Aktenzeichen M 15 K 15.3400
Leitsatz
1 Die Altersgrenze des § 10 Abs. 3 S. 1 BAföG findet gem. § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BAföG dann keine Anwendung, wenn der Auszubildende die Zugangsvoraussetzungen für die zu fördernde Ausbildung durch eine Zugangsprüfung zur Hochschule erworben hat. Dabei ist unter Zugangsprüfung nur diejenige, den Hochschulzugang eröffnende Prüfung zu verstehen, die die schulischen Voraussetzungen der Hochschulausbildung ersetzt und dadurch subsidiär die Zugangsberechtigung für das angestrebte Studium schafft (vgl. OVG Bremen BeckRS 1993, 4266). (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Es stellt ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 10 Abs. 3 S. 2 Nr.1 BAföG dar, dass der Auszubildende keine sonstige Hochschulzugangsberechtigung besitzt (wie VG München BeckRS 2006, 31478). Legt daher ein Studienbewerber mit einer bereits vorhandenen Zugangsberechtigung zusätzlich eine Eignungsprüfung ab, greift § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BAföG nicht ein, da die Prüfung nicht dem subsidiären Erwerb einer fehlenden Zugangsberechtigung dient (vgl. OVG Bremen BeckRS 1993, 4286). (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt … wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die am … geborene Klägerin begehrt Ausbildungsförderung für ihr Studium der … an der Universität S… Die Klägerin besuchte nach der Realschule, die sie 1980 mit der Mittleren Reife abschloss, von September 1980 bis Juli 1982 die Fachoberschule … und erlangte dort die Fachhochschulreife. Nach ihren Angaben zum schulischen und beruflichen Werdegang arbeitete sie bis August 1987 in einer …gesellschaft und war im Anschluss ein Jahr als Au Pair in den USA. Von Dezember 1988 bis März 1990 absolvierte sie eine Ausbildung bei der A…gesellschaft und arbeitete von April 1990 bis September 1992 bei einem …berater. Von September 1992 bis Oktober 2012 befand sie sich nach ihren eigenen Angaben in Mutterschutz bzw. war mit der Kindererziehung beschäftigt.
Ihre älteste Tochter (geb. …) und ihr Sohn (geb. …) studieren an der FH R…, ihre jüngste Tochter (geb. …) studiert seit dem Wintersemester 2013/14 an der Universität S… Am … Oktober 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erstmals Ausbildungsförderung für das Studium der … (Bachelor) an der Universität S… (Bewilligungszeitraum 10/2013 bis 9/2014).
Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2014 abgelehnt, weil die Klägerin die Altersgrenze (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG) überschritten habe und keine der Ausnahmen des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 4 BAföG vorliege. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 5. November 2014).
Am … Dezember 2014 stellte die Klägerin einen weiteren BAföG-Antrag (Bewilligungszeitraum 12/2014 bis 9/2015).
Mit Bescheid vom 10. Februar 2015 wurde der BAföG-Antrag der Klägerin abgelehnt, wobei zur Begründung auf die Gründe des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 5. November 2014 Bezug genommen wurde.
Der hiergegen am … März 2015 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 6. Juli 2015 zurückgewiesen.
Hiergegen ließ die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten am … August 2015 Klage erheben, mit der die Bewilligung von Ausbildungsförderung beantragt wurde. Gleichzeitig wurde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die Klägerin durch eine gesonderte Studienberechtigungsprüfung am … August 2013 durch die Universität S… zum Studium zugelassen worden sei. Diese Prüfung erfülle den Tatbestand einer zusätzlichen Aufnahmeprüfung im Sinne des § 10 Abs. 3 BAföG.
Zwar habe die Klägerin ihr Fachabitur abgelegt, jedoch sei sowohl für das Studium in S… als auch für das von der Beklagten als zumutbar dargestellte Studium an der Universität K… eine zusätzliche Aufnahmeprüfung im Hinblick auf ausreichende Sprachkenntnisse erforderlich gewesen.
Aufgrund der Grundfreiheiten nach dem Europarecht stehe es der Klägerin frei, ein Studium in Österreich beginnen zu dürfen und hierfür BAföG zu beantragen. Es dürfe der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen, dass sie ihr Studium nicht im Inland, sondern in Österreich absolviere.
