IT- und Medienrecht

Anwendung einer Verschlussklausel bei Tresoröffnung mittels bekannter Zahlenkombination

Aktenzeichen  12 O 9558/17

Datum:
16.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 42048
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EHV 2007(ABEH 2007) § 1 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ein mit einer Zahlenkombination gesicherter Tresor ist gegenüber einem Täter, der die Kombination kennt, nicht verschlossen iSe Verschlussklausel (hier: § 1 Abs. 1 EHV 2007/ABEH 2007). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Deshalb kommt eine vereinbarte Entschädigungsgrenze für die Entwendung von Schmuck und Edelmetallen, die sich außerhalb verschlossener Behältnisse befinden, zur Anwendung, wenn solche Wertgegenstände aus einem verschlossenen Schreibtischtresor entwendet werden, der vom Täter mittels der ihm schon vorher bekannten Zahlenkombination geöffnet wurde. (Rn. 34 – 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 33.710,62 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keine weitergehenden Ansprüche hinsichtlich des Schadensfalls vom 21.07.2013 gegen die Beklagte.
1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass am 21.07.2013 in die versicherte Wohnung eingebrochen wurde und damit ein Versicherungsfall eintrat.
2. Dabei kann dahinstehen, ob sich zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls tatsächlich vier Goldbarren zu je 250 Gramm und ein goldener Ring im Möbeltresor der Klägerin befanden, der im Schreibtisch verschraubt war. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass diese Wertgegenstände am 21.07.2013 vorhanden waren und den behaupteten Wert hatten, kann die Klägerin von der Beklagten nicht verlangen, dass diese ihr den Wert in voller Höhe erstattet.
3. Die Beklagte hat sich gegenüber der Klägerin berechtigt auf die Entschädigungsgrenze in Höhe von 3.000,00 EUR für Schmuck und Edelmetalle in § 1 (1) AVB berufen.
a. Gemäß § 1 (1) AVB gilt die Entschädigungsgrenze für Schmuck und Edelmetalle, „die sich außerhalb verschlossener und gegen die Wegnahme gesicherter Behältnisse oder außerhalb zusätzlich verschlossener Räume innerhalb der Wohnung befinden“.
Der Möbeltresor der Klägerin ist dabei grundsätzlich ein Wertsicherungsbehältnis im Sinne des § 1 (1) AVB. Durch seine Verankerung in der Schreibtischrückwand war er auch hinreichend gegen die Wegnahme gesichert.
b. Jedoch konnte die beweisbelastete Klägerin nicht nachweisen, dass der Möbekltresor zum Zeitpunkt des Schadensereignisses am 21.07.2013 verschlossen war. Es fehlte also an dem „doppelten Verschluss“ zum Zeitpunkt des Schadensereignisses, der gemäß § 1 (1) AVB für eine Erstattung über die Entschädigungsgrenze hinaus erforderlich gewesen wäre.
aa. Die Klägerin beruft sich darauf, dass die Entschädigungsgrenze von 3.000,00 EUR in § 1 (1) AVB keine Anwendung findet. Die Klägerin muss folglich beweisen, dass sie die entwendeten Wertsachen innerhalb eines verschlossenen Behältnisses verwahrt waren, ohne dass zu ihren Gunsten Beweiserleichterungen anzunehmen wären (vgl. OLG Celle, Urteil vom 23.09.2010, Az.: 8 U 47/10, Rz. 37 ff., nach juris). Diesen Beweis konnte die Klägerin hier nicht zur Überzeugung des Gerichts führen.
bb. Die Klägerin konnte bereits nicht nachweisen, dass der Tresor am 21.07.2013 verschlossen war. Die Beklagte hat diese Behauptung der Klägerin bestritten. Die beweisbelastete Klägerin hat für diese bestrittene Behauptung jedoch keinerlei Beweis angeboten, so dass sie insoweit beweisfällig geblieben ist. Allein aus diesem Grund durfte sich die Beklagte auf die Entschädigungsgrenze berufen.
cc. Selbst wenn die Klägerin aber nachgewiesen hätte, dass der Tresor am 21.07.2013 verschlossen war, könnte sich die Beklagte dennoch auf die Entschädigungsgrenze berufen.
aaa. In diesem Fall hätte der Täter nach der Überzeugung des Gerichts, die sich auf die auszugsweise vorgelegte Ermittlungsakte (Anlage BLD1) stützt, den Tresor mittels der Zahlenkombination geöffnet.
(1) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Tresor zwar aus der Verankerung gerissen wurde, am Tresor selbst aber keinerlei Aufbruchspuren festgestellt werden konnten. Auch ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Täter nicht den separat verwahrten und versiegelten Tresorschlüssel nutzte.
(2) Nach der Überzeugung des Gerichts konnte der Täter den Tresor, sollte er tatsächlich verschlossen gewesen sein, folglich nur mit der siebenstelligen PIN öffnen. Dabei ist das Gericht davon überzeugt, dass der Täter die Kombination positiv kannte. Ein Täter, der den Code nicht kennt, hätte es nicht riskiert, die Zahlenkombination durch zeitaufwändiges Raten zu ermitteln und dabei entdeckt zu werden. Bei einer siebenstelligen PIN ist es nach der Überzeugung des Gerichts ausgeschlossen, den Code binnen eines kurzen Zeitraums zufällig zu erraten.
(3) Dabei ist irrelevant, dass die Klägerin und ihr Ehemann die PIN unstreitig niemandem verraten haben. Jedenfalls der Enkel der Klägerin Sascha Alexander wusste spätestens seit 2007/2008 von dem Tresor und von dem Umschlag, in dem sich die Zahlenkombination befand. Es wäre ihm also nach der Überzeugung des Gerichts ohne weiteres möglich gewesen, bis zum Zerwürfnis mit der Klägerin und ihrem Ehemann ca. Anfang 2012 den Umschlag zu öffnen, sich die PIN einzuprägen und den Umschlag dann wieder zu verschließen. Sascha Alexander hätte dann den Tresor am 21.07.2013 selbst öffnen oder die PIN einem Dritten mitteilen können.
bbb. Ein Tresor mit Zahlenkombination ist aber gegenüber einem Täter, der die Kombination kennt, nicht verschlossen im Sinne von § 1 (1) AVB. Dieser Fall ist mit der Konstellation zu vergleichen, dass der Täter einen richtigen Schlüssel zum Tresor hat.
In diesem Fall kann der Tresor die eigentlich beabsichtige separate Sicherung gegen Wegnahme nicht mehr gewährleisten. Der Sinn des Tresors als besondere Hürde für einen Einbrecher ist konterkariert, wenn der Täter problemlos auf den Inhalt des Tresors zugreifen kann, weil er einen Schlüssel hat oder die Zahlenkombination kennt. Somit ist die Wirkung eines Tresors als verschlossenes Behältnis und als zusätzliches Hindernis innerhalb der Wohnung sogleich wieder aufgehoben, so dass der Tresor nicht „verschlossen“ ist (vgl. hierzu auch OLG Köln, Urteil vom 14.03.2006, Az.: 9 U 109/05, Rz. 31, nach juris, m.w.N.).
c. Die Voraussetzungen für eine Entschädigung über die Grenze von 3.000,00 EUR in § 1 (1) AVB hinaus sind somit nicht erfüllt.
4. Die Beklagte war folglich nicht verpflichtet, der Klägerin über die 3.000,00 EUR hinaus den Wert der entwendeten Wertsachen zu erstatten. Die Klage war abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
Der Streitwert war gemäß §§ 48 Abs. 1 S. 1 GKG, 3 ZPO festzusetzen und beruht auf dem Zahlungsantrag der Klägerin.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Gültigkeit von Gutscheinen

Sie erweisen sich immer wieder als beliebtes Geschenk oder werden oft bei Rückgabe von Waren statt Geld ausgezahlt: Gutscheine. Doch wie lange sind Gutscheine eigentlich gültig, ist eine Einlösbarkeit von einem Monat überhaupt rechtmäßig und was passiert, wenn der Gutschein doch einmal verfällt?
Mehr lesen

Kostenloses Streaming – Wann mache ich mich strafbar?

Sicher schauen Sie auch gerne Filme im Internet an. Dort ist die Auswahl mittlerweile so groß, dass das übliche TV-Programm für manch einen fast überflüssig wird. Unseriöse Anbieter sollte man aber lieber meiden. Warum, erfahren Sie in diesem Artikel.
Mehr lesen

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen