Arbeitsrecht

Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts

Aktenzeichen  S 17 SF 131/17 E

Datum:
9.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 10584
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 14 Abs. 1, § 45 Abs. 1, § 48 Abs. 1, § 55 Abs. 1 S. 1
SGG § 193

 

Leitsatz

Ein überflüssiger Termin löst keine Terminsgebühr aus. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung vom 27.07.2017 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Streitig ist die Höhe der zugunsten der Erinnerungsführerin durch die Staatskasse zu erstattenden Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) für das erledigte Verfahren S 17 AS 536/16.
In o. g. Ausgangsverfahren hatte die Klägerin vertreten durch die Erinnerungsführerin am 13.05.2016 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. Streitig war die Höhe der gewährten Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Beklagte hatte den Widerspruch gegen den streitgegenständlichen Bescheid wegen Verfristung als unzulässig verworfen. Gleichzeitig beantragte die Klägerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Das Gericht wies mit Schreiben vom 26.07.2016 bereits darauf hin, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klageerhebung zweifelhaft sei, da der Beklagte den verfristeten Widerspruch als Überprüfungsantrag gewertet habe, über den noch entschieden werde. Unabhängig davon gewährte das Gericht nach weiterem Vortrag seitens der Klägerin und Beweisantrag mit Beschluss vom 11.10.2016 Prozesskostenhilfe für die Klägerin. Mit Ladung vom 16.02.2017 bestimmte das Gericht einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage auf den 14.03.2017. Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 13.03.2017 mit, dass aufgrund einer geänderten Sachlage nunmehr dem eigentlichen Begehren der Klägerin auf Gewährung höherer Kosten der Unterkunft und Heizung mit Bescheid vom 10.03.2017 entsprochen worden sei. Noch am gleichen Tag übersandte das Gericht der Erinnerungsführerin per Fax das Schreiben des Beklagten mit dem Bescheid vom 10.03.2017 und bat um Mitteilung, ob der Termin aufgehoben werden könne. Zudem wies das Gericht darauf hin, dass über die Erstattung außergerichtlicher Kosten gesondert entschieden werden könne. Eines Gerichtstermins bedürfe es hierfür nicht. Die Erinnerungsführerin teilte am 13.03.2017 dem Gericht telefonisch mit, dass der Termin bestehen bleiben solle, da der Bescheid vom 10.03.2017 nicht an die Klägerin, sondern deren Sohn adressiert sei, der im streitgegenständlichen Zeitraum mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebte. Der Termin fand schließlich am 14.03.2017 in Anwesenheit der Erinnerungsführerin statt. Er dauerte zehn Minuten. Die Klägerin erklärte das Klageverfahren für erledigt. Einen Antrag auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten durch den Beklagten stellte die Klägerin nicht.
Mit Schreiben vom 16.03.2017 beantragte die Erinnerungsführerin beim Gericht, ihre Vergütung für das vorliegende Ausgangsverfahren durch die Staatskasse wie folgt festzusetzen:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG 300,00 €
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 270,00 €
Post- und Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
19% MwSt, Nr. 7008 VV RVG 112,10 €
702,10 €
Am 27.07.2017 setzte die Urkundsbeamtin die von der Staatskasse zu erstattenden Kosten in Höhe von 380,80 € fest, wobei sie lediglich die Verfahrensgebühr in beantragter Höhe, die Auslagenpauschale sowie die Mehrwertsteuer anerkannte. Die Festsetzung der beantragten Terminsgebühr lehnte die Urkundsbeamtin mit der Begründung ab, der Gerichtstermin sei entbehrlich gewesen. Auf die Begründung in der Festsetzung wird Bezug genommen.
Gegen die Nichtfestsetzung der Terminsgebühr hat die Erinnerungsführerin am 03.08.2017 beim Sozialgericht Nürnberg Erinnerung eingelegt. Hilfsweise beantragt sie eine Verfahrensgebühr in Höhe von 460,00 €. Die Urkundsbeamtin hat zunächst die Möglichkeit einer Abhilfe geprüft, diese jedoch abgelehnt und den Antrag am 09.10.2017 der zuständigen Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte nebst Prozesskostenhilfebeiakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Erinnerung ist nicht begründet. Die Vergütung der Erinnerungsführerin durch die Staatskasse ist nicht in der von der Erinnerungsführerin beantragten Höhe festzusetzen. Die Festsetzung seitens der Urkundsbeamtin ist nicht zu beanstanden. Eine Terminsgebühr war ebenso wenig festzusetzen wie eine höhere Verfahrensgebühr.
Nach § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung aus der Staatskasse, soweit im 8. Abschnitt des RVG (§§ 44 bis 59) nichts anderes bestimmt ist. Der Vergütungsanspruch bestimmt sich gemäß § 48 Abs. 1 RVG nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet wurde. Die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung und der Vorschuss hierauf werden auf Antrag des Rechtsanwalts vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges festgesetzt, § 55 Abs. 1 S. 1 RVG.
Gemäß § 3 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren (Satz 1). In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Personen gehört (Satz 2). Da die Klägerin des Ausgangsverfahrens zu dem Kreis der Personen nach § 183 SGG zählt und das GKG somit nicht anwendbar ist, entstehen vorliegend Betragsrahmengebühren.
Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4).
Streitig ist vorliegend allein die Festsetzung einer Terminsgebühr. Die Urkundsbeamtin hat dies trotz Teilnahme der Erinnerungsführerin am Termin am 14.03.2017 abgelehnt. Aus Sicht der erkennenden Kammer ist dies nicht zu beanstanden. Ein Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse kommt nur insoweit in Betracht, als die geltend gemachten Kosten im Sinne des § 91 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) notwendig waren (vgl. hierzu Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl. 2017, § 55 Rn. 51). Dieser Grundsatz ergibt sich auch aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Hinsichtlich der Gebühren ist zwar grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die sie auslösende Tätigkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Etwas anderes gilt jedoch, wenn eine Prozesshandlung völlig überflüssig und bedeutungslos war, weshalb kein Vergütungsanspruch entstehen kann (vgl. hierzu Müller-Rabe, a. a. O., § 55 Rn. 53).
So liegt der Fall hier. Die Teilnahme der Erinnerungsführerin am Termin am 14.03.2017 war nach verständiger Würdigung der Umstände, die am 13.03.2017 der Erinnerungsführerin bekannt waren, nicht erforderlich. Der Termin hätte nicht stattfinden müssen. Er war vielmehr überflüssig. Somit wäre keine Terminsgebühr entstanden. Denn auch eine fiktive Terminsgebühr wäre im Fall des Wegfalls des Termins – entgegen der Auffassung der Erinnerungsführerin – nicht entstanden. Der Beklagte hatte bereits am 13.03.2017 dem eigentlichen Begehren der Klägerin mit Bescheid vom 10.03.2017 vollumfänglich insofern entsprochen, als er die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung bei der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab 01.04.2016 anerkannt hatte. Der Umstand, dass der Bescheid an den Sohn der Klägerin adressiert war, hätte schriftlich geklärt werden können. Hierfür hätte es keines Termins am Gericht bedurft. Dies gilt insbesondere, da aus dem Bescheid vom 10.03.2017 ersichtlich war, dass auch für die Klägerin höhere Leistungen bewilligt worden waren. Das Gericht hat mit seinem Schreiben vom 13.03.2017 auch bereits zum Ausdruck gebracht, dass ein Termin nicht mehr für erforderlich gehalten wird. Bei Wegfall des Termins wäre auch keine fiktive Terminsgebühr entstanden, da keine der in Nr. 3106 VV RVG genannten Alternativen vorlag. Das Verfahren endete weder durch schriftlichen Vergleich noch durch Gerichtsbescheid noch nach angenommenem Anerkenntnis. Die Tatsache, dass der Beklagte nach Änderung der Sachlage schließlich dem Begehren der Klägerin auf Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II entsprochen hat, stellt kein Anerkenntnis dar. Zum einen wurde der Klageanspruch formal nicht anerkannt. Zum anderen handelte es sich hierbei auch nicht um ein konkludent erklärtes Anerkenntnis. Streitig war die Entscheidung des Beklagten, den Widerspruch der Klägerin als verfristet zu verwerfen. Der Beklagte hatte sich mit dem Klageanspruch inhaltlich im Widerspruchsverfahren nicht auseinandergesetzt. Das Gericht hatte bereits mit Schreiben vom 26.07.2016 die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Erfolgsaussichten der Klage zweifelhaft seien und angeregt, eine Klagerücknahme zu erwägen. Die Erinnerungsführerin ist offensichtlich auch selbst nicht von einem Anerkenntnis des Beklagten ausgegangen, da sie andernfalls für die Klägerin einen Antrag auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten durch den Beklagten gestellt hätte.
Soweit die Erinnerungsführerin erstmalig im Erinnerungsverfahren hilfsweise eine Verfahrensgebühr in Höhe von 460,00 € begehrt, kann dem ebenfalls nicht entsprochen werden. Einer Nachliquidation, wie sie die Erinnerungsführerin mit der Erinnerung begehrt, steht die Bindungswirkung der Gebührenbestimmung durch die Erinnerungsführerin entgegen. Der Rechtsanwalt ist an sein einmal ausgeübtes Ermessen gemäß § 14 Abs. 1 RVG bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr gebunden. Die Bestimmung ist rechtsgestaltender Natur, ihre Abgabe Ausübung des Gestaltungsrechts. Sobald die Erklärung gegenüber dem anderen Teil wirksam geworden ist, kann sie nicht mehr geändert oder widerrufen werden. Sie wird bindend, es sei denn, der Rechtsanwalt hat sich eine Erhöhung vorbehalten, ist über Bemessungsfaktoren getäuscht worden oder hat einen gesetzlichen Gebührentatbestand übersehen (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 28.09.2011 – Az. L 2 SF 185/10 E). Die genannten Ausnahmetatbestände liegen nicht vor. Insbesondere hat die Erinnerungsführerin keine Gebühr übersehen, sondern begehrt lediglich eine höhere Verfahrensgebühr für den Fall der Nichtfestsetzung der Terminsgebühr. Die Kompensation der Nichtfestsetzung einer Gebühr durch Erhöhung einer anderen Gebühr scheidet grundlegend aus.
Die Erinnerung konnte aus o. g. Gründen keinen Erfolg haben. Das Erinnerungsverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Befristeter Arbeitsvertrag – Regelungen und Ansprüche

Dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einem befristeten Vertrag eingestellt werden, ist längst keine Seltenheit mehr. Häufig taucht der Arbeitsvertrag auf Zeit bei jungen Mitarbeitenden auf. Über die wichtigsten Regelungen und Ansprüche informieren wir Sie.
Mehr lesen

Krankschreibung – was darf ich?

Winterzeit heißt Grippezeit. Sie liegen krank im Bett und fragen sich, was Sie während ihrer Krankschreibung tun dürfen und was nicht? Abends ein Konzert besuchen? Schnell ein paar Lebensmittel einkaufen? Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Regeln.
Mehr lesen