Die Beklagte hat die Akten vorgelegt und Klageabweisung beantragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
II.
Der zulässige Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es kann offen bleiben, ob die Klägerin durch die Vorlage der eingereichten „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass sie die Kosten der Prozessführung nicht, auch nicht teilweise oder in Raten, aufbringen kann. Denn die Klage bietet zumindest keine hinreichenden Erfolgsaussichten, da die Klägerin keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung für ihr Studium der … an der Universität s… hat. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Niederbayern vom 6. Juli 2015 dürfte im Ergebnis rechtmäßig sein und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Zur Begründung wird zunächst Bezug genommen auf die Begründung des Widerspruchsbescheids der Regierung von Niederbayern vom 6. Juli 2015, der das Gericht folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Die Klägerin besitzt vorliegend bereits seit 1982 eine sonstige Hochschulzugangsberechtigung.
Die Altersgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG findet gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, letzte Alternative BAföG dann keine Anwendung, wenn der Auszubildende die Zugangsvoraussetzungen für die zu fördernde Ausbildung durch eine Zugangsprüfung zu einer Hochschule erworben hat. Unter Zugangsprüfung ist nur diejenige die Zulassung zu einer bestimmten Hochschule eröffnende Prüfung zu verstehen, die die schulische Voraussetzung der Hochschulausbildung (i.d.R. also das Abitur) ersetzt und dadurch subsidiär die Zugangsberechtigung für das angestrebte Studium schafft (OVG Bremen, U.v. 23.3.1993 – 2 BA 56/92 – FamRZ 1994, 62 ff.; Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 6. Aufl. 2016, RdNr. 18 zu § 10). Subsidiär meint dabei, dass der Studienbewerber nicht bereits die sonst erforderliche, im Schulweg erworbene Hochschulzugangsberechtigung besitzt, sondern erst durch die Zugangsprüfung eine Hochschulzugangsberechtigung erlangt (OVG Bremen a.a.O.). Ungeschriebenes Tatbestand:smerkmal des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr.1, letzte Alternative BAföG ist demnach, dass der Auszubildende keine sonstige Hochschulzugangsberechtigung besitzt (VG München, U.v. 16.3.2006 – M 15 K 04.5558 – juris). Diese Begriffsdefinition führt etwa bei künstlerischen Eignungsprüfungen zu einer differenzierten Betrachtung: Soweit Bewerber ohne sonstige Hochschulzugangsberechtigung allein durch das Bestehen der Eignungsprüfung eine – eingeschränkte – Hochschulzugangsberechtigung erlangen (vgl. Art. 44 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BayHSchG: „anstelle“ der allgemeinen Qualifikationsvoraussetzungen des Art. 43 BayHSchG), liegt eine Zugangsprüfung i.S.v. § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr.1 BAföG vor. Diese Eignungsprüfung wird daher für Kunsthochschulen den sonst geforderten Zulassungsvoraussetzungen der Hochschulreife oder Fachhochschulreife gleichgestellt. Soweit aber Bewerber mit bereits vorhandener Zugangsberechtigung – wie hier – noch zusätzlich eine Eignungsprüfung ablegen müssen, ist § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG hingegen nicht einschlägig, da es bei ihnen nicht mehr um den subsidiären Erwerb einer bisher fehlenden Zugangsberechtigung geht (OVG Bremen a.a.O.).
Nicht entschieden werden muss vorliegend die Frage, ob angesichts der Tatsache, dass die Klägerin – die Einhaltung der Regelstudienzeit unterstellt – im Alter von 5* Jahren das Studium abgeschlossen hat, ein Fall vorliegt, in dem die Aufhebung der Altersgrenze des § 10 Abs. 3 BAföG nicht verlangt werden kann, weil der Zweck der Ausbildungsförderung nicht mehr erfüllt werden könne (BVerwG, U.v. 9.5.1985 – 5 C 48/82, U.v. 4.7.1985 – 5 C 55/82 – U.v. 6.11.1991 – 5 B 121/91 – alle juris).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war daher abzulehnen.