Verwaltungsrecht

Umverteilung eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings

Aktenzeichen  M 24 K 16.2016

Datum:
1.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 61 Abs. 1d
AsylG AsylG § 26 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, § 50 Abs. 4, § 51 Abs. 1, § 55 Abs. 1 S. 2, § 60 Abs. 1
VwGO VwGO § 52 Nr. 2 S. 3

 

Leitsatz

Ein alleinstehender minderjähriger Asylbewerber hat keinen Anspruch auf Umverteilung in eine Großstadt. (redaktioneller Leitsatz)
Der Wunsch, in einer Großstadt zu leben, ist kein sonstiger humanitärer Grund von vergleichbarem Gewicht wie die Wahrung der familiären Haushaltsgemeinschaft. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil der Kläger mit Erklärung seines Amtsvormundes vom … Juli 2016 und der Beklagte mit Erklärung vom … Juni 2016 klar, eindeutig und vorbehaltlos auf mündliche Verhandlung verzichtet haben.
2. Das Verwaltungsgericht … ist zur Entscheidung über die Klage örtlich zuständig nach § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO. Es handelt sich vorliegend um eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz, da Kern der Streitigkeit eine Vorschrift des Asylgesetzes, nämlich § 51 Abs. 1 AsylG, ist, auch wenn die Ablehnung der länderübergreifenden Umverteilung im Schreiben des Beklagten vom … März 2016 mit § 61 Abs. 1d AufenthG anstelle von § 51 Abs. 1 AsylG begründet wurde. Der Kläger hatte im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit (vgl. § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes – GVG -) seinen Aufenthalt nach dem Asylgesetz im Regierungsbezirk … (Landkreis …) und damit im Gerichtsbezirk zu nehmen. Aufgrund des Kammerbeschlusses vom … Juni 2016 ist der Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung über die Klage berufen (§ 76 Abs. 1 AsylG).
3. Die Klage ist zwar zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben, da dem Schreiben der Beklagten vom … März 2016, bei dem es sich um einen Verwaltungsakt handelt, keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war (§ 58 Abs. 2 VwGO). Sie ist jedoch unbegründet, da der Bescheid des Beklagten vom … März 2016 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf länderübergreifende Umverteilung nach Berlin (§ 113 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 VwGO).
3.1. Grundsätzlich hat ein Ausländer, der um Asyl nachsucht, keinen Anspruch darauf, sich in einem bestimmten Land oder an einem bestimmten Ort aufzuhalten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 AsylG). Nach § 51 Abs. 1 AsylG ist jedoch, wenn der Ausländer nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, der Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen im Sinne des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylG, also von Ehegatten oder Lebenspartnern sowie Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kindern, oder sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht auch durch länderübergreifende Umverteilung Rechnung zu tragen. Die Frage, ob sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht gegeben sind, lässt sich nur einzelfallbezogen beantworten (BayVGH, B.v. 12.09.2002 – 25 ZB 02.31330 – juris).
3.2. Solche sonstigen humanitären Gründe von vergleichbarem Gewicht sind vorliegend jedoch nicht einmal ansatzweise vorgetragen oder erkennbar. Wie der Beklagte zu Recht ausgeführt hat, stellt allein der Wunsch, in einer Großstadt zu leben, nur hier ausreichend Motivation zum Schulbesuch zu entwickeln und bestimmte Sportarten betreiben zu können, keinen derartigen sonstigen humanitären Grund von vergleichbarem Gewicht dar. Dies gilt auch, soweit in den vom Amtsvormund für den Kläger vorgelegten Unterlagen allesamt dargelegt wird, dass der Kläger strebsam und motiviert ist und sich in sein soziales Umfeld in … bereits bestens integriert hat. Denn der Gesetzgeber hat für die länderübergreifende Umverteilung nach § 51 AsylG ein Verfahren vorgesehen, dass mit einem Antrag des Ausländers, ggf. vertreten durch seinen Amtsvormund, nach § 51 Abs. 2 Satz 1 AsylG beginnt und mit einer Entscheidung der zuständigen Behörde nach § 51 Abs. 2 Satz 2 AsylG endet, um dieser die Möglichkeit zu geben, das Vorliegen der Voraussetzungen der länderübergreifenden Umverteilung vor einem Ortswechsel des jeweiligen Ausländers zu prüfen. Soweit der Kläger, ohne die Umverteilungsentscheidung abzuwarten, durch einen eigenmächtigen Umzug Tatsachen geschaffen hat, hat er dies selbst zu vertreten. Die Minderjährigkeit des Klägers führt dabei zu keinem anderen Ergebnis, da die Umverteilungsvorschriften auch für minderjährige Flüchtlinge gelten, und für den Kläger ein Amtsvormund bestellt worden war. Wie vom Beklagten zutreffend dargelegt wurde, wäre es auch Aufgabe des bestellten Vormundes gewesen, auf den Kläger einzuwirken und ihm den Weg aufzuzeigen, wie er sein Leben motiviert und erfolgreich in … bestreiten könne. Im Übrigen ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass sich der Kläger nicht auch im Landkreis … integrieren und die Schule besuchen könnte.
Dass der Beklagte das Vorliegen von sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht nicht im Rahmen des § 51 Abs. 1 AsylG, sondern im Rahmen des § 61 Abs. 1d AufenthG geprüft hat, ist insoweit auch unerheblich, da das Gericht die objektiv einschlägige Rechtsnorm zu ermitteln hat und sonstige humanitäre Gründen von vergleichbarem Gewicht nach § 51 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff der Zivilprozessordnung (ZPO).

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