrucherlaubnis das erledigende Ereignis erst nach der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2017 – in der die Sach- und Rechtslage umfassend erörtert worden war, der Beklagte in Kenntnis der klägerischen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zur Stützung seiner ablehnenden Haltung eine aktualisierte Wirtschaftlichkeitsberechnung mit Stand 19. Dezember 2017 vorgelegt hatte und beide Parteien noch kontradiktorische Sachanträge gestellt hatten – herbeigeführt. Auch hat der Beklagte die entsprechende Absicht zum Erlass einer abhelfenden Entscheidung ebenfalls erst nach Abschluss der mündlichen Verhandlung erklärt (vgl. Schriftsatz vom 20. Dezember 2017). Schließlich geht aus dem Bescheid des Landratsamts vom 11. Januar 2018 [vgl. in den Gründen unter „Zu Ziff. 3 a)“] hervor, dass der Beklagte die Verkäuflichkeit des Objekts nach der mündlichen Verhandlung nunmehr anders einschätzt.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Entgegen der Anregung der Kläger war aufgrund des von ihnen vorgetragenen Umstands, dass Kosten in Höhe von ca. 2 Mio. Euro für die Restaurierung des streitgegenständlichen Anwesens angefallen wären und sie sich im Falle der Erhaltung des Gebäudes in Millionenhöhe hätten verschulden müssen, keine Streitwerterhöhung im Vergleich zur erstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts veranlasst. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war nicht eine belastende Anordnung zur Durchführung bestimmter Sanierungs- oder Sicherungsmaßnahmen (vgl. hierzu den Streitwertbeschluss bei der zu demselben Objekt ergangenen Entscheidung VG Augsburg, U.v. 9.5.2008 – Au 4 K 06.1260, Au 4 K 07.635 – juris Rn. 85 ff.; vgl. auch OVG NRW, B.v. 22.8.2007 – 10 A 3453 – juris), sondern ausschließlich die begehrte Verpflichtung des Beklagten, ihnen eine Abbruchgenehmigung zu erteilen. Die für die Streitwertfestsetzung gem. § 52 Abs. 1 GKG maßgebliche Bedeutung der Streitsache für die Kläger orientiert sich nach gerichtlichem Ermessen am wirtschaftlichen Interesse an dem hinter der begehrten Abrissgenehmigung stehenden Vorhaben, vgl. Nr. 12.2 i.V. mit Nr. 9.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt z.B. als Anhang bei Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, S. 1305 ff.). Im vorliegenden Fall existierten nach dem eigenen Bekunden der Kläger noch keine konkreten Pläne für ein Ersatzgebäude an der Stelle des abzureißenden Baudenkmals (sodass keine ergänzende Orientierung an Nr. 9.1.1.1 des Streitwertkatalogs geboten war, vgl. hierzu BayVGH, U.v. 12.8.2015 – 1 B 12.79 – juris Rn. 37: dort 20.000 Euro; bei konkreter Absicht einer konkreten Folgebebauung vgl. auch VG München, U.v. 5.10.2015 – M 8 K 12.2464 – juris): Auf Nachfrage des Gerichts wurde klägerseits mit Schriftsatz vom 16. November 2017 mitgeteilt, der jüngere Sohn der Klägerin zu 1 plane, das Grundstück in Abstimmung mit der Gemeinde in Eigeninitiative ökologisch nachhaltig zu bewirtschaften. Das südöstliche Gebäude (Scheune) solle entsprechend ausgebaut werden. Ferner sei angedacht, ein soziales Projekt für die gemeinschaftliche Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen zu realisieren. Eine konkrete Planung existiere angesichts der noch fortbestehenden „Bedrohung“ durch das streitgegenständliche Objekt noch nicht. Nach der Überzeugung des Gerichts ist das Interesse an einer allgemein landwirtschaftlichen Folgenutzung nach Abbruch des Baudenkmals (ohne konkrete Vorstellung über einen Ersatzbau) in Übereinstimmung mit der Streitfestsetzung durch das Verwaltungsgericht angemessen mit 15.000 Euro berücksichtigt.
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 2 VwGO).