Aktenzeichen W 4 K 17.815
Leitsatz
1 Zwar handelt es sich bei der Bezeichnung der Grundstücke einer Gemeinde mit Hausnummern um eine rein ordnungsrechtliche Aufgabe, die im Interesse der Allgemeinheit steht und dem einzelnen Eigentümer keine subjektiven Rechte verleiht (ebenso BayVGH BeckRS 2015, 54348). Hiervon zu unterscheiden ist jedoch der Fall, dass es um die erstmalige Zuteilung einer Hausnummer geht. Insoweit ist ein möglicher Anspruch nicht unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausgeschlossen (§ 42 Abs. 2 VwGO). (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Zuteilung und Einziehung einer Hausnummer sowie die Umnummerierung auf der Grundlage des Art. 52 Abs. 2 BayStrWG und der auf diese Norm gestützten Satzungen stehen im freien Ermessen der Gemeinde, das nur durch das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) begrenzt wird (ebenso BayVGH BeckRS 2012, 45600). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die öffentliche Sicherheit gebietet es grundsätzlich nur für bebaute Grundstücke im Innenbereich, auf denen sich Menschen nicht nur vorübergehend aufhalten, dass sie vom öffentlichen Straßenraum aus ohne zumutbare Behinderung durch eine hinreichende Identifizierung der Straßenbezeichnung und Hausnummer erreicht werden können. Zumindest muss eine ständige Nutzung zu verzeichnen sein, was bei einer geduldeten Wochenendhausnutzung nicht der Fall ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 10. Juli 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es besteht keine Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger für das Grundstück Fl.Nr. …4 eine Hausnummer zuzuteilen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auch hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Neuverbescheidung gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage nach § 113 Abs. 5 VwGO zulässig.
1.1. Dabei ist das klägerische Begehren gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Kläger, obwohl er im Klageschriftsatz ausdrücklich nur „Widerspruch“ gegen den streitgegenständlichen Bescheid erhoben hat, die Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihm für sein Grundstück Fl.Nr. …4 eine Hausnummer zu erteilen. So führt der Kläger ausdrücklich aus, dass ihm die beantragte Hausnummer im Falle einer zulässigen wohnwirtschaftlichen Nutzung erteilt werden müsse.
1.2. Der Kläger ist auch klagebefugt, § 42 Abs. 2 VwGO. An der Klagebefugnis würde es nur dann fehlen, wenn der Kläger offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise geltend machen könnte, dass ihm ein subjektiv-öffentliches Recht zusteht. Die Anforderungen an diese Sachentscheidungsvoraussetzung dürfen nicht überspannt werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.12.2007 – 9 A 22.06 – BVerwGE 120, 138 m.w.N.). Es besteht zumindest die Möglichkeit, dass der Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gegen den Beklagten betreffend die Zuteilung einer Hausnummer hat. Grundlage eines solchen Anspruchs kann Art. 52 Abs. 2 BayStrWG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 der „Satzung über die Hausnumerierung der Gemeinde H.“ vom 18. Juli 1983 sein. In der Satzung wird geregelt, dass jedes Gebäudegrundstück in der Regel eine Hausnummer erhält (§ 1 Abs. 1 Satz 1) und die Gemeinde die Hausnummern zuteilt (§ 1 Abs. 2 Satz 1).
Etwas anderes ergibt sich nicht aus der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Änderung von Hausnummern durch die Gemeinde. In diesem Zusammenhang wurde mehrfach festgestellt (mit Nachweisen hierzu BayVGH, B.v. 8.10.2015 – 8 ZB 14.2662 – juris Rn.5), dass es sich bei der Bezeichnung der Grundstücke einer Gemeinde mit Hausnummern um eine rein ordnungsrechtliche Aufgabe handelt, die dem Interesse der Allgemeinheit an einer klar erkennbaren Gliederung des Gemeindegebiets dient und Bedeutung für Meldewesen, Polizei, Post, Feuerwehr und Rettungsdienst hat. Dem einzelnen Eigentümer werden hierdurch keine Befugnisse oder Rechtsstellungen verliehen, die er der erstmaligen Zuteilung einer Hausnummer durch die Gemeinde oder der Änderung einer Hausnummer entgegensetzen könnte (BayVGH, B.v. 6.12.2011 – 8 ZB 11.1676 – juris Rn. 11 ff.). Hinsichtlich der Hausnummernfestsetzung und der Umnummerierung eines Anwesens besteht auch kein Recht des Grundstückseigentümers auf fehlerfreien Ermessensgebrauch, sondern allenfalls die Möglichkeit, einen Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV geltend zu machen (BayVGH, B.v. 6.12.2011 – 8 ZB 11.1676 – juris Rn. 16).
