Baurecht

Nachträglicher Herstellungsbeitrag für öffentliche Entwässerungseinrichtung

Aktenzeichen  B 4 K 15.214

Datum:
20.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG BayKAG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 1, S. 2, S. 4, S. 6, Abs. 2a S. 1

 

Leitsatz

Durch die nachträgliche Errichtung einer Abbund- und Lagerhalle auf einem Grundstück wird die durch bestandskräftigen Beitragsbescheid abgerechnete wirtschaftliche Einheit erweitert, wenn im Zusammenhang mit den hiermit räumlich zusammenhängenden Grundstücken ein gemeinsamer Zweck verfolgt wird. Durch Schaffung zusätzlicher Geschossflächen entsteht ein zusätzlicher Grundstücksflächenbeitrag. (redaktioneller Leitsatz)
Der Bedarf eines Gebäudes oder Gebäudeteils nach Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung oder Entwässerungsanlage ist nach objektiven Kriterien typisierend zu bestimmen. Hierbei kommt es nicht auf eine gegenwärtig tatsächlich möglicherweise eingeschränkte Nutzung an. Vielmehr ist aufgrund objektivierender Betrachtungsweise nach der bestimmungsgemäßen, baurechtlich genehmigten Nutzung des Gebäudes oder Gebäudeteils zu fragen (ebenso VGH München BeckRS 2012, 51979). Die baurechtlich genehmigte Nutzung als Abbund- und Lagerhalle, die einen ständigen oder jedenfalls überwiegenden Aufenthalt von Personen während der üblichen Arbeitszeit zulässt, löst den Bedarf nach Anschluss der Halle an die öffentliche Entwässerungseinrichtung aus, auch wenn sich dort keine sanitären Anlagen befinden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Bescheid der Beklagten vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes Bayreuth vom 11.03.2015 nicht aufzuheben, weil er rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG kann die Beklagte aufgrund einer besonderen Abgabesatzung, welche die Schuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab, den Satz der Abgabe sowie die Entstehung und die Fälligkeit der Abgabeschuld bestimmen muss, zur Deckung des Aufwands für die Herstellung ihrer öffentlichen Entwässerungseinrichtung Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung besondere Vorteile bietet. Ein zusätzlicher Beitrag entsteht gemäß Art. 5 Abs. 2a Satz 1 KAG, wenn sich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände nachträglich ändern und sich dadurch der Vorteil erhöht. Maßgeblich für die Beitragsbemessung sind gemäß Art. 5 Abs. 2 Sätze 2 und 6 KAG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Beklagten vom 17.11.2004 (BGS-EWS) die Grundstücksfläche und die Geschossfläche der vorhandenen Gebäude, wobei bei übergroßen Grundstücken in unbeplanten Gebieten mit einer Fläche von mehr als 1.600 qm als Grundstücksfläche das 3-fache der vorhandenen Geschossfläche, mindestens jedoch 1.600 qm berechnet werden. Dementsprechend entsteht gemäß § 5 Abs. 5 BGS-EWS eine zusätzliche Beitragspflicht, wenn ein Grundstück vergrößert wird und für diese Flächen noch keine Beiträge geleistet wurden (Satz 1). Gleiches gilt im Falle der Geschossflächenvergrößerung für die zusätzlich geschaffenen Geschossflächen sowie im Falle eines übergroßen Grundstücks für die sich aus ihrer Vervielfachung errechnende Grundstücksfläche (Satz 2).
Grundstück ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 der Entwässerungssatzung der Beklagten vom 21.05.1991 (EWS) jedes räumlich zusammenhängende und einem gemeinsamen Zweck dienende Grundeigentum desselben Eigentümers, das eine selbstständige wirtschaftliche Einheit bildet, auch wenn es sich um mehrere Grundstücke oder Teile von Grundstücken im Sinne des Grundbuchrechtes handelt. Demgemäß wird ein Grundstück außer bei der buchmäßigen Erweiterung seiner Fläche auch dann vergrößert, wenn zusammen mit der zusätzlichen Fläche eine wirtschaftliche Einheit neu entsteht oder eine bestehende wirtschaftliche Einheit erweitert wird (Thimet, Kommunalabgaben und Ortsrecht in Bayern, Stand März 2016, Teil IV Art. 5 Abschnitt A Frage 17 Ziffer 3.1.).
