Aktenzeichen M 10 S 16.2786
Leitsatz
Wegen der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist grundsätzlich von der Gültigkeit einer Norm auszugehen, wenn nicht Gründe für deren Nichtigkeit offen zu Tage treten; insbesondere die sachliche Prüfung einer Beitrags- oder Gebührenkalkulation (hier: Kalkulationsrüge gegen Schutzwassergebühr) bleibt grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (VGH München BeckRS 2015, 44736). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf EUR 17,29 festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist Wohnungseigentümerin am Anwesen …-Straße 67 in …. Mit Bescheid des Antragsgegners vom 19. Januar 2015 wurde sie zu Schmutzwassergebühren für den Abrechnungszeitraum vom 1. Januar 2014 bis 30. September 2014 herangezogen. Gleichzeitig wurden für die Zukunft zu bestimmten Terminen Vorauszahlungen festgesetzt.
Der Gebührenbescheid des Antragsgegners vom 19. Januar 2015 ist Gegenstand des Klageverfahrens M 10 K 15.4549. Im Klageverfahren wird im Wesentlichen die Höhe der in der Beitrags- und Gebührensatzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung des Antragsgegners festgelegten Schmutzwassergebühr angegriffen; es wurde eine Kalkulationsrüge erhoben. Über die Klage ist bisher nicht entschieden.
Mit Schreiben vom 14. Juni 2016 kündigte der Antragsgegner der Antragstellerin die Zwangsvollstreckung wegen zum 15. September 2015 und zum 15. März 2016 nicht entrichteter Schmutzwassergebührenvorauszahlungen an; ebenso wurden Säumniszuschläge und eine Mahngebühr geltend gemacht. Die rückständige Forderung betrage insgesamt 276,56 €.
Die Antragstellerin hat am 22. Juni 2016 beim Verwaltungsgericht München Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt und zuletzt beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs – und der Klage – gegen den Abrechnungsbescheid Schmutzwassergebühren vom 19. Januar 2015 einschließlich der Festsetzung der Vorauszahlungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache wiederherzustellen.
Es bestünden weiterhin die bereits im Klageverfahren geltend gemachten erheblichen Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Gebührenberechnung des Antragsgegners. Insbesondere sei die Eigenkapitalverzinsung weit überhöht angesetzt. Trotz dieser ersichtlich begründeten Einwendungen gegen die Gebührenschuld habe der Antragsgegner nunmehr die Zwangsvollstreckung angekündigt.
Mit Schreiben vom 3. August 2016 teilte die Antragstellerin mit, dass nunmehr eine Kontenpfändung erfolge.
II.
Der so zu verstehende Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage gegen die im angefochtenen Bescheid vom 19. Januar 2015 (M 10 K 15.4549) erfolgte Festsetzung von Vorauszahlungen anzuordnen, ist nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO zulässig, auch wenn die Antragstellerin bisher keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde gestellt haben sollte, da eine Vollstreckung droht bzw. mit der Kontenpfändung bereits erfolgt.
Der Antrag bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alternative 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs oder der Klage im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung anordnen. In entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll die Anordnung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Abgabenbescheids bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Gründe dafür, dass die Vollziehung des streitgegenständlichen Gebührenbescheids des Antragsgegners vom 19. Januar 2015, soweit dort Vorauszahlungen angeordnet wurden, für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Somit ist ausschließlich darauf abzustellen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen.
Nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bestehen nach Auffassung der Kammer zumindest keine ernstlichen Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit des angegriffenen Gebührenbescheids des Antragsgegners vom 19. Januar 2015.
Die Antragstellerin bestreitet im Wesentlichen im Hauptsacheverfahren die korrekte Festsetzung des Schmutzwassertarifs in § 10 a Abs. 1 Satz 2 der Beitrags- und Gebührensatzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung des Antragsgegners (BGS/EWS) vom 16. Dezember 2013. Hierzu hat sie im Hauptsacheverfahren eine sogenannte Kalkulationsrüge erhoben und weiter begründet.
Damit kann sie im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht durchdringen. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist in einem Eilverfahren, in dem nur eine überschlägige Überprüfung der Sach- und Rechtslage stattfinden kann, grundsätzlich von der Gültigkeit einer Norm auszugehen, wenn nicht ausnahmsweise Gründe, die die Annahme der Nichtigkeit rechtfertigen, offen zu Tage treten; insbesondere die sachliche Prüfung der Beitrags- oder Gebührenkalkulation bleibt grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (BayVGH, B.v. 30.3.2015 – 20 CS 15.88; B.v. 7.9.2004 – 23 CS 04.2221; B.v. 9.2.1998 – 23 ZS 98.68, jeweils in juris).
Eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Beitrags- und Gebührensatzung des Antragsgegners ist nicht ersichtlich. Die Beitrags- und Gebührensatzung ist sowohl hinsichtlich des gerügten Schmutzwassertarifes als auch in ihren sonstigen Bestimmungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zugrunde zu legen.
Auch sonstige Rechtsfehler des angefochtenen Gebührenbescheids vom 19. Januar 2015 einschließlich der darin festgesetzten Vorauszahlungen sind nicht ersichtlich.
Damit ist der Antrag mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nrn. 1.5 und 1.7.1 Streitwertkatalog 2013.
Rechtsmittelbelehrung:
1. Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München einzulegen. Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach eingeht.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen.
Die Beschwerde ist nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- nicht übersteigt.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
2. Gegen die Festsetzung des Streitwerts (Nummer III des Beschlusses) steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Für die Beschwerde gegen den Streitwert besteht kein Vertretungszwang.