Die Situation im vorliegenden Fall unterscheidet sich jedoch insofern hiervon, als dem Kläger bisher noch keine Hausnummer zugeteilt wurde und er daher nicht gegen eine beabsichtigte Änderung durch die Gemeinde vorgehen möchte. Es steht daher nicht die Behauptung einer aufgrund der Nummerierung erlangten Rechtsposition im Raum, sondern überhaupt erst die erstmalige Erlangung einer solchen Position unter Berufung auf sicherheits- und ordnungsrechtliche Aspekte. Über diese Fallgestaltung ist bisher nicht obergerichtlich entschieden. Ein möglicher Anspruch aus Art. 52 Abs. 2 BayStrWG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 der „Satzung über die Hausnumerierung der Gemeinde H.“ ist daher nicht unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausgeschlossen.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
2.1. Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf Zuteilung einer Hausnummer (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), da aus Art. 52 Abs. 2 BayStrWG i.V.m. § 1 der „Satzung über die Hausnumerierung der Gemeinde H.“ (im Folgenden: Satzung) kein gebundener Anspruch folgt. Eine Bewertung der Gesamtumstände führt vielmehr zu dem Ergebnis, dass der Gemeinde bei der Zuteilung von Hausnummern ein Ermessen zusteht.
Schon der Wortlaut der Satzung in § 1 Abs. 1 Satz 1 („Jedes Gebäudegrundstück erhält in der Regel eine Hausnummer.“) legt dies nahe. Auch § 1 Abs. 2 der Satzung weist der Gemeinde bei der Ausgestaltung der Hausnummerierung im Gemeindegebiet einen Entscheidungsspielraum zu; die Zuteilung der Hausnummern ist an keine besonderen Voraussetzungen gebunden (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1: „Die Gemeinde teilt die Hausnummern zu.“). Ferner spricht auch die Qualifizierung der Regelungen über die Hausnummerierung als Normen im Interesse der öffentlichen Sicherheit (BayVGH, B.v. 8.10.2015 – 8 ZB 14.2662 – juris Rn. 5) dafür, dass der handelnden Behörde im Rahmen des Einschreitens ein Ermessen zusteht (vgl. etwa für Art. 7 Abs. 2 LStVG BayVGH, B.v. 10.8.2009 – 11 CE 09.1795 – juris Rn. 9). Gestützt wird dieses Ergebnis durch die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der davon ausgeht, dass die Nummernzuteilung, die Umnummerierung und die Einziehung einer Hausnummer auf der Grundlage des Art. 52 Abs. 2 BayStrWG und der hierauf gestützten Satzungen im freien Ermessen der Gemeinde stehen, welches allein begrenzt wird durch das in Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV normierte Willkürverbot (BayVGH, B.v. 6.12.2011 – 8 ZB 11.1676 – juris Rn. 12). Insofern spricht auch nichts gegen die Ausgestaltung der Regelungen in § 1 Abs. 1 und Abs. 2 der Satzung des Beklagten, die der Gemeinde ein weites Ausgestaltungsermessen einräumen.
Die Entscheidung des Beklagten im Rahmen der Zuteilung einer Hausnummer steht daher in dessen Ermessen, das vom Gericht nur begrenzt im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO überprüft werden kann.
2.2. Das Ermessen ist vorliegend auch nicht auf Null reduziert dahingehend, dass nur die Erteilung einer Hausnummer rechtmäßig ist.
Gemessen an allgemeinen sicherheitsrechtlichen Vorgaben kann der Einzelne auch bei Vorschriften, die grundsätzlich der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Allgemeininteresse dienen, einen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde begrenzten Anspruch haben, wenn die Verletzung von geschützten Individualinteressen in Betracht kommt (BayVGH, B.v. 10.8.2009 – 11 CE 09.1795 – juris Rn. 9). Dieses Ermessen kann auf Null reduziert sein (BayVGH, B.v. 16.5.2011 – 8 C 11.1094 – juris Rn. 7). Erforderlich hierfür wäre jedoch zumindest eine hinreichend konkretisierte Gefahrenlage, der nur durch die Zuteilung einer Hausnummer entgegengetreten werden kann.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht verwirklicht. Es handelt sich um ein Grundstück im Außenbereich des Gemeindegebiets des Beklagten. Das sich darauf befindliche Haus wird nach dem Vortrag des Klägers als Wochenendhaus genutzt. In einem solchen Fall wird man jedoch unter dem Gesichtspunkt der schnellen Auffindbarkeit und Identifizierbarkeit eines Grundstücks nicht davon ausgehen können, dass eine hinreichend konkretisierte Gefahrenlage gegeben ist. Vielmehr gebietet es die öffentliche Sicherheit grundsätzlich nur für bebaute Grundstücke im Innenbereich, auf denen sich Menschen nicht nur vorübergehend aufhalten, dass sie vom öffentlichen Straßenraum aus durch Eigentümer, Besucher, Nothelfer und andere Personen ohne zumutbare Behinderung durch eine hinreichende Identifizierung der Straßenbezeichnung und Hausnummer erreicht werden können (OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 18.8.2010 – 3 L 592/08 – juris Rn. 37). Zumindest müsste eine ständige Nutzung zu verzeichnen sein, was hier schon nicht der Fall ist. Vielmehr ist nur eine geduldete Nutzung im Rahmen einer Wochenendhausnutzung zu verzeichnen.
Von einer Ermessensreduzierung auf Null wäre darüber hinaus selbst im Falle einer ständigen Nutzung des Hauses auf dem Grundstück Fl.Nr. …4 nicht auszugehen. Es handelte sich dann nämlich um eine formell illegale Nutzung, da unbestritten keine Baugenehmigung existiert. In einem solchen Fall ist es anerkannt, dass der Beklagte nicht verpflichtet werden kann, zum Zwecke der Gefahrenabwehr eine vom Kläger durch eine formell illegale Nutzung des Wochenendgrundstücks herbeigeführte Störung der öffentlichen Sicherheit durch die Vergabe einer Hausnummer im Ergebnis gleichsam zu verfestigen (so OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 18.8.2010 – 3 L 592/08 – juris Rn. 38). Der Kläger kann in einem solchen Fall vielmehr ermessensfehlerfrei darauf verwiesen werden, eine bauordnungsrechtliche Genehmigung einzuholen.
2.3. Der Kläger hat des Weiteren keinen Anspruch auf eine erneute Bescheidung, da der Beklagte im angefochtenen Bescheid und in den im gerichtlichen Verfahren abgegebenen ergänzenden Erklärungen sein Ermessen unter Berücksichtigung des in § 114 VwGO geregelten gerichtlichen Prüfungsrahmens fehlerfrei ausgeübt hat.
Der Beklagte hat im Bescheid vom 10. Juli 2017 ermessensfehlerfrei darauf hingewiesen, dass eine Wohnnutzung auf dem Grundstück Fl.Nr. …4 aufgrund fehlender baurechtlicher Genehmigung derzeit nicht zulässig ist und der Aufenthalt auf einem Wochenendgrundstück die Zuteilung einer Hausnummer nicht bedingt (vgl. oben unter 2.2.). Ferner hat der Beklagte die Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren ergänzt, § 114 Satz 2 VwGO. So wird insbesondere auf die Problematik einer Genehmigungsfähigkeit des Außenbereichsvorhabens einschließlich der Erschließung verwiesen. Auch der vom Kläger angeführte Aspekt der Gefahrenabwehr wird von der Beklagtenseite zutreffend aufgegriffen, in dem darauf hingewiesen wird, dass Grundstücke im Außenbereich mit Gartenbzw. Ackernutzung über Flurnummer und Lagebezeichnung zugeordnet und identifiziert werden können.
Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 114 Satz 1 VwGO).
3. Eine anderweitige Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Zuteilung einer Hausnummer ist nicht ersichtlich.
Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 126 Abs. 3 BauGB. Die Vorschrift regelt lediglich die Verpflichtung des Bauherrn, die Anbringung einer Hausnummer zu dulden als Folgepflicht einer Festsetzung. Die Nummerierung im Einzelnen richtet sich nach den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 126 Rn. 7).
Ein Anspruch aus allgemeinen staatlichen Schutzpflichten folgend etwa aus Art. 2 Abs. 2 GG oder Art. 14 GG scheidet schon deshalb aus, da dieser Anspruch mit Art. 52 Abs. 2 BayStrWG i.V.m. der einschlägigen Ortssatzung (Art. 23 GO) eine einfachgesetzliche Ausgestaltung gefunden hat, in welcher grundrechtliche Anforderungen umgesetzt werden.
4. Nach alldem ist die Klage mit der Rechtsfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.