Durch die Errichtung der Abbund- und Lagerhalle auf dem Grundstück Fl.-Nr. … unter geringfügiger Überbauung des Grundstücks Fl.-Nr. … wurde die mit Bescheid vom 25.02.2005 abgerechnete wirtschaftliche Einheit erweitert, weil sich nunmehr der Zimmerei- und Treppenbaubetrieb der Kläger auch auf das Grundstück Fl.-Nr. … erstreckt mit der Folge, dass die räumlich zusammenhängenden Grundstücke Fl.-Nrn. … und … mit einer Gesamtfläche von 3.244 qm einem gemeinsamen Zweck dienen.
Ein zusätzlicher Grundstücksflächenbeitrag entsteht durch die Vergrößerung der schon vorher übergroßen wirtschaftlichen Grundstückseinheit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 BGS-EWS zwar nicht unmittelbar, jedoch mittelbar gemäß § 5 Abs. 5 Satz 2 BGS-EWS durch die Schaffung zusätzlicher Geschossflächen.
Für die auf der erweiterten wirtschaftlichen Grundstückseinheit zusätzlich geschaffenen Geschossflächen ist gemäß § 5 Abs. 5 Satz 2 BGS-EWS eine Beitragspflicht entstanden, weil es sich bei der Abbund- und Lagerhalle nicht gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 4 KAG in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Satz 4 BGS-EWS um ein Gebäude oder einen selbstständigen Gebäudeteil handelt, der nach Art seiner Nutzung keinen Bedarf nach Anschluss an die gemeindliche Einrichtung auslöst. Dabei kann die Selbstständigkeit oder Unselbstständigkeit der Abbund- und Lagerhalle dahingestellt bleiben, weil jedenfalls ein Anschlussbedarf besteht.
Die Frage, ob ein Gebäude oder ein selbstständiger Gebäudeteil nach der Art seiner Nutzung einen Bedarf nach Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung oder Entwässerungsanlage auslöst, ist nach objektiven Gesichtspunkten typisierend zu entscheiden. Es kommt nicht auf eine gegenwärtig tatsächlich möglicherweise gerade einschränkende Nutzung an, vielmehr ist aufgrund objektivierender Betrachtungsweise nach der bestimmungsgemäßen, baurechtlich genehmigten Nutzung eines Gebäudes oder selbstständigen Gebäudeteils zu fragen (ständige Rechtsprechung, vgl. BayVGH, Beschluss vom 11.11.2002 – 23 ZB 02.1417, juris Rn. 4 und Beschluss vom 10.01.2012 – 20 ZB 11.2816, juris Rn. 5). Damit spielt es keine Rolle, ob die streitgegenständliche Halle derzeit nach dem gegenwärtigen Betriebskonzept des Klägers zu 1 höchstens zu 10% und im Wesentlichen von ihm selbst für Abbundarbeiten genutzt wird und weit überwiegend als Lagerhalle dient. Entscheidend ist die baurechtlich genehmigte Nutzung als Abbund- und Lagerhalle, die einen ständigen oder jedenfalls überwiegenden Aufenthalt einer oder mehrerer Person(en) während der üblichen Arbeitszeiten in der Halle zulässt, so dass für diese nach der Arbeitsstättenverordnung unter anderem Waschräume oder zumindest Waschgelegenheiten sowie Toilettenräume erforderlich sind, was den Bedarf nach einem Anschluss der Halle an die öffentliche Entwässerungseinrichtung auslöst. Das Vorhandensein sanitärer Einrichtungen in einem anderen Gebäude oder Gebäudeteil ändert nichts am grundsätzlichen Anschlussbedarf.
Die Vergrößerung der vorhandenen Geschossflächen um 280 qm hat gemäß § 5 Abs. 5 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 BGS-EWS auch eine Vergrößerung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche um das 3-fache dieser Geschossfläche, also 840 qm, zur Folge.
2. Nach alledem sind die Klagen mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 in Verbindung mit § 159 Satz 2 VwGO, wonach die Kläger als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner tragen, abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.

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