Aktenzeichen M 8 K 16.3662
Leitsatz
1. Ein Vorbescheidsantrag wäre nicht verbescheidungsfähig, wenn die zur Entscheidung gestellte Frage nicht ohne Kenntnis und Prüfung des Gesamtvorhabens beurteilt werden kann, die Bauvorlagen eine Beurteilung des Vorhabens nicht zulassen oder wesentliche Fragen ausgeklammert bleiben. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anzahl der Baureihen ist weder ein eigenständiger Parameter des § 34 Abs. 1 BauGB, noch ein Kriterium in der rein rechnerisch zu ermittelnden Bebauungstiefe. Insoweit spielt die Frage, in welcher Baureihe ein Gebäude steht, hinsichtlich der Bebauungstiefe keine Rolle. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Sofern ein Vorhaben im Innenbereich bauplanungsrechtlich zulässig ist, muss der Natur- und Baumschutz insoweit im Regelfall zurücktreten (Rechtsgedanke des § 18 Abs. 2 S. 1 BNatSchG). (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
4. Für die Ermessensausübung besteht nur wenig Raum, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB gegeben sind. Erforderlich ist für eine negative Ermessensentscheidung, dass der Befreiung gewichtige Interessen entgegenstehen. (Rn. 53 – 54) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich Frage 6 und 12 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
II. Der Vorbescheid der Beklagten vom 7.7.2016 (Az. …) wird hinsichtlich der Fragen 1, 7, 11 und 13 aufgehoben.
Hinsichtlich der Fragen 1, 7 und 13 wird die Beklagte verpflichtet, diese Fragen positiv zu beantworten.
Hinsichtlich der Frage 11 wird die Beklagte verpflichtet, diese Frage unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
III. Die Beklagte hat 2/3, die Kläger haben gesamtverbindlich 1/3 der Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vorläufig vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1. Soweit die Kläger die Vorbescheidsfragen 6 und 12 in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen und die Beteiligten die Hauptsache diesbezüglich übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen und über die Kosten nach billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 VwGO) zu entscheiden.
Da sich die Hauptsache nur teilweise erledigt hat, war kein gesonderter Beschluss zu erlassen, sondern die – auch in diesem Fall nicht der Anfechtung unterliegende – Entscheidung über die Verfahrenseinstellung und die Kostentragung zusammen mit der Sachentscheidung über den nicht erledigten Teil im Urteil zu treffen (vgl. BVerwG, B.v. 7.8.1998 – 4 B 75.98 – juris Rn. 2).
2. Hinsichtlich der Fragen 1, 7 und 13 war der streitgegenständliche Vorbescheid aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, diese Fragen positiv zu beantworten. Die negative Beantwortung dieser Fragen ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, weil ihnen ein Anspruch auf eine positive Beantwortung aus Art. 71 Satz 1, Satz 4, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) zusteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Hinsichtlich der Frage 11 war der streitgegenständliche Vorbescheid ebenfalls aufzuheben, da er rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt. Jedoch steht den Kläger kein Anspruch auf positive Beantwortung der Frage, sondern lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
2.1 Nach Art. 71 Satz 1 BayBO kann vor Einreichung eines Bauantrags auf schriftlichen Antrag des Bauherrn zu einzelnen in der Baugenehmigung zu entscheidenden Fragen vorweg ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erlassen werden. Als feststellender Verwaltungsakt stellt der Vorbescheid im Rahmen der vom Bauherren gestellten Fragen die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die Gegenstand der Prüfung sind, fest und entfaltet während seiner regelmäßigen Geltungsdauer von 3 Jahren (Art. 71 Satz 2 BayBO) Bindungswirkung für ein nachfolgendes Baugenehmigungsverfahren.
Gemäß Art. 71 Satz 4, 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist ein positiver Vorbescheid im Sinne der positiven Beantwortung der gestellten Vorbescheidsfragen zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben hinsichtlich der gestellten Frage keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.
Aus der Formulierung „zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens“ folgt außerdem, dass der Vorbescheid hinreichend bestimmt sein muss. Die ganz herrschende Meinung fordert für die Vorbescheidsfrage einen konkreten Vorhabensbezug (vgl. BayVGH, U.v. 14.2.2008 – 15 B 06.3463 – juris Rn. 16 m.w.N.). Ein Vorbescheidsantrag wäre nicht verbescheidungsfähig, wenn die zur Entscheidung gestellte Frage nicht ohne Kenntnis und Prüfung des Gesamtvorhabens beurteilt werden kann, die Bauvorlagen eine Beurteilung des Vorhabens nicht zulassen oder wesentliche Fragen ausgeklammert bleiben (BayVGH, U.v. 2.8.2017 – 2 B 17.544 – juris Rn. 12).
2.2 Den Klägern steht ein Anspruch auf positive Beantwortung der Frage 1 gemäß Art. 71 Satz 1, Satz 4, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Art. 59 Satz 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 BayBO zu. Die Errichtung des geplanten zweiten Wohngebäudes ist planungsrechtlich nach § 30 Abs. 3 Baugesetzbuch (BauGB) i.V.m. § 34 BauGB zulässig.
Die Frage nach der Zulässigkeit der Errichtung eines zweiten Wohngebäudes ist keine abstrakte (unzulässige) Rechtsfrage, sondern nimmt Bezug auf das konkrete Vorhaben der Errichtung eines zweiten Wohngebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück mit der Situierung und den Maßen, wie sie im Vorbescheidsplan mit Plan-Nr. … dargestellt sind. Damit ist sie hinreichend konkret. Abgefragt werden soll, wie sich nach Auslegung (vgl. §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ergibt, die planungsrechtliche Zulässigkeit des geplanten Hauptgebäudes.
Der Prüfungsmaßstab richtet sich nach Art. 59 Satz 1 BayBO (Art. 71 Satz 4, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO), da kein Sonderbau nach Art. 2 Abs. 4 BayBO vorliegt.
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO) bestimmt sich vorliegend im Hinblick auf das vorhandene, gemäß § 173 Abs. 3 Bundesbaugesetz (BBauG) und § 233 Abs. 3 BauGB übergeleitete und fortgeltende Bauliniengefüge nach § 30 Abs. 3 BauGB und im Übrigen, da keine weitergehenden bauplanungsrechtlichen Festsetzungen vorhanden sind, nach § 34 BauGB.
Maßgeblicher Beurteilungsrahmen für das Vorhaben ist die nähere Umgebung. Berücksichtigt werden muss hier die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zum anderen insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstückes prägt oder doch beeinflusst. Welcher Bereich als „nähere Umgebung“ anzusehen ist, hängt davon ab, inwieweit sich einerseits das geplante Vorhaben auf die benachbarte Bebauung und sich andererseits diese Bebauung auf das Baugrundstück prägend auswirken (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn. 19 m.w.N.). Daraus folgt, dass nicht nur die unmittelbare Nachbarschaft des Baugrundstücks zu berücksichtigen ist, sondern auch die Bebauung der Umgebung insoweit berücksichtigt werden muss, als auch diese noch prägend auf das Baugrundstück wirkt (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 119. EL, 11/2015, § 34 Rn. 36). Wie weit diese wechselseitige Prägung reicht, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. In der Regel gilt bei einem, inmitten eines Wohngebiets gelegenen Vorhaben als Bereich gegenseitiger Prägung das Straßengeviert und die gegenüberliegende Straßenseite (vgl. BayVGH, B.v. 27.9.2010 – 2 ZB 08.2775 – juris Rn. 4; U.v. 10.7.1998 – 2 B 96.2819 – juris Rn. 25; U.v. 18.7.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn. 19 und U.v. 24.7.2014 – 2 B 14.1099 – juris Rn. 20).
Dabei ist die nähere Umgebung für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten Zulässigkeitsmerkmale gesondert zu ermitteln, weil die prägende Wirkung der jeweils maßgeblichen Umstände unterschiedlich weit reichen kann (vgl. BVerwG, B.v. 6.11.1997 – 4 B 172.97, NVwZ-RR 1998, 539; BayVGH, U.v. 18.7.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn. 19). Bei den Kriterien Nutzungsmaß und überbaubare Grundstücksfläche ist der maßgebliche Bereich in der Regel enger zu begrenzen als bei der Nutzungsart (vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2009 – 1 CS 09.1774 – juris Rn. 21 m.w.N.). Entscheidend bleiben in jedem Fall die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall (vgl. OVG NRW, U.v. 1.3.2017 – 2 A 46/16 – juris Rn. 35 m.w.N.).
2.2.1 Unproblematisch fügt sich das zweite Wohngebäude hinsichtlich Art der baulichen Nutzung – Wohnen – und der Bauweise – offene Bauweise – in die nähere Umgebung gemäß § 34 Abs. 1 BauGB ein, da jedenfalls das streitgegenständliche Grundstück selbst zur näheren Umgebung zählt und auf diesem bereits ein wohngenutztes Gebäude mit seitlichen Grenzabständen (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 1 Baunutzungsverordnung – BauNVO) vorhanden ist.
2.2.2 Das zweite Wohngebäude fügt sich auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung gemäß § 34 Abs. 1 BauGB ein.
Bedeutsam für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts solche Maße, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung zueinander setzen lassen. Ihre absolute Größe nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur Freifläche, prägen das Bild der maßgeblichen Umgebung und bieten sich deshalb vorrangig als Bezugsgrößen zur Ermittlung des Maßes der baulichen Nutzung an (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7/15 – juris Rn. 17 m.w.N.). Dabei ist kumulierend auf die absolute Größe der Gebäude nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe abzustellen. Die Übereinstimmung von Vorhaben und Referenzobjekten nur in einem Maßfaktor genügt nicht, weil sie dazu führen könnte, dass durch eine Kombination von Bestimmungsgrößen, die einzelnen Gebäuden in der näheren Umgebung jeweils separat entnommen werden, Baulichkeiten entstehen, die in ihrer Dimension kein Vorbild in der näheren Umgebung haben. Dies widerspräche der planersetzenden Funktion des § 34 Abs. 1 BauGB, eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung eines Bereichs zu gewährleisten (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7/15 – juris Rn. 20).
Zur maßgeblichen Umgebung gehört jedenfalls das streitgegenständliche Grundstück, auf welchem sich bereits ein zweigeschossiges Gebäude mit ausgebautem Dachgeschoss unter einem Satteldach mit einer Grundfläche von ca. 145 m², einer Wandhöhe von 5,55 m und einer Firsthöhe von 8,42 m befindet. Hinsichtlich der Kubatur (Grundfläche, Geschosszahl und Höhe) stellt dieses Bestandsgebäude ein Vorbild für das geplante zweite Wohngebäude mit einer Grundfläche von 97,75 m², zwei Geschossen und einer Wandhöhe von maximal 6,355 m dar; das geplante Gebäude bleibt sogar deutlich hinter den Ausmaßen des Bestandsgebäudes zurück.
Im Hinblick auf die zusätzliche – nicht kumulative – Voraussetzung des Verhältnisses zur Freifläche findet sich unter anderem auf dem Grundstück M …weg, Fl.Nr. 1300/1, Gemarkung …, ein Vorbild für die geplante Bebauung auf dem streitgegenständlichen Grundstück, da dessen Verhältnis von mit Hauptgebäuden bebauter Fläche (103,85 m², abgegriffen aus dem Lageplan) zur Grundstücksfläche (368,95 m², abgegriffen aus dem Lageplan) mit 0,28 deutlich schlechter ist als das auf dem streitgegenständlichen Grundstück geplante Verhältnis der durch die beiden Wohngebäude bebauten Fläche (242,75 m² = 145 m² + 97,75 m²) zur Grundstücksfläche (1.009 m²) von 0,24.
Das Grundstück M …weg 1 gehört auch zur maßgeblichen Umgebung, da das Gericht aufgrund der Feststellungen im Augenscheinstermin von einer gegenseitigen Prägung der nördlich und südlich des M …wegs situierten Bebauung ausgeht. Der M …weg ist mit lediglich vier Meter sehr schmal und ist als Fußgängerweg – nicht als öffentliche Straße – gekennzeichnet. Lediglich die Anlieger dürfen den Weg zur Zufahrt zu ihren Anwesen benutzen. Offensichtlich wirken somit die Gebäude südlich und nördlich des Wegs in bauplanungsrechtlicher Hinsicht aufeinander ein. Es besteht insbesondere eine klare Sichtbeziehung zueinander. Dem M …weg kommt zudem aufgrund seiner geringen Breite und Ausgestaltung keine den nördlichen Teil des Gevierts – begrenzt durch die S …straße, die A …straße und die S …straße – vom südlichen Teil des Gevierts – begrenzt durch die S …straße, die Straße A … und die S …straße – trennende Wirkung zu. Das Anwesen M …weg gehört daher nicht als Bebauung auf der gegenüberliegenden Straßenseite, sondern als Bebauung im selben Geviert in unmittelbarer Nähe zum streitgegenständlichen Grundstück zur näheren Umgebung.
2.2.3 Schließlich fügt sich das Vorhaben auch hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die nähere Umgebung gemäß § 30 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 34 Abs. 1 BauGB ein.
Das geplante zweite Wohngebäude hält zum einen die Festsetzung der vorderen und seitlichen Baugrenze ein (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO) und ist daher gemäß § 30 Abs. 3 BauGB zulässig.
Eine faktische vordere Baugrenze, die die Beklagte zusätzlich zur festgesetzten vorderen Baugrenze als gegeben ansieht, muss vorliegend – unabhängig von der Frage, ob eine solche angesichts der übergeleiteten Festsetzungen überhaupt in Betracht kommt – ausscheiden, da eine hierfür erforderliche Einheitlichkeit der Situierung der Baukörper nicht gegeben ist. Selbst das Bestandsgebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück und das westliche benachbarte Gebäude befinden sich nicht annähernd auf einer Linie, die eine faktische Baugrenze begründen könnte.
Zum anderen hält es auch die in der Nähe vorhandene Bebauungstiefe, die grundsätzlich von der Erschließungs Straße her zu beurteilen ist (vgl. VG München, U.v. 3.4.2017 – M 8 K 15.5546 – juris Rn. 35; B.v. 6.4.2017 – M 8 SN 17.676 – juris Rn. 76 mit Verweis auf § 23 Abs. 4 BauNVO), ein, da sich diese durch die Bebauung im vorderen Grundstücksteil auf dem streitgegenständlichen Grundstück nicht verändert.
Entgegen der Ansicht der Beklagten spielt hinsichtlich des Parameters Bebauungstiefe die Frage, in welcher Baureihe das Gebäude steht, keine Rolle. Die Anzahl der Baureihen ist weder ein eigenständiger Parameter des § 34 Abs. 1 BauGB noch ein Kriterium in der rein rechnerisch zu ermittelnden Bebauungstiefe (ständige Rechtsprechung des erkennenden Gerichts vgl. insoweit U.v. 30.6.2014 – M 8 K 13.2180 – juris Rn. 30; U.v. 9.10.2017 – M 8 K 16.2971 – juris Rn. 26).
2.3 Den Klägern steht auch ein Anspruch auf positive Beantwortung der Frage 7 gemäß Art. 71 Satz 1, Satz 4, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Art. 59 Satz 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 BayBO zu.
Eine abstrakte – also vom konkreten Vorhaben losgelöste – Frage nach der planungsrechtlich zulässigen maximalen Höhenentwicklung wäre zwar mangels Vorhabensbezug unzulässig.
Vorliegend bezieht sich die Frage jedoch auf das konkrete Vorhaben. Insoweit kann auf die Ausführungen unter 2.2 verwiesen werden, da sich für das geplante zweite Wohngebäude Vorbilder – auch hinsichtlich der geplanten Wandhöhe – in der näheren Umgebung finden.
2.4 Den Klägern steht ein Anspruch auf positive Beantwortung der Frage 13 gemäß Art. 71 Satz 1, Satz 4, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Art. 59 Satz 1 Satz 1 Nr. 3 BayBO i.V.m. Art. 18 Bayerisches Naturschutzgesetz (BayNatSchG) i.V.m. der Baumschutzverordnung der Beklagten vom 18. Januar 2013 (BaumschutzV) zu.
Sofern ein Vorhaben im Innenbereich bauplanungsrechtlich zulässig ist, muss der Natur- und Baumschutz insoweit im Regelfall zurücktreten (Rechtsgedanke des § 18 Abs. 2 Satz 1 Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG – und Art. 31 Grundgesetz – GG). Auch § 5 Abs. 1 Nr. 1 BaumschutzV selbst geht von einem solchen Rangverhältnis aus (vgl. dazu grundsätzlich BayVGH, U.v. 27.9.1991 – 1 B 91.738 – juris; VG München, U.v. 28.7.2008 – M 8 K 07.3586 – juris Rn. 40). In engen Ausnahmefällen mag dies anders sein, dafür bietet jedoch der vorliegende Sachverhalt keine Anhaltspunkte.
2.5 Hinsichtlich Frage 11 steht den Klägern lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu.
Mit Frage 11 begehren die Kläger insbesondere die Klärung der Zulässigkeit der Errichtung eines Fahrrad- und Geräteunterstandes bezüglich der überbaubaren Grundstücksfläche.
Die Zulässigkeit des Unterstandes nach der Art der baulichen Nutzung (Zulässigkeit als Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO), des Maßes der baulichen Nutzung (die Bestandsgarage ist laut Lageplan ca. viermal so groß wie der geplante Unterstand) und der Bauweise ist gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gegeben.
Der Unterstand überschreitet allerdings die festgesetzte Baugrenze und verstößt damit gegen die Festsetzung eines einfachen Bebauungsplans (§ 30 Abs. 3 BauGB), sodass für dessen bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB erforderlich ist.
Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde (Nr. 3) und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Die Erteilung der Befreiung steht folglich im pflichtgemäßen Ermessen (Art. 40 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG) der unteren Bauaufsichtsbehörde (Art. 53 Abs. 1 Satz 1, Art. 54 Abs. 1 BayBO). Dies bringt der Gesetzgeber in § 31 Abs. 2 BauGB mit der Formulierung zum Ausdruck, dass von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden „kann“. Den Ermessenscharakter der Befreiungsentscheidung betont auch die höchstrichterliche Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der vorherrschenden Lehre (vgl. BVerwG, U.v. 19.9.2002 – 4 C 13/01 – juris Rn. 30).
Allerdings wurde in der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Formulierung geprägt, dass „für die Ausübung dieses Ermessens nur wenig Raum besteht, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung gegeben sind“ (so BVerwG, U.v. 19.9.2002 a.a.O. Rn. 31 unter Bezugnahme auf Löhr in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Aufl. 2002 , Rn. 43 zu § 31 und Jäde in: Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB und BauNVO, 3. Aufl. 2002 , Rn. 26 zu § 31). Wie das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich feststellt, folgt daraus jedoch nicht, dass der zuständigen Behörde entgegen dem Wortlaut der Vorschrift kein Ermessensspielraum zusteht oder das Ermessen stets auf Null reduziert ist, wenn die Voraussetzungen einer Befreiung vorliegen (ebenso Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Komm. zum BauGB, Stand: 1.10.2016, Rn. 26 zu § 31). Erforderlich ist für eine negative Ermessensentscheidung, dass der Befreiung gewichtige Interessen entgegenstehen (vgl. BVerwG, U.v. 19.9.2002 a.a.O Rn. 31).
Die Beklagte hat das ihr im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB zustehende Ermessen – soweit es gerichtlicher Überprüfung nach § 114 VwGO unterliegt – vorliegend nicht rechtmäßig ausgeübt. Die Verneinung der Frage 11 mit der Begründung, dass bereits das zweite Wohngebäude planungsrechtlich – und infolgedessen auch der Unterstand – nicht zulässig sei, hält der gerichtlichen Überprüfung nicht stand (vgl. die Ausführungen unter Ziffer 2.2). Die Beklagte hat ihr Ermessen aufgrund der fehlerhaften Rechtsansicht überhaupt nicht ausgeübt, weshalb ein Ermessensausfall gegeben ist.
Die Beantwortung der Frage 11 ist damit zwar rechtswidrig und aufzuheben, ein Anspruch der Kläger auf positive Beantwortung der Frage 11 folgt dagegen daraus nicht (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Denn eine einen Anspruch begründende Ermessensreduzierung auf Null kommt nur dann in Betracht, wenn allgemein oder im konkreten Einzelfall keine Zweckmäßigkeitserwägungen denkbar sind, die eine Versagung der Befreiung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten rechtfertigen könnten (vgl. BayVGH, U.v. 9.8.2007 – 25 B 05.1339 – juris Rn. 44). Dies ist hier nicht der Fall, da insbesondere der nördlich des M …wegs durch die Baugrenze von Bebauung freigehaltene Bereich – mit Ausnahme der Bestandsgarage auf dem streitgegenständlichen Grundstück – tatsächlich freigehalten ist und städtebaulich unerwünschte Bezugsfälle durch das klägerische Vorhaben zumindest nicht von vornherein auszuschließen sind.
Die Beklagte wird bei ihrer erneut auszuübenden Ermessensentscheidung jedoch zu berücksichtigen und zu würdigen haben, dass sich das geplante zweite Wohngebäude nach § 34 BauGB einfügt und lediglich der Unterstand als Nebenanlage den Festsetzungen der Baugrenze widerspricht. Zudem ist das Ausmaß der Überschreitung von 4,4 m auf einer Breite von 2,6 m (jeweils abgegriffen aus dem Erdgeschoss-Plan), mithin um 11,44 m² zu berücksichtigen. Auch die Tatsache, dass bereits derzeit eine Überschreitung der (vorderen und seitlichen) Baugrenze durch die Bestandsgarage – im Umfang größer als die nunmehr geplante Überschreitung – gegeben ist, wird in die Ermessensentscheidung einzustellen sein. Im Hinblick auf die Gefahr der Schaffung von Bezugsfällen ist zu beachten, dass neben der Bestandsgarage auf dem streitgegenständlichen Grundstück insbesondere auch auf dem Grundstück M …weg 1 eine Bauraumüberschreitung durch eine Garage besteht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO.
Soweit die Beteiligten die Streitsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entsprach es billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO), die Kosten insoweit den Klägern gesamtverbindlich (§ 159 VwGO) aufzuerlegen, da nach bisherigem Sach- und Streitstand die Fragen 6 und 12 unzulässig sein dürften. Für Frage 6 folgt dies daraus, dass Fragen des Bauordnungsrechts – wie es die Frage nach der Zulässigkeit bestimmter Gebäude- und Dachformen darstellt – kein Gegenstand des vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO und damit auch kein Gegenstand eines Vorbescheidsverfahrens (vgl. Art. 71 Satz 4 BayBO) sein können. Frage 12 wäre unzulässig gewesen, da es am konkreten Vorhabensbezug bei einer Eventualfrage fehlt, zumal die Eventualität nicht näher bezeichnet ist.
Angesichts des Umstandes, dass die Kläger hinsichtlich zwei der ursprünglichen sechs angegriffenen Beantwortungen der Fragen unterlegen wären und das Gericht hinsichtlich Frage 11 nur einer Verbescheidung stattgibt, erscheint eine Kostenverteilung nach § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO im Verhältnis von 1/3 (Kläger) zu 2/3 (Beklagte) angemessen